Nahrungsergänzungsmittel, Millionen

Nahrungsergänzungsmittel: Industrie investiert Millionen – Verbraucherschützer warnen

06.12.2025 - 07:40:12

Während die Branche mit 120-Millionen-Euro-Projekten auf Expansion setzt, verschärfen Behörden ihre Warnungen vor Überdosierung und illegalen Online-Produkten. Die Kluft zwischen Marketing und Medizin wächst – und verbindliche EU-Regeln lassen weiter auf sich warten.

Berlin/Trostberg – Die Alzchem Group AG investiert 120 Millionen Euro in ihre Kreatin-Produktion. Donnerstag verkündete das Unternehmen die massive Kapazitätserweiterung am Standort Trostberg. Kreatin, einst Nischenprodukt für Bodybuilder, erobert den Massenmarkt. Kooperationen wie mit der Molkerei Ehrmann zeigen: Nahrungsergänzungsmittel verschmelzen mit normalen Lebensmitteln.

Gleichzeitig schlagen Verbraucherschützer Alarm. Die Botschaft: Mehr Angebot bedeutet nicht mehr Gesundheit – sondern mehr Risiko für Überdosierung. Kann das gut gehen?

Die Alzchem-Investition ist mehr als eine Unternehmensmeldung. Sie zeigt, wohin die Reise geht: Nahrungsergänzungsmittel werden zum Lifestyle-Produkt. “Healthy Aging” und “Biohacking” treiben die weltweite Nachfrage. Die Industrie reagiert mit Werksausbau statt Zurückhaltung.

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Das Paradoxe: Während Mediziner betonen, dass gesunde Menschen mit ausgewogener Ernährung keine Supplemente brauchen, läuft die Produktion auf Hochtouren. Die Entkopplung zwischen wissenschaftlichem Konsens und Marktrealität erreicht einen neuen Höhepunkt.

Funktionale Lebensmittel auf dem Vormarsch: Gummibärchen mit Vitaminen, angereicherte Getränke, Protein-Riegel mit Zusatzstoffen. Die niedrige Hemmschwelle birgt eine Gefahr: unbewusste Überdosierung. Wer merkt schon, dass die dritte “Gesundheits-Süßigkeit” bereits zu viel ist?

Verbraucherschützer warnen vor dem “Gießkannen-Prinzip”

Die Verbraucherzentralen verschärfen ihre Kritik. Im Fokus: Vitamin D und hochdosierte B-Vitamine. Viele Produkte überschreiten die Empfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) deutlich.

Das alte Narrativ vom “teuren Urin” – überschüssige Vitamine werden einfach ausgeschieden – gilt als verharmlosend. Bei fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K) und Mineralstoffen wie Selen drohen toxische Wirkungen. Dauerhafte Überdosierung kann ernsthafte Gesundheitsschäden verursachen.

Die zentrale Frage bleibt unbeantwortet: Warum nehmen Menschen Substanzen ein, ohne vorher einen Mangel diagnostizieren zu lassen? Aggressives Marketing auf TikTok und Instagram schürt Ängste vor Defiziten, die oft gar nicht existieren.

EU-Regulierung: Das endlose Warten

Das regulatorische Vakuum besteht fort. Die EU-Kommission plant seit Jahren verbindliche Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe – die finale Umsetzung stockt weiterhin.

Das BfR passte 2024 seine Empfehlungen an und senkte Höchstmengen für Vitamin B6 und D. Doch ohne EU-weite Harmonisierung bleibt der Markt ein Flickenteppich. Produkte, die in Deutschland als überdosiert gelten, lassen sich problemlos aus anderen EU-Ländern bestellen.

Für Verbraucher eine absurde Situation: Ist die Tablette eine sinnvolle Ergänzung oder Gesundheitsgefahr? Die Antwort hängt vom Herkunftsland ab, nicht von wissenschaftlichen Kriterien. Die geforderte “Positivliste” für Pflanzenextrakte und sonstige Stoffe bleibt politisches Dauerthema ohne Lösung.

Gefährliche Dunkelzone: Illegale Substanzen im Online-Handel

Neben der Vitamin-Debatte existiert ein gefährlicherer Markt. Behörden warnen aktuell vor “natürlichen” Schlankheitsmitteln und Potenzmitteln aus dubiosen Online-Shops.

Aktuelle Rückrufe betreffen Produkte mit:
* Gelbem Oleander (hochgiftige Pflanze)
* Tadalafil (verschreibungspflichtiger Wirkstoff)
* Sibutramin (verbotener Appetitzügler)

Diese Substanzen tauchen in vermeintlich harