Noratis: Schutzschirmverfahren löst Anlegerrevolte aus
25.12.2025 - 18:42:12Der Immobilienentwickler Noratis AG steckt tief in der Krise. Nur Tage nach Eröffnung des Schutzschirmverfahrens droht ein erbitterter Rechtsstreit mit seinen Anleihegläubigern.
Frankfurt am Main – Weihnachten bringt keine Ruhe für die Noratis AG. Nach dem Gang in das gerichtliche Schutzschirmverfahren eskaliert der Konflikt mit den Kapitalgebern des Immobilienentwicklers. Anleihegläubiger und deren Rechtsvertreter kündigen juristische Schritte an. Sie werfen der Unternehmensführung Interessenkonflikte und eine Benachteiligung von Gläubigern vor.
Das Amtsgericht Frankfurt ordnete am 16. Dezember die vorläufige Eigenverwaltung an. Doch die vergangenen 72 Stunden haben den Fokus verschoben: Statt um die Sanierung selbst geht es nun um einen erbitterten Kampf um die Unternehmenswerte und das Vorgehen der Großaktionäre.
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Die Krise bei Noratis gipfelte vergangene Woche im Antrag auf ein Schutzschirmverfahren nach § 270d der Insolvenzordnung. Das Frankfurter Gericht stimmte zu und bestellte Rechtsanwalt Dr. Andreas Kleinschmidt von White & Case zum vorläufigen Sachwalter.
Dieses Verfahren erlaubt es Noratis, unter eigener Führung zu sanieren, geschützt vor einzelnen Zwangsvollstreckungen. Das Management bleibt an Bord, überwacht vom Sachwalter. Das Unternehmen begründete den Schritt mit „unzureichenden Verhandlungsergebnissen“ mit Finanzierungspartnern, die einen außergerichtlichen Vergleich unmöglich machten.
Betroffen sind die Noratis AG und die meisten Tochtergesellschaften. Ausgenommen ist Noratis Habitat GmbH. Das erklärte Ziel ist ein Sanierungsplan für den Fortbestand des Geschäfts – ein Vorhaben, das nun massiven Widerstand von den Kapitalgebern erfährt, die es besänftigen will.
Vorwurf: Interessenkonflikt der Großaktionäre
Die Lage spitzte sich Anfang dieser Woche dramatisch zu. Am 23. Dezember äußerten Rechtsvertreter von Anleihegläubigern schwere Bedenken gegen den Sanierungsprozess. Im Zentrum der Kritik stehen mögliche Interessenkonflikte der majoritären Aktionärsfamilie Merz und der Investmentgesellschaft Immowerk.
Der Kern des Streits: die „zugesagte Kapitalerhöhung“. Anleihegläubiger hatten der Fristverlängerung der 2020/2028-Anleihe bis Dezember 2028 nur unter der Bedingung zugestimmt. Der anschließende Gang unter den Schutzschirm entwertet aus Sicht der Kritiker jedoch genau die Sicherheit, die dieses Kapital bieten sollte.
Die Kanzlei Schirp & Partner, die eine Gruppe von Anleihegläubigern vertritt, warnt vor personellen Überschneidungen im Management von Noratis AG und Immowerk. Diese „Personenidentität“ schaffe einen strukturellen Interessenkonflikt. Externe Gläubiger könnten im Sanierungsplan zugunsten der Großaktionäre benachteiligt werden.
Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) hatte bereits eine Schutzschrift gegen das Eigenverwaltungsmodell eingereicht. Sie fordert eine unabhängige Führung für eine faire Behandlung aller Beteiligten.
Bis zum 25. Dezember raten die Rechtsvertreter ihren Mandanten zur Organisation. Man bereitet zivil- und strafrechtliche Schritte zur Sicherung der Forderungen vor. Die Sanierung beginnt mit einem Rechtsstreit.
Börse im freien Fall: Das Vertrauen ist weg
Die Kapitalmärkte reagierten brutal auf die Unsicherheit. Nach der Ankündigung des Verfahrens und der Gläubigerreaktion stürzte der Noratis-Aktienkurs auf neue Allzeittiefs. Die Aktie notiert deutlich unter der Ein-Euro-Marke.
Die Volatilität spiegelt die Skepsis der Märkte wider. Welcher Eigenkapitalwert bleibt nach einem wahrscheinlichen Debt-Equity-Swap oder einem Schuldenschnitt übrig? Beides sind gängige Elemente deutscher Insolvenzpläne.
Das Scheitern der außergerichtlichen Sanierung wirft auch ein schlechtes Licht auf die bisherige Finanzkommunikation des Unternehmens. Im November hatte Noratis versucht, sich durch ein Stillhalteabkommen für Zinszahlungen seiner 5,5%-Anleihe zu stabilisieren. Der Zusammenbruch der Bankengespräche legt nahe: Die Liquiditätslücke war größer als angenommen. Oder die Hauptfinanzierer wollten ohne gerichtlichen Rahmen kein weiteres Geld geben.
Für den Immobiliensektor sind die Noratis-Probleme symptomatisch. Sie stehen für die anhaltende „deutsche Immobilienkrise“ der Jahre 2024 und 2025. Hohe Zinsen und Neubewertungen von Portfolios haben die Eigenkapitalpuffer von Bestandshaltern erodiert. Unternehmen mit hoher Verschuldung und kurzfristigem Refinanzierungsbedarf sind besonders verwundbar.
Die entscheidende Rolle des Sachwalters
In den kommenden Wochen fällt dem vorläufigen Sachwalter Dr. Andreas Kleinschmidt eine Schlüsselrolle zu. Er muss die Geschäftsführung überwachen und sicherstellen, dass der Sanierungsplan keine Gläubiger benachteiligt. Dieses Mandat werden die Anwälte der Anleihegläubiger rigoros testen.
Das Unternehmen hat ein knappes Zeitfenster von typischerweise drei Monaten. In dieser Zeit muss es dem Gericht einen tragfähigen Insolvenzplan vorlegen. Dieser muss detaillieren, wie die Schuldenlast gesenkt und die Profitabilität wiederhergestellt werden soll. Zu erwarten sind:
* Verkauf von Assets: Beschleunigte Veräußerung nicht-kerniger Wohnungsportfolios für schnelle Liquidität.
* Schuldenrestrukturierung: Deutliche Abschläge für Anleihegläubiger und Umwandlung von Schulden in Eigenkapital.
* Operative Straffung: Reduzierung der Gemeinkosten und Fokus auf hochrentable Portfoliosteuerung.
Doch der Weg zur Billigung eines solchen Plans ist steinig. Die Anleihegläubiger mobilisieren bereits für den Rechtskampf. Lehnt der Gläubigerausschuss den Plan ab oder sieht das Gericht eine missbräuchliche Eigenverwaltung, kann das Verfahren in eine reguläre Insolvenz überführt werden. Die aktuelle Führung würde dann die Kontrolle verlieren.
Vorläufig bleibt Noratis AG operativ. Doch der „Schutzschild“ steht unter schwerem Beschuss. Investoren und Branchenbeobachter blicken gespannt auf Januar 2026. Der erste Bericht des Sachwalters und die Gläubigerversammlung versprechen ein kontroverses Aufeinandertreffen zu werden.
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