Mietrechts-Reform

Österreich beschließt weitreichende Mietrechts-Reform

05.12.2025 - 21:49:11

Österreichs Nationalrat entscheidet kommende Woche über eines der größten wohnpolitischen Projekte der letzten Jahre. Das „5. Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz” deckelt nicht nur Mieterhöhungen radikal – erstmals greift der Gesetzgeber massiv in freie Mietverträge ein.

Nach der Zustimmung des Bautenausschusses am 2. Dezember steht der finale Beschluss am 11. Dezember an. Die Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS hat die Unterstützung der Grünen. Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) treibt die Reform als eines der ersten Prestigeprojekte der neuen Bundesregierung voran.

Das Paket reagiert auf jahrelange Teuerungen. Doch es geht weit über Symptombekämpfung hinaus: Mit der Verlängerung von Mindestbefristungen und dem Eingriff in Wertsicherungsklauseln vollzieht die Politik einen Paradigmenwechsel. Mieterverbände jubeln, die Immobilienwirtschaft warnt vor massiven Folgen.

Die Regierung zieht die Notbremse. Nach der temporären Aussetzung im März 2025 folgt jetzt der langfristige Plan: 2026 dürfen Mieten im geregeltem Sektor maximal 1 Prozent steigen, 2027 sind es höchstens 2 Prozent.

Das betrifft Richtwert-, Kategorie- und Genossenschaftswohnungen – faktisch eine Realsenkung für hunderttausende Haushalte. Die Zahlen liegen deutlich unter den prognostizierten Inflationsraten.

Ab 1. April 2028 greift ein dauerhafter Dämpfungsmechanismus: Übersteigt die Inflation 3 Prozent, darf nur die Hälfte des Überhangs für Mieterhöhungen genutzt werden. „Wir müssen das Verhältnis von Mieten zu Arbeitseinkommen wieder ins Lot bringen”, begründet Babler den Vorstoß.

Anzeige

Passend zum Thema Mieterhöhungen – auch wenn Gesetzesänderungen die Anpassung von Mieten einschränken, ist es für Vermieter jetzt wichtiger denn je, rechtssicher zu argumentieren, welche Vergleichsmieten und Begründungen zulässig sind. Der kostenlose Mietspiegel-Report 2025 liefert Vergleichstabellen, rechtssichere Begründungshilfen und Praxis-Tipps für Neuverträge und Anpassungen. Ideal für private und professionelle Vermieter, die ihre Kalkulationen sauber dokumentieren wollen. Gratis Mietspiegel-Report 2025 herunterladen

Neuland: Staat reguliert freie Mietverträge

Während Kappungsgrenzen im Altbau-Sektor politisch umstritten sind, betritt die Novelle historisches Neuland: Erstmals greift der Gesetzgeber in Wertsicherungsklauseln freier Mietverträge ein.

Das trifft Neubauwohnungen und vermietete Eigentumswohnungen außerhalb des Mietrechtsgesetzes – ein stark gewachsenes Segment. Die Deckelungsmechanismen gelten künftig auch hier. Die Vereinbarung von Wertsicherungsklauseln wird neu geregelt.

Für die Immobilienbranche kommt dies einem Erdbeben gleich. Kritiker warnen vor einem Einbruch bei Neubau-Investitionen, da die Kalkulationssicherheit leidet. Die Regierung kontert: Unleistbares Wohnen spalte die Gesellschaft.

Aus für 3-Jahres-Verträge

Schluss mit der Rotation: Die Mindestbefristungsdauer steigt generell auf fünf Jahre. Bisher übliche Drei-Jahres-Verträge gehören der Vergangenheit an.

Die Maßnahme soll Fluktuation und Kosten (Umzug, Makler, Kaution) reduzieren. Ausnahmen gibt es nur bei Eigenbedarf oder für kleine Privatvermieter unter bestimmten Voraussetzungen.

