BASF und Norma Group setzen mit Betriebsvereinbarungen neue Maßstäbe
17.12.2025 - 11:10:12Die letzte Woche des Jahres 2025 wird zum Wendepunkt für die deutsche Tariflandschaft. Innerhalb von 72 Stunden haben Großkonzerne wegweisende Betriebsvereinbarungen unterzeichnet. Gleichzeitig warnen Juristen vor einer „neuen Ära“ der gerichtlichen Kontrolle, angetrieben durch ein bahnbrechendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts.
Der Chemieriese BASF SE und sein Betriebsrat haben nach monatelangem „harten Ringen“ einen Durchbruch erzielt. Die neue Standortvereinbarung „Zukunft gestalten für einen starken Standort“ setzt ab dem 1. Januar 2026 einen hohen Maßstab. Sie garantiert dem Ludwigshafener Stammpersonal bis Ende 2028 Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen.
Im Gegenzug verpflichtet sich die Belegschaft zu einem Transformationskurs. Das Ziel: Die Profitabilität des Standorts wiederherstellen. Kern des Pakts ist eine Investitionsgarantie. BASF wird jährlich rund zwei Milliarden Euro – mindestens jedoch 1,5 Milliarden – in die Modernisierung und „grüne“ Transformation des Werks pumpen.
„Das Ergebnis ist ein klares Bekenntnis zum Standort und seinen Mitarbeitern“, sagte Sinischa Horvat, Vorsitzender des BASF-Betriebsrats. Für Personalverantwortliche ist diese Vereinbarung ein Musterbeispiel. Moderne Betriebsvereinbarungen entwickeln sich von Regeltexten zu strategischen Zukunftspakten. Sie verbinden massive Investitionen mit der notwendigen Flexibilität der Belegschaft.
Passend zum Thema Betriebsvereinbarungen: Viele Personaler übersehen veraltete Vertragsklauseln, die später zu teuren Nachforderungen oder Bußgeldern führen können. Ein kostenloses E‑Book erklärt, welche Klauseln Sie jetzt prüfen müssen und liefert 19 fertige Muster‑Formulierungen, mit denen Sie Arbeitsverträge rechtssicher an die neuen Equal‑Pay- und Nachweisanforderungen anpassen. 19 Muster-Formulierungen für rechtssichere Arbeitsverträge herunterladen
Sozialverträglicher Umbau bei der Norma Group
Während BASF Stabilität sichert, steuert andere Branchen notwendige Verkleinerungen. Der Automobilzulieferer Norma Group einigte sich mit seinem Konzernbetriebsrat auf ein Freiwilligenprogramm. Es soll bis zu 70 Stellen in Deutschland abbauen – jedoch ohne Zwang.
Das Programm startet im Januar 2026 und enthält eine sogenannte Brückenregelung. Sie soll den Weg für einen künftigen Tarifvertrag ebnen. Für Betriebsräte ist der Fall Norma Group ein Lehrstück. Er zeigt, wie durch frühzeitige Verhandlungen sozialverträgliche Exit-Lösungen geschaffen werden können. Severance Packages oder Vorruhestandsregelungen bieten echte Alternativen zu einseitigen betriebsbedingten Kündigungen.
Das juristische „Gamechanger“-Urteil zum Equal Pay
Neben diesen Unternehmensdeals hat sich der rechtliche Rahmen fundamental verschoben. Juristische Jahresrückblicke identifizieren einstimmig ein Urteil als entscheidend: Den Equal-Pay-Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 23. Oktober 2025 (Az. 8 AZR 300/24).
Das Gericht entschied: Nennt eine Arbeitnehmerin nur einen besser bezahlten Kollegen in vergleichbarer Position, kehrt sich die Beweislast um. Der Arbeitgeber muss dann objektive, nicht-diskriminierende Gründe für die Gehaltsdifferenz nachweisen.
Die Folgen für Betriebsvereinbarungen sind massiv:
1. Objektive Kriterien sind Pflicht: Weit gefasste Gehaltsbänder reichen nicht mehr. Vereinbarungen müssen explizit die Gründe für Unterschiede nennen – etwa Berufserfahrung oder spezifische Qualifikationen.
2. Transparenz wird zum Muss: Betriebsräte müssen bestehende Vergütungsvereinbarungen überprüfen. Unklare „leistungsbezogene Boni“ ohne messbare Kriterien werden zum Haftungsrisiko.
3. Dokumentation ist alles: Jede Abweichung von der Regel muss mit „gerichtsfesten“ Begründungen dokumentiert werden.
Datenschutz: Die anhaltenden Folgen des „Workday“-Urteils
Parallel zum Equal-Pay-Urteil bleibt die „Workday“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bestimmend. Juristen sind sich einig: Betriebsvereinbarungen sind keine „Blankovollmacht“ mehr für Datenübermittlungen in Drittländer wie die USA.
Vereinbarungen müssen nun strikt „DSGVO-sicher“ sein. Eine Klausel, die Datenübermittlungen einfach nur „erlaubt“, ohne die spezifischen Anforderungen von Artikel 88 DSGVO zu erfüllen, ist wahrscheinlich unwirksam. Das betrifft besonders Unternehmen, die 2026 neue HR-Software einführen. Die Standardvorlagen von einst gelten heute als rechtlich riskant.
Ausblick 2026: Die Ära der „Set-and-Forget“-Vereinbarungen ist vorbei
Die Rolle der Betriebsvereinbarung wird anspruchsvoller. Der Trend geht zu konditionalen Vereinbarungen nach BASF-Vorbild. Sie knüpfen Arbeitnehmerrechte direkt an das Erreichen unternehmerischer Ziele.
- Für Arbeitgeber zeigt der BASF-Deal: Langfristige Stabilitätspakte sind möglich, verlangen aber erhebliche Kapitalzusagen.
- Für Betriebsräte rückt die Compliance-Prüfung in den Vordergrund. Bestehende Vereinbarungen müssen an die neuen Equal-Pay- und Datenschutz-Standards angepasst werden.
Die Botschaft der letzten Tage ist klar: Betriebsvereinbarungen sind zum zentralen Instrument geworden, um in unsicheren Zeiten sowohl Stabilität als auch Zukunftsfähigkeit zu sichern.
PS: Die neuen DSGVO-Anforderungen betreffen besonders Personal‑ und HR‑Dateien – wer kein sauberes Verarbeitungsverzeichnis hat, riskiert Bußgelder und Prüfungsaufwand. Eine kostenlose Excel‑Vorlage führt Sie Schritt für Schritt durch das Verzeichnis nach Art. 30 DSGVO und hilft, Datenübermittlungen und Auftragsverarbeitungen prüfungssicher zu dokumentieren. Verarbeitungsverzeichnis (Art. 30) – kostenlose Excel‑Vorlage herunterladen


