Nestlé: Zuckerskandal bei Babynahrung eskaliert kurz vor Jahresfrist
16.12.2025 - 18:20:12Nestlé gerät zwei Wochen vor Ablauf seiner selbstgesteckten Frist erneut massiv unter Druck. Neue Analysen belegen: Babynahrung des Konzerns ist in Entwicklungsländern weiter stark gezuckert, während in Europa zuckerfreie Varianten Standard sind. NGOs sprechen von „inakzeptabler Doppelmoral“.
Der Schweizer Nahrungsmittelriese steht im Kreuzfeuer von Gesundheitsorganisationen und Investoren. Im Zentrum steht ein Versprechen, das bis Ende 2025 eingelöst werden sollte: die weltweite Bereitstellung zuckerfreier Alternativen. Doch aktuelle Untersuchungen zeigen eine gravierende Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Die Schweizer NGO Public Eye legte Ende November eine Folgestudie vor, die auch Mitte Dezember die Schlagzeilen dominiert. Die Analyse von rund 100 Cerelac-Produkten aus 20 Ländern kommt zu einem alarmierenden Ergebnis.
Mehr als 90 Prozent der in Afrika verkauften Proben enthalten weiterhin zugesetzten Zucker. Die Laborwerte zeigen Spitzen von bis zu 6 Gramm Zucker pro Portion – das entspricht fast anderthalb Würfelzuckern in einer Mahlzeit für einen sechs Monate alten Säugling.
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Besonders brisant: Nestlé hatte nach einem ersten Aufschrei im April 2024 Besserung gelobt. Die neuen Daten zeigen jedoch kaum Fortschritte in den Regalen des globalen Südens. „Nestlé macht Babys und Kleinkinder in einkommensärmeren Ländern zuckersüchtig“, lautet der erneute, scharfe Vorwurf.
Doppelmoral: In Europa Zucker, in Afrika Sünde?
Kritiker sprechen mittlerweile von einer „Ernährungs-Apartheid“. Während ein Baby in Deutschland oder der Schweiz einen Cerelac-Weizenbrei ohne Zuckerzusatz bekommt, erhält ein Kind in Südafrika oder Äthiopien unter demselben Markennamen ein stark gezuckertes Produkt.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt strikt, Babynahrung keinen Zucker zuzusetzen. Die frühe Gewöhnung an Süßes kann den Stoffwechsel und die Geschmacksvorlieben lebenslang prägen und fördert Krankheiten wie Fettleibigkeit und Diabetes.
19 afrikanische NGOs wandten sich kürzlich in einem offenen Brief direkt an Nestlé-CEO Philipp Navratil. Sie fordern ein sofortiges Ende der Doppelstandards. Der Vorwurf: Der Konzern wisse, wie man gesunde Produkte herstellt, entscheide sich in ärmeren Märkten aber bewusst für die ungesündere Variante.
Nestlés Verteidigung: „Irreführende Vorwürfe“
Für Nestlé wird die Luft dünner, je näher der 31. Dezember rückt. Das Unternehmen hatte angekündigt, bis dahin in 100 Prozent seiner Märkte zuckerfreie Varianten anzubieten.
In einer aktuellen Stellungnahme wehrt sich der Konzern. Eine Sprecherin bezeichnete die Vorwürfe als „irreführend“. Nestlé argumentiert, der gemessene Zucker stamme großteils aus dem Getreide selbst oder natürlich enthaltenen Früchten. Man halte sich zudem an alle lokalen Gesetze.
Das Unternehmen betont, zuckerfreie Varianten seien bereits in 97 Prozent der Märkte verfügbar und das Jahresziel in Reichweite. Kritiker kontern: Die bloße Existenz einer zuckerfreien Option im Sortiment reiche nicht, solange die gezuckerten Bestseller weiter massenhaft beworben und verkauft werden.
Vertrauensverlust trifft auch die Börse
Der Skandal hat längst finanzielle Dimensionen erreicht. Die Nestlé-Aktie reagierte auf die November-Vorwürfe mit einem Kursrutsch von knapp einem Prozent. Für Investoren, die auf ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) achten, ist das ein Warnsignal.
Branchenbeobachter ziehen Parallelen zum historischen „Nestlé tötet Babys“-Skandal der 1970er Jahre. Dass das Thema 50 Jahre später in neuer Form wieder hochkocht, ist für die Reputation des Konzerns verheerend.
Das Risiko für Nestlé ist systemisch: Verlieren Verbraucher in den wichtigen Schwellenländern das Vertrauen, drohen langfristige Umsatzeinbußen. Die defensive Haltung des Konzerns könnte sich als Bumerang erweisen.
Was kommt 2026? Drei entscheidende Entwicklungen
Mit dem Jahreswechsel wird sich zeigen, ob Nestlé sein Versprechen hält. Beobachter erwarten für Anfang 2026 konkrete Konsequenzen:
- Unabhängige Kontrollen: NGOs werden prüfen, ob die zuckerfreien Varianten tatsächlich flächendeckend in den Regalen Afrikas und Asiens stehen.
- Scharfes regulatorisches Schwert: In Ländern wie Indien und Südafrika wächst der Druck, die Gesetze für Babynahrung zu verschärfen und sich EU-Standards anzunähern.
- Aktionäre fordern Transparenz: Bei der nächsten Generalversammlung dürften Investoren detaillierte Einblicke in die Umsatzanteile von „gesunden“ versus gezuckerten Produkten verlangen.
Bleibt die Gesundheit eines Babys also auch 2026 vom Geburtskontinent abhängig? Für Nestlés Marktführerschaft könnte die Antwort entscheidend sein.


