Wohngemeinnützigkeit, Deutschland

Neue Wohngemeinnützigkeit startet: Deutschland und Österreich im Systemvergleich

05.12.2025 - 13:11:12

Deutschland führt nach 35 Jahren die steuerbefreite Wohngemeinnützigkeit wieder ein, während Österreichs etabliertes Modell Rekordzahlen meldet. Der Aufbau eines neuen Sektors für bezahlbares Wohnen beginnt.

Deutschland führt zum Jahreswechsel die Wohngemeinnützigkeit wieder ein. Nach 35 Jahren Pause sollen Steuerbefreiungen einen dauerhaften Sektor für bezahlbares Wohnen schaffen. Zeitgleich meldet Österreichs etabliertes Gemeinnützigkeits-Modell Rekordzahlen – während private Bauträger kämpfen.

Wohnen bleibt die soziale Frage unserer Zeit. Der Markt spaltet sich: Während gewerbliche Projektentwickler mit Insolvenzen und Baustopps ringen, stabilisieren gemeinnützige Träger den Sektor. Die aktuellen Zahlen aus Österreich und Deutschlands Systemwechsel ab Januar zeigen die unterschiedlichen Wege der Nachbarländer.

Der Österreichische Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen (GBV) präsentierte diese Woche seine Factsheets für 2025. 170 Bauvereinigungen verwalten mittlerweile über eine Million Wohnungen – und bauen weiter.

Anzeige

Passend zum Thema Mietpreise und Marktveränderungen 2025: Viele Vermieter scheitern bei Mieterhöhungen an fehlenden Vergleichswerten oder formalen Fehlern. Der kostenlose Mietspiegel-Report 2025 liefert Ihnen Vergleichsmieten für deutsche Städte, rechtssichere Begründungsformeln und eine Tabelle, mit der Sie Mieterhöhungen sauber dokumentieren – in nur wenigen Minuten nutzbar. Ideal, um jetzt die richtigen Entscheidungen zu treffen. Jetzt kostenlosen Mietspiegel-Report herunterladen

Tirol feiert Rekord mit 1.551 Übergaben

Das erfolgreichste Jahr seiner Geschichte verzeichnete der gemeinnützige Wohnbau in Tirol. 1.551 Wohnungen wurden 2024 übergeben. Edgar Gmeiner, seit 1. Dezember neuer GBV-Obmann in Tirol, spricht von vollen Auftragsbüchern: „Die Nachfrage nach leistbarem Wohnraum ist ungebrochen. Allein in Tirol bewegen wir jährlich 400 Millionen Euro Bauvolumen.”

Der Führungswechsel fällt in eine Zeit, in der gemeinnützige Träger antizyklisch agieren. Während private Bauträger Projekte stornieren, sichern die GBVs Arbeitsplätze und dämpfen den Mietpreisanstieg.

Kärnten: Prüfer mahnen Entbürokratisierung an

Der Kärntner Landesrechnungshof nahm Anfang Dezember die Landeswohnbau Kärnten (LWBK) unter die Lupe. Die wirtschaftliche Stabilität bestätigte sich, doch bei der Wohnungsvergabe fordern die Prüfer Optimierungen und weniger Bürokratie.

Deutschland wagt den Neustart nach 35 Jahren

Am 1. Januar kehrt die Neue Wohngemeinnützigkeit (NWG) zurück. Das Prinzip: Unternehmen, Vereine oder Stiftungen, die dauerhaft unter Marktmiete an einkommensschwächere Haushalte vermieten, werden von Körperschafts- und Gewerbesteuer befreit.

60 Prozent der Haushalte fallen unter die Grenzen

Die Zielgruppe ist breit: Rund 60 Prozent der deutschen Haushalte erfüllen laut Bundesbauministerium die Einkommenskriterien. Das Modell soll ein spekulationsfreies Marktsegment schaffen – dauerhaft, nicht nur temporär wie beim klassischen Sozialwohnungsbau.

Doch nach drei Jahrzehnten ohne Wohngemeinnützigkeit muss ein neuer Sektor erst aufgebaut werden. Der Bestand an Sozialwohnungen schrumpfte von einst drei Millionen auf nur noch eine Million.

21,65 Milliarden Euro bis 2028

Massive Finanzhilfen flankieren den Neustart. Für 2025 stellt der Bund 3,5 Milliarden Euro für sozialen Wohnungsbau bereit. Bis 2028 summiert sich das Paket auf 21,65 Milliarden Euro.

Branchenkenner warnen dennoch vor überzogenen Erwartungen: „Der Aufbau eines gemeinnützigen Sektors ist ein Marathon, kein Sprint.” Die steuerlichen Anreize müssen erst von Investoren und Genossenschaften in konkrete Projekte übersetzt werden.

Neue Förderinstrumente gegen hohe Baukosten

Beide Länder reagieren auf gestiegene Zinsen und Baukosten mit angepassten Förderprogrammen.

Salzburgs Annuitätenzuschuss

Ab 1. Januar greift das neue Salzburger Wohnbauförderungsgesetz. Bis zu 500 Euro monatlich sollen Bauherren bei der Kreditrückzahlung entlasten – als direkte Antwort auf teure Finanzierungen.

Vorarlbergs Flexibilität

Ab Juli 2025 können Bauherren zwischen steigender Verzinsung (Start: 1,0 Prozent) und Fixverzinsung wählen. Zudem wurden die Einkommensgrenzen angehoben, um mehr Förderberechtigte zu erreichen.

Deutschlands EH55-Reaktivierung

Die Bundesregierung plant laut Regierungskreisen, die Förderung für den Effizienzhaus-Standard 55 mit 800 Millionen Euro zu reaktivieren. Damit sollen blockierte Projekte wieder anlaufen.

Zwei Systeme, ein Ziel

Österreich profitiert von seinem nie abgeschafften Gemeinnützigkeits-Modell. Die GBVs agieren aus dem Kreislauf von Mieteinnahmen und Förderdarlehen heraus – unabhängig von kurzfristigen Marktzyklen. Ihre Mieten liegen im Schnitt deutlich unter gewerblichen Niveaus.

Deutschland versucht, diesen Stabilisator mit der NWG neu aufzubauen. Die Weichen sind gestellt, doch die Bewährungsprobe beginnt erst. Entscheidend wird, ob neben kommunalen Unternehmen auch private Investoren das Modell annehmen – und wie unbürokratisch die Umsetzung gelingt.

2025: Das Jahr der Bewährung

In Österreich zeigt sich, ob Wohnbauoffensive und erhöhte Fördermittel den Einbruch im Privatbau kompensieren. Die Branche rechnet mit weiterhin hohem Investitionsvolumen der Gemeinnützigen als Konjunkturmotor.

In Deutschland läuft der Countdown: In wenigen Wochen startet ein Experiment, das den Wohnungsmarkt langfristig verändern könnte. Ob der Neustart gelingt, entscheidet sich in den kommenden Monaten.

Anzeige

PS: Sie wollen vor Entscheidungen und Gesprächen mit Behörden oder Mietern auf der sicheren Seite sein? Der kostenlose Mietspiegel-Report 2025 liefert aktuelle Vergleichsmieten, Begründungshilfen für Mieterhöhungen und praktische Tabellen, die Ihnen Zeit sparen und Formalfehler vermeiden. Holen Sie sich die Daten für Ihre Stadt. Kostenlosen Mietspiegel-Report anfordern

@ boerse-global.de