Mieter gewinnen Planungssicherheit. Vermieter verlieren Flexibilität. Experten befürchten, dass mehr Eigentümer Wohnungen leer stehen lassen oder verkaufen statt vermieten. Flankierende Maßnahmen gegen Leerstand sind geplant, stehen aber nicht im Fokus des aktuellen Pakets.

Politischer Kraftakt der Dreierkoalition

Das Gesetz ist ein Lackmustest für die Zusammenarbeit von ÖVP, SPÖ und NEOS. Besonders für die wirtschaftsliberalen NEOS dürfte die Zustimmung ein schwieriger Kompromiss gewesen sein. Bildungsminister Christoph Wiederkehr trägt das Paket mit – möglicherweise im Austausch für Zugeständnisse in anderen Bereichen.

Die Opposition zeigt sich gespalten. Die FPÖ kritisiert den Entwurf als „kein großer Wurf”. Bautensprecher Michael Oberlechner vermisst Maßnahmen zur Ankurbelung der Bautätigkeit und fordert eine „Reparatur” des vorherigen Gesetzes.

Die Grünen stimmten zwar zu, spotten aber über das „Mietpreisbremserl”. Ihr Antrag für ein komplettes Befristungsverbot bei gewerblichen Vermietern scheiterte.

Wirtschaftliche Zangenbewegung

Die Novelle kommt in fragiler Phase. Die Inflation sinkt zwar, das Preisniveau bleibt aber hoch. Für die Immobilienwirtschaft bedeuten gedeckelte Einnahmen bei hohen Baukosten und Zinsen eine gefährliche Zangenbewegung.

Analysten erwarten eine Verschiebung zum Verkauf von Eigentumswohnungen, da Vermietung an Attraktivität verliert. Der Fokus großer Investoren dürfte sich vom Bestand zum Abverkauf verlagern.

Doch der Effekt wirkt in beide Richtungen: Da Wohnkosten einen erheblichen Teil des Haushaltseinkommens binden, könnte die Dämpfung den privaten Konsum in anderen Bereichen stützen. Die Oesterreichische Nationalbank hatte wiederholt auf die mietgetriebene Inflation als österreichisches Spezifikum hingewiesen, das die Wettbewerbsfähigkeit schwächt.

Das Modell der „Inflationsdämpfung” versucht einen Mittelweg zwischen Berlin-Stil (starrer Mietendeckel) und freiem Markt. Ob dieser Balanceakt zwischen Leistbarkeit und Investitionsanreiz gelingt, zeigt erst die Praxis.

Beschluss kommende Woche

Der Fahrplan steht: Am 11. Dezember beschließt der Nationalrat das Gesetz voraussichtlich mit Koalitions-Mehrheit und Teilen der Opposition. Inkrafttreten ist vor dem nächsten Anpassungstermin am 1. April 2026 geplant.

Für Mieter bedeutet das: Ab April 2026 steigen regulierte Mieten nur noch minimal. Neue Verträge bieten mindestens fünf Jahre Wohnsicherheit.

Für die Immobilienbranche: Die Zeit bis dahin wird knapp, um Kalkulationen an den „regulierten freie Markt” anzupassen. Die Diskussion ums Wohnen in Österreich ist damit keineswegs beendet – sie tritt lediglich in eine neue, schärfer regulierte Phase ein.

Anzeige

Übrigens: Sinkende Einnahmen durch Mietdeckel und längere Befristungen machen korrekte Betriebskostenabrechnungen für Vermieter noch wichtiger. Der kostenlose Report „Betriebskosten 2025″ erklärt in 5 Minuten, welche Kosten umlagefähig sind, welche typischen Fallstricke zu Streit führen und wie Sie Abrechnungen rechtssicher erstellen – mit praktischen Checklisten. Ein schneller Weg, um Nachforderungen und Konflikte zu vermeiden. Betriebskosten-Report 2025 kostenlos anfordern

@ boerse-global.de