Synthesia, KI-Avatare

Synthesia & Co: KI-Avatare revolutionieren Compliance-Training – aber zu welchem rechtlichen Preis?

22.12.2025 - 21:12:12

KI-Avatare bringe n Datenschutz-Schulungen auf ein neues Level, doch Anwälte warnen vor versteckten Haftungsfallen. Für deutsche Datenschutzbeauftragte wird die Technologie zum zweischneidigen Schwert.

BERLIN/WASHINGTON – KI-gesteuerte, hyperrealistische Avatare sind der neue Standard für Compliance-Trainings in globalen Konzernen. Doch während die digitalen Trainer komplexe Regularien wie die DSGVO anschaulich vermitteln, wachsen die rechtlichen Risiken im Hintergrund. Eine aktuelle Warnung der Anwaltskanzlei ArentFox Schiff vom 22. Dezember 2025 bringt das Paradox auf den Punkt: Die Werkzeuge, die Compliance lehren sollen, benötigen selbst eine komplexe neue Governance-Schicht.

Die Ära statischer PowerPoint-Folien ist vorbei. 2025 hat die „Avatar-Ökonomie“ die betriebliche Weiterbildung umgekrempelt. Treiber ist der britische KI-Video-Pionier Synthesia. Das Unternehmen festigte seine Marktführerschaft nach einer spektakulären Finanzierungsrunde von 180 Millionen Euro im Januar 2025. Die Bewertung stieg auf über 2,1 Milliarden Euro.

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Seit August 2024 gilt die neue EU‑KI‑Verordnung mit umfangreichen Kennzeichnungs-, Risikoklassen‑ und Dokumentationspflichten für KI‑Systeme – und das betrifft auch Avatar‑Gestalter und -Nutzer. Wer diese Pflichten nicht erfüllt, riskiert rechtliche Sanktionen. Der kostenlose Umsetzungsleitfaden erklärt praxisnah, wie Sie Ihre Avatar‑Lösungen richtig klassifizieren, notwendige Dokumentation erstellen und Kennzeichnungspflichten umsetzen, damit Ihre Compliance‑Trainings rechtssicher bleiben. KI‑Verordnung: Umsetzungsleitfaden kostenlos herunterladen

„Die Tage generischer, textlastiger Compliance-Module sind gezählt“, kommentierten Branchenbeobachter damals. Der Vorteil der Avatare liegt auf der Hand: Sie personalisieren trockene Themen – vom KI-Gesetz der EU bis zu Details der DSGVO – und machen sie für eine globale Belegschaft in über 140 Sprachen zugänglich. Eine „Einmal-Erstellen, Überall-Einsetzen“-Lösung für deutsche Global Player.

Laut einem Bericht von Colossyan bevorzugen 91 % der US-Arbeitnehmer bereits Avatar-gestützte Sessions wegen ihrer Konsistenz und ständigen Verfügbarkeit. Doch die rasante Verbreitung der digitalen Trainer hat die rechtlichen Rahmenbedingungen überholt.

Die Haftungsfalle im „Unheimlichen Tal“

Die Warnung von ArentFox Schiff adressiert eine zentrale Spannung: Die Verantwortung für Aussagen von KI-Avataren. Wer haftet, wenn ein interaktiver Avatar in Echtzeit auf Mitarbeiterfragen antwortet und dabei falsche Rechtsauskünfte gibt – etwa zu Aufbewahrungsfristen für Daten?

„Unternehmen müssen die Risiken bewerten, die mit der Nutzung von KI-Avataren ohne ausreichende Kontrolle über deren ‚Persönlichkeit‘ einhergehen“, so die Kanzlei. Konkret identifiziert sie drei Hauptgefahren:

  • Einwilligung und Bildnisrechte: Steckt hinter dem Stock-Avatar die Lizenz eines bezahlten Schauspielers? Die unerlaubte Nutzung einer Ähnlichkeit kann teure Klagen nach sich ziehen.
  • Halluzinationen in Rechtsfragen: Gibt der Avatar eine falsche Compliance-Auskunft, haftet das Unternehmen für die daraus resultierende Verletzung – so der juristische Konsens.
  • Die „NO FAKES Act“-Problematik: Geplante US-Gesetze zum Schutz vor digitalen Replikaten zwingen zu höchster Sorgfalt bei der Auswahl der Avatar-Bibliothek.

