Arbeitszeitgesetz, Streit

Arbeitszeitgesetz: Streit um Acht-Stunden-Tag eskaliert

06.12.2025 - 16:19:12

Die Schlacht um Deutschlands Arbeitszeit spitzt sich dramatisch zu. Während Industriebosse die Abschaffung von Feiertagen fordern, legt der Deutsche Gewerkschaftsbund neue Zahlen vor: 72 Prozent der Beschäftigten wollen die Acht-Stunden-Grenze behalten. Der Konflikt legt ein Land offen, das zwischen Produktivitätsdruck und Gesundheitsschutz zerrissen ist.

Kann ein Kompromiss die verhärteten Fronten noch aufbrechen? Die Bundesregierung steht unter Druck, die seit Jahren blockierte Reform des Arbeitszeitgesetzes endlich zu liefern. Doch die Gräben zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften waren selten tiefer als heute.

Am Donnerstag dieser Woche präsentierte der DGB seinen “Index Gute Arbeit 2025” – eine Studie, die wie eine Antwort auf die jüngsten Forderungen der Wirtschaft wirkt. Die Ergebnisse sind eindeutig: 72 Prozent der Beschäftigten sprechen sich für eine Begrenzung auf maximal acht Stunden täglich aus. Mehr als zehn Stunden pro Tag? Das lehnen sogar 98 Prozent kategorisch ab.

“Die Abschaffung des regulären Acht-Stunden-Tages ignoriert die Realität der Beschäftigten völlig”, erklärte DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi bei der Vorstellung der Zahlen. Die Studie offenbart eine beunruhigende Gesundheitskrise: Wer regelmäßig mehr als acht Stunden arbeitet, klagt deutlich häufiger über Erschöpfung und die Unfähigkeit, nach Feierabend abzuschalten. Bei dieser Gruppe liegt die Quote bei 51 Prozent – verglichen mit nur 21 Prozent bei Beschäftigten mit Normalarbeitszeit.

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Der Zeitpunkt der Veröffentlichung war kein Zufall. Die Gewerkschaften sehen sich mit einer wachsenden Kampagne der Arbeitgeber konfrontiert, die auf eine radikale Deregulierung des Arbeitsrechts drängt. Der Index dokumentiert zudem steigende Sorgen über “unbezahlte Überstunden” und “ständige Erreichbarkeit” – Probleme, die sich durch eine Aufweichung des Gesetzes verschärfen würden.

Trumpf-Chefin fordert Abschaffung des Ostermontags

Den Auftakt zur aktuellen Eskalation lieferte Nicola Leibinger-Kammüller, Vorstandschefin des Lasertechnik-Konzerns Trumpf. In einem Interview Anfang dieser Woche schlug sie vor, den Ostermontag als bezahlten Feiertag zu streichen. Deutschland habe “die meisten Feiertage und durchschnittlich die meisten Krankheitstage”, argumentierte sie. Ein “kollektiver Kraftakt” sei nötig, um gegen die USA und China wettbewerbsfähig zu bleiben.

Besonders provokant: Die Unternehmerin behauptete, längere Arbeitszeiten seien möglich, ohne dass Beschäftigte “in eine Kur müssten”. Die Aussage löste einen Sturm der Entrüstung aus, insbesondere bei der IG Metall, die umgehend zurückschoss: Flexibilität dürfe nicht einseitig vom Arbeitgeber diktiert werden.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) unterstützt die Stoßrichtung, wenngleich mit einem anderen Fokus. BDA-Präsident Rainer Dulger warnte am 2. Dezember vor “pauschaler Kritik an Unternehmern” und betonte die enormen Risiken, die diese in der Wirtschaftsflaute schultern. Das Kernziel bleibt die Umstellung von der täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit.

Der Kern des Konflikts: Wessen Flexibilität zählt?

Die Arbeitgeber argumentieren pragmatisch: Die starre Acht-Stunden-Grenze pro Tag sei in der digitalisierten Wirtschaft überholt. Eine wöchentliche Obergrenze von 48 Stunden – im Einklang mit EU-Richtlinien – würde ausreichen. Zwölf-Stunden-Tage wären dann legal, solange sie durch freie Tage ausgeglichen werden. Das System würde Unternehmen ermöglichen, auf schwankende Auftragsbücher flexibler zu reagieren.

Doch was bedeutet “Flexibilität” für die andere Seite? Die IG Metall definiert sie als Zeitsouveränität für Beschäftigte – die Möglichkeit, Arbeitszeiten an Kinderbetreuung oder persönliche Bedürfnisse anzupassen. Ohne die tägliche Acht-Stunden-Ankermarke verschwimme die Grenze zwischen Beruf und Privatleben vollständig, warnt die Gewerkschaft. Das Ergebnis: steigende Burnout-Raten, wie die Gesundheitsdaten des DGB-Index belegen.

Die Arbeitgeber wiederum sehen im aktuellen Gesetz einen “Bürokratie-Monster”. Die Pflicht zur minutengenauen Arbeitszeiterfassung – durch das Bundesarbeitsgericht nach einem EuGH-Urteil festgeschrieben – schrecke Investoren ab und beschleunige die “Deindustrialisierung” Deutschlands.

Union und SPD in der Zwickmühle

Die Bundesregierung steckt in einer politischen Sackgasse. Der DGB-Index zeigt: 53 Prozent der Beschäftigten wünschen sich sogar kürzere Arbeitszeiten, nicht längere. Eine Gesetzesänderung zugunsten der Arbeitgeber würde die SPD-Basis vor den Kopf stoßen – gerade jetzt, da die Gewerkschaften ihre “rote Linie” klar markiert haben.

Gleichzeitig drängt der Wirtschaftsflügel der Union auf Reformen, um die stagnierende Konjunktur anzukurbeln. Das Arbeitsministerium hat bislang keinen Entwurf vorgelegt, der sowohl den “Gesundheitsschutz” der Gewerkschaften als auch die “betriebliche Flexibilität” der BDA zufriedenstellt.

Für Unternehmen und Personalabteilungen bleibt die strikte Einhaltung der aktuellen Tagesgrenzen vorerst unverzichtbar, um Haftungsrisiken zu vermeiden – auch wenn das politische Trommeln für Deregulierung lauter wird.

Ein heißer Winter steht bevor

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Deutschland den Weg “mehr arbeiten” einschlägt, um seine Wirtschaftsprobleme zu lösen, oder “besser arbeiten” wählt, um seine Beschäftigten zu schützen. Der DGB hat bereits angekündigt, die Index-Daten zu nutzen, um jede Aufweichung der Zehn-Stunden-Grenze zu verhindern. Die Industrie dagegen signalisiert: Der Status quo ist nicht länger akzeptabel.

Sollte die Reform auf Bundesebene scheitern, drohen Verhandlungen auf Unternehmensebene – mit ungewissem Ausgang für beide Seiten.

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