EU-Kommission, Visier

EU-Kommission nimmt Meta AI ins Visier

04.12.2025 - 08:00:12

Die Europäische Kommission bereitet eine offizielle Kartelluntersuchung gegen Meta vor. Im Zentrum steht die Integration künstlicher Intelligenz in WhatsApp – und die Frage, ob der Tech-Konzern seine Marktmacht missbraucht, um sich im KI-Wettlauf einen unfairen Vorteil zu verschaffen.

Wie die Financial Times am Mittwochabend berichtete und Reuters am Donnerstagmorgen bestätigte, finalisieren die Wettbewerbshüter in Brüssel derzeit die Pläne für eine Untersuchung. Der Vorwurf: Meta könnte durch die Einbettung von “Meta AI” in WhatsApp gegen EU-Kartellrecht verstoßen. Hunderte Millionen Europäer nutzen den Messenger täglich – genau diese Reichweite könnte Meta nun zum Verhängnis werden.

Bemerkenswert ist die rechtliche Grundlage: Statt des neuen Digital Markets Act (DMA) will die Kommission offenbar Artikel 102 des EU-Vertrags bemühen. Dieser verbietet den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung – ein bewährtes Instrument, das bereits Microsoft und Google teuer zu stehen kam.

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“Der Kern des Problems ist einfach”, erklärt ein Brüsseler Rechtsexperte. “Meta nutzt WhatsApps Allgegenwart, um sein KI-Ökosystem quasi zwangsweise zu verbreiten. Wenn Nutzer Meta AI als Standard-Option präsentiert bekommen, haben eigenständige KI-Start-ups keine Chance mehr.”

Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera zeigt damit: Sie ist bereit, das gesamte Arsenal des EU-Wettbewerbsrechts auszuschöpfen – neben dem DMA auch traditionelle Kartellverfahren.

Italien machte den Anfang

Die EU-weite Untersuchung ist keine Überraschung. Bereits im Juli 2025 eröffnete Italiens Kartellbehörde AGCM eine Voruntersuchung zur selben Problematik. Im November wurde diese deutlich ausgeweitet: Meta soll demnach aktiv verhindert haben, dass konkurrierende KI-Chatbots Zugang zur WhatsApp-Plattform erhalten.

Meta wies die Vorwürfe als “unbegründet” zurück. Doch die Kommission scheint nun bereit, die Angelegenheit auf europäischer Ebene zu klären – mit deutlich höheren Einsätzen. Bei einem Schuldspruch drohen Bußgelder von bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Noch gravierender könnten aber strukturelle Auflagen sein: etwa die Pflicht, Nutzern eine Auswahl zwischen verschiedenen KI-Anbietern zu ermöglichen.

Ein Jahr voller Konflikte

Das Jahr 2025 verlief turbulent für Meta in Europa. Im März rollte der Konzern seine KI-Funktionen in der EU aus – nach monatelangen Verzögerungen wegen Datenschutzbedenken. Was als Produktivitäts-Tool angepriesen wurde, alarmierte umgehend die Regulierer.

Im April folgte bereits die erste Strafe: 200 Millionen Euro wegen Verstößen gegen den DMA im Zusammenhang mit Metas “Bezahlen oder Zustimmen”-Werbemodell. Ribera stellte damals klar: “Wir wollen Freunde, keine Feinde – aber Compliance ist nicht verhandelbar.”

Diese Haltung wird nun auf die Probe gestellt. Mit der Rückkehr der Trump-Administration in Washington verschärft sich der transatlantische Ton. Das Weiße Haus betrachtet die EU-Regulierung zunehmend als diskriminierenden Angriff auf amerikanische Wirtschaftsinteressen.

WhatsApp als digitale Schaltzentrale

Technisch gesehen erscheint Meta AI als kleines, buntes Symbol über der Chat-Liste in WhatsApp. Ein Fingertipp öffnet die Konversation mit dem KI-Assistenten, der auf Metas Llama-3-Sprachmodell basiert.

Genau diese prominente Platzierung ist das Problem. “Das ist der klassische Internet-Explorer-Fall neu aufgelegt für das KI-Zeitalter”, erklärte ein Wettbewerbsanwalt gegenüber CNBC. “Microsoft band seinen Browser an Windows – Meta bindet seine KI an WhatsApp.”

Für Konkurrenten ist diese Position unerreichbar. Während europäische Start-ups wie Mistral oder etablierte Player wie OpenAI um Aufmerksamkeit kämpfen, hat Meta AI bereits einen Platz in der meistgenutzten Chat-App Europas. Diese digitale Premiumfläche lässt sich nicht kaufen – man muss sie besitzen.

Vorbote globaler Regulierung?

Sollte die Kommission Meta zur Öffnung von WhatsApp für Dritt-KI-Anbieter zwingen, entstünde ein gigantischer Distributionskanal. Ein Präzedenzfall mit globaler Signalwirkung: Es ginge nicht mehr nur um das beste KI-Modell, sondern um die beste Vertriebsstrategie.

“Wir befinden uns in einer Phase, in der nicht das beste Modell gewinnt, sondern die beste Distribution”, sagt Dr. Elena Kostioukovitch von einem Berliner Think Tank. “Die EU signalisiert: Wir lassen nicht zu, dass Distributionsmonopole die Gewinner des KI-Wettlaufs bestimmen.”

Die Kehrseite: Meta könnte weitere Features vom europäischen Markt fernhalten. Bereits jetzt hält der Konzern multimodale KI-Modelle wegen “regulatorischer Unsicherheit” aus der EU heraus. Eine aggressive Kartelluntersuchung dürfte diese Segregation verstärken.

Lange Schlacht voraus

Metas Aktie reagierte am Donnerstagnachmittag mit leichten Verlusten. Eine offizielle Stellungnahme des Konzerns steht noch aus, doch mit vehementem Widerstand ist zu rechnen.

Bis zu einer Entscheidung dürften 18 bis 24 Monate vergehen – Zeit für intensive juristische Gefechte und umfangreiche Beweisaufnahme. Die Botschaft aus Brüssel ist dennoch unmissverständlich: Die Ära des “move fast and break things” ist vorbei. Wer heute bewegt, muss vorsichtig sein – oder die Konsequenzen tragen.

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