Für deutsche Datenschutzbeauftragte (DSB) bedeutet das: Die Due Diligence beim KI-Anbieter ist genauso kritisch wie der Schulungsinhalt selbst. Stammt das Trainingsmaterial des KI-Modells von urheberrechtlich geschützten Werken oder echten Personen ohne Einwilligung?

Der Prüfstein: Der „Drei-Stufen-Test“ der EU

Der aktuelle Hype um KI-Trainings muss vor dem Hintergrund einer wegweisenden EU-Entscheidung gesehen werden: Vor genau einem Jahr, im Dezember 2024, veröffentlichte der Europäische Datenschutzausschuss (EDPB) seine Stellungnahme 28/2024. Sie etablierte einen „Drei-Stufen-Test“ für die Nutzung von „berechtigtem Interesse“ beim KI-Training.

Diese Prinzipien gelten nun auch für den Einsatz von Avataren am Arbeitsplatz. Die EDPB betonte:
1. Legitimes Ziel (z.B. effektive Mitarbeiterschulung).
2. Erforderlichkeit (Geht es nicht ohne die Verarbeitung biometrischer Daten für den Avatar?).
3. Abwägung der Grundrechte der Mitarbeiter.

2025 ist diese Abwägung Alltag geworden. Analysiert das System während der Interaktion mit dem Avatar Engagement, Augenbewegungen oder emotionale Reaktionen? Dann liegt eine Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten vor – und eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) wird gemäß den EDPB-Standards erforderlich.

Die Marktreaktion: „Saubere“ KI als Wettbewerbsvorteil

Der Markt spaltet sich in „konforme“ und „Wild-West“-Anbieter. Synthesia wirbt stark mit seinem „ethischen KI“-Ansatz: Alle Stock-Avatare basieren auf bezahlten Schauspielern mit expliziter Einwilligung. Diese Strategie war entscheidend für die erfolgreiche Finanzierungsrunde.

Wettbewerber wie HeyGen, die 2025 angeblich 100 Millionen Euro Jahresumsatz erreichten, punkten mit „sofortiger Lokalisierung“ von Videos. Doch die einfache Erstellung „maßgeschneiderter Avatare“ – etwa eines digitalen Zwilligs des CEOs – birgt neue Sicherheitsrisiken. Könnte ein solcher Avatar gehackt werden, um betrügerische Transaktionen zu autorisieren? Ein Szenario, das 2024/2025 vom Theoretischen zur realen Bedrohung wurde.

Ausblick 2026: Vom Präsentator zum interaktiven Agenten

Im kommenden Jahr werden Avatare voraussichtlich von reinen Vortragenden zu interaktiven Compliance-Agenten. Die nächste Generation könnte in Rollenspielen spezifische Szenarien durchspielen – etwa in einer Phishing-Simulation, bei der der Avatar den Social Engineer mimt. Effektiv, aber mit noch höheren datenschutzrechtlichen Hürden.

Trends für das erste Quartal 2026:
* Standardisierte „Avatar-Klauseln“ in Verträgen mit Haftungsausschlüssen für Avatar-Verhalten.
* Strikte Tabuzonen für sensible HR- oder Rechtskommunikation, um „Empathie-Lücken“ zu vermeiden.
* Mehr Transparenz durch das KI-Gesetz der EU: Klare Kennzeichnung, wenn ein Mitarbeiter mit einer KI und nicht mit einem Menschen interagiert.

Wie die ArentFox-Beratung zusammenfasst, ist Transparenz die Währung des Vertrauens. Für Unternehmen, die mit KI Compliance lehren, gilt: Sie müssen selbst vorleben, was sie predigen. Die ultimative Compliance-Lektion könnte sein, offen über die genutzten KI-Tools zu kommunizieren.

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