DGB fordert Kurswechsel beim betrieblichen Gesundheitsmanagement
27.11.2025 - 20:00:12Der Deutsche Gewerkschaftsbund schlägt Alarm: Statt kranke Beschäftigte unter Generalverdacht zu stellen, müssen Unternehmen endlich wirksame Präventionsmaßnahmen ergreifen. Bei historisch hohen Krankenständen zeigt sich die Schwäche bisheriger Konzepte.
Die Gewerkschaften gehen in die Offensive. Am 26. November richtete der DGB einen dringlichen Appell an die deutsche Wirtschaft: Das betriebliche Gesundheitsmanagement müsse grundlegend neu ausgerichtet werden. Der Fokus auf die Kontrolle von Fehlzeiten habe ausgedient – gefragt seien jetzt robuste Präventionsstrategien, besonders für psychische Belastungen und Muskel-Skelett-Erkrankungen.
Die alarmierenden Krankenstands-Daten für Ende 2025 heizen die Debatte zusätzlich an. Die Fehlzeiten verharren auf Rekordniveau. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel stellte sich dieser Woche entschieden gegen Arbeitgeberverbände, die elektronische Krankschreibungen und telefonische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die hohen Zahlen verantwortlich machen.
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„Die hohe Zahl von Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen und Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems wie Rückenschmerzen ist ein Grund zu ernsthafter Sorge”, erklärte Piel gegenüber der Funke Mediengruppe. Diese spezifischen Diagnosen würden direkt auf problematische Arbeitsbedingungen hinweisen – nicht auf Arbeitnehmermoral.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 63 Prozent der Beschäftigten gaben laut DGB-Daten zu, im vergangenen Jahr krank zur Arbeit gegangen zu sein. Piel betonte, dass die wirtschaftlichen Kosten dieses sogenannten Präsentismus – inklusive Ansteckungsrisiken und Arbeitsunfällen – nachweislich etwa doppelt so hoch lägen wie die Kosten krankheitsbedingter Fehlzeiten.
Kann es sich die deutsche Wirtschaft wirklich leisten, weiterhin auf Symptombekämpfung statt Prävention zu setzen?
Atemwegsinfekte und psychische Krisen
Frische Statistiken großer Krankenkassen untermauern die Forderungen der Gewerkschaften. Berichte von Ende November 2025 bestätigen: Während die „Tripledemic” aus Grippe, COVID-19 und RSV weiterhin für kurzfristige Ausfälle sorgt, werden Langzeiterkrankungen zunehmend durch strukturelle Arbeitsplatzprobleme befeuert.
Eine am 27. November veröffentlichte Analyse zur Region Münster – oft als Gradmesser für bundesweite Trends betrachtet – zeigt einen deutlichen Anstieg von Atemwegsinfektionen im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit. AOK und BKK melden zudem eine besorgniserregende Dauerpräsenz stressbedingter Diagnosen.
Die Daten offenbaren einen Teufelskreis:
- Akute Wellen: Saisonale Viruswellen verursachen häufige, kurzfristige Unterbrechungen.
- Chronische Überlastung: Hohe Arbeitsbelastung, verschärft durch Personalengpässe während dieser Krankheitswellen, führt zu Burnout und körperlichen Beschwerden bei den verbliebenen Mitarbeitern – und damit zu Langzeitfällen.
Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM), gesetzlich vorgeschrieben nach mehr als sechs Wochen Krankheit, wird dadurch wichtiger denn je. Bei anhaltend hohen Krankenständen berichten Personalabteilungen von einer Überlastung durch die schiere Menge erforderlicher BEM-Verfahren – mit entsprechenden Rückstaus bei der Wiedereingliederung.
Rechtslage: BEM-Pflichten verschärfen sich
Während der DGB auf Prävention drängt, erinnerten Rechtsexperten diese Woche an die strengen Verpflichtungen für Arbeitgeber bei der Wiedereingliederung. Eine am 25. November 2025 veröffentlichte juristische Analyse unterstrich die fortdauernde Relevanz der Rechtsprechung zum Schutz behinderter und langzeiterkrankter Beschäftigter.
