Betriebsratswahlen, Kandidatenmangel

Betriebsratswahlen 2026: Kandidatenmangel wird zum Normalfall

16.12.2025 - 13:40:12

Die Betriebsratswahlen im Frühjahr 2026 drohen zur Wahl der „kleinen Räte“ zu werden. Ein neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts ebnet den Weg für rechtssichere Wahlen trotz fehlender Bewerber – und verändert die deutsche Arbeitswelt grundlegend.

Berlin – Die Vorbereitungen für die bundesweiten Betriebsratswahlen 2026 laufen auf Hochtouren. Doch im Fokus steht nicht der übliche Wahlkampf, sondern ein fundamentales Problem: Immer weniger Beschäftigte wollen sich für ein Mandat im Betriebsrat aufstellen lassen. Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) macht aus dieser Not nun eine rechtliche Tugend und definiert die Spielregeln für die kommende Wahlperiode neu.

Die Deutsche Versicherungsakademie (DVA) hat heute, am 16. Dezember, ein umfangreiches Seminarprogramm für Wahlvorstände gestartet. Damit beginnt die „heiße Phase“ der Vorbereitung. „Für die Unternehmen beginnt eine Phase, in der rechtssichere Prozesse und gut vorbereitete Gremien entscheidend sind“, so die DVA. Der Fokus liegt klar auf der Bewältigung von Bewerberengpässen.

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Hintergrund ist ein umfangreiches Rechtsdossier des ArbRB-Blogs, das bereits gestern veröffentlicht wurde. Die Analyse trägt den treffenden Titel „Kandidatenmangel bei Betriebsratswahlen“. Sie kommt zu einem klaren Schluss: Der Personalmangel im Betriebsrat wird zum bestimmenden Merkmal der Wahlen 2026. Erstmals agieren Wahlvorstände in einem rechtlichen Rahmen, der unterbesetzte Gremien ausdrücklich toleriert.

Rechtswende: Keine Nachfrist mehr nötig

Die Dringlichkeit der Debatte speist sich aus einer wegweisenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts. In einem Grundsatzurteil vom 22. Mai 2025 (Az. 7 ABR 10/24) stellte der Erste Senat klar: Ein Wahlvorstand ist nicht verpflichtet, eine Nachfrist zu setzen, wenn sich zu wenige Kandidaten finden – sofern mindestens eine gültige Liste existiert.

Das Urteil kippte eine gegenteilige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts. Bislang fürchteten viele Wahlvorstände, eine Wahl mit zu wenigen Kandidaten könne anfechtbar sein. Das BAG stellt nun klar: Ein „kleinerer“ Betriebsrat ist ein rechtlich vollwertiges Ergebnis. „Die Entscheidung macht deutlich, dass eine Betriebsratswahl nicht allein deshalb unwirksam ist, weil weniger Bewerber antreten als vom Gesetzgeber vorgesehen“, kommentieren Rechts experten.

Die Konsequenzen für 2026 sind weitreichend:
* Tempo vor Vollzähligkeit: Wahlen werden nicht automatisch unterbrochen, um nach weiteren Kandidaten zu suchen.
* Rechtssichere Mini-Gremien: Ein neunköpfiger Betriebsrat kann legal mit nur sechs Mitgliedern arbeiten, wenn keine weiteren Kandidaten zur Verfügung stehen.
* Geringeres Haftungsrisiko: Wahlvorstände laufen weniger Gefahr, dass ihre Entscheidungen wegen unterlassener Fristverlängerungen angefochten werden.

Praxis-Check: Notwahlen bei Rhenus & Seifert

Die praktischen Auswirkungen des Kandidatenmangels zeigen sich bereits heute. Erst in der vergangenen Woche, am 8. Dezember, meldete IG Metall Gaggenau den Abschluss von vorgezogenen Notwahlen bei den Logistikfirmen Rhenus und Seifert.

Laut der Gewerkschaft wurden diese Wahlen nicht durch den regulären Turnus, sondern durch Personalmangel erzwungen: „Die erforderliche Anzahl an Betriebsratsmandaten wurde in der laufenden Amtszeit unterschritten, und alle Ersatz kandidaten waren bereits aufgebraucht.“ Dieser Fall – der Zusammenbruch eines Gremiums wegen Mitgliedermangels – ist genau das Szenario, auf das sich die Vorbereitungen für 2026 einstellen müssen. „In solchen Fällen schreibt das Gesetz Neuwahlen vor“, erklärt IG Metall.

Gewerkschaften zwischen Mobilisierung und Realität

Die großen Gewerkschaften reagieren mit frühen Mobilisierungskampagnen auf den Trend. IG Metall Wolfsburg startete bereits am 1. Dezember eine Sichtbarkeitsoffensive für potenzielle Kandidaten, inklusive Grill-Events und direkter Ansprache. Auch ver.di hat sein „Wahl 2026“-Portal massiv ausgebaut und bietet spezielles Training für das „Vereinfachte Wahlverfahren“ an – ein Verfahren für kleinere Betriebe, in denen der Kandidatenmangel besonders akut ist.

Die Strategie der Gewerkschaften verfolgt zwei Ziele:
1. Rekrutierung: Den „Bewerber gap“ aktiv bekämpfen, um vollständige und handlungsfähige Betriebsräte zu sichern.
2. Rechtsschutz: Sicherstellen, dass notfalls gebildete „kleinere“ Betriebsräte strikt nach den neuen BAG-Maßstäben etabliert werden, um Anfechtungen durch Arbeitgeber zu verhindern.

Ausblick: Weniger ist das neue Mehr

Mit dem nahenden Wahlzeitraum (1. März bis 31. Mai 2026) ist der Kandidatenmangel kein logistisches Ärgernis mehr, sondern gelebte Rechtswirklichkeit. „Die Wahl 2026 wird voraussichtlich eine Rekordzahl an ‚verkleinerten‘ Betriebsräten hervorbringen“, prognostiziert Arbeitsrechtsexperte Dr. Erik Schmid. „Dank der BAG-Urteile von 2025 stehen diese Gremien aber auf festerem rechtlichem Grund als je zuvor.“

Die Botschaft dieser Woche an Arbeitgeber und Wahlvorstände ist eindeutig: Der Mangel an Kandidaten ist kein Grund mehr, den demokratischen Prozess im Betrieb zu stoppen. Er ist die neue Basis der betrieblichen Mitbestimmung.

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