Die zentrale Botschaft: Arbeitgeber können Mitarbeiter nicht einfach kündigen, wenn diese ihre bisherigen Tätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können. Juristen erinnerten daran, dass ein BEM-Verfahren „ergebnisoffen” sein muss. Unternehmen sind rechtlich verpflichtet, ernsthaft alternative Beschäftigungsmöglichkeiten zu prüfen – inklusive Umschulungen oder Umstrukturierungen – bevor eine krankheitsbedingte Kündigung als rechtmäßig gelten kann.
Für HR-Manager bedeutet dies ein wachsendes Compliance-Risiko. Mit steigenden Krankenständen erhöht sich statistisch die Wahrscheinlichkeit von Klagen wegen fehlerhafter BEM-Prozesse. Die aktuelle Rechtsprechung legt nahe: Ein „Abhaken” von Formalitäten reicht nicht mehr. Gerichte fordern zunehmend Nachweise, dass Arbeitgeber aktiv versucht haben, den Arbeitsplatz an die veränderten Gesundheitsfähigkeiten anzupassen.
Streitpunkt telefonische Krankschreibung
Ein wesentlicher Reibungspunkt in der aktuellen BGM-Debatte ist die Art der Krankmeldung. Die diese Woche laut gewordene Arbeitgeberkritik richtet sich gegen die einfache Erlangung von Krankschreibungen per Telefon oder Videosprechstunde – eine Praxis, die sich während der Pandemie etabliert hat.
Kritiker argumentieren, dies senke die Hemmschwelle für Krankmeldungen. DGB und Gesundheitsexperten kontern jedoch: Die elektronische Übermittlung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (eAU) habe die Statistiken lediglich präziser gemacht. Früher hätten viele Beschäftigte bei Kurzerkrankungen möglicherweise keinen „gelben Schein” eingereicht – jetzt erfasse die automatische digitale Übermittlung vom Arzt zur Krankenkasse jeden Tag.
„Wir erleben einen Transparenzschock, nicht zwingend einen Moralverfall”, bemerkte ein Gesundheitspolitik-Analyst zu den neuen Zahlen. „Die eAU hat ein Licht auf den wahren Zustand der Belegschaftsgesundheit geworfen – und das Bild ist für viele Unternehmen unangenehm.”
Ausblick 2026: Die BGM-Wende kommt
Das Jahr 2026 verspricht bedeutende Transformationen im betrieblichen Gesundheits- und Eingliederungsmanagement. Der Druck durch Gewerkschaften und die Realität des demografischen Wandels – eine alternde Belegschaft ist natürlicherweise anfälliger für Krankheiten – erzwingen einen strategischen Kurswechsel.
KI-gestützte Prävention: Branchendiskussionen Ende November 2025 zeigen ein wachsendes Interesse an KI-gestützten BGM-Tools. Diese Systeme sollen anonymisierte Gesundheitsdaten analysieren, um Burnout-Risiken in bestimmten Abteilungen frühzeitig zu erkennen – noch bevor Langzeitausfälle entstehen.
Nachhaltigkeit und Gesundheit: Ein wachsender Trend ist die Integration von BGM in Nachhaltigkeits- und ESG-Ziele. Gesunde Beschäftigte werden zunehmend als nachhaltige Ressource betrachtet. Unternehmen werden voraussichtlich transparenter über „Gesundheits-KPIs” berichten müssen – BGM entwickelt sich vom „Nice-to-have” zur Vorstandskennzahl.
Hybride BEM-Verfahren: Der Rückstau bei BEM-Fällen beschleunigt die Einführung digitaler und hybrider Wiedereingliederungsmanagement-Lösungen. Software zur Dokumentation und Terminplanung von BEM-Gesprächen wird zum Standard. Experten warnen allerdings: Das für erfolgreiche BEM-Prozesse entscheidende persönliche Vertrauen lasse sich nicht digitalisieren.
Die Botschaft der Woche vom 24. bis 27. November ist eindeutig: Die Ära, in der hohe Krankenstände ausschließlich als Disziplinproblem behandelt wurden, geht zu Ende. Wie der jüngste Vorstoß des DGB zeigt, verlagert sich die Verantwortung auf Arbeitgeber: Sie müssen Arbeitsumgebungen schaffen, die ihre Beschäftigten nicht erst krank machen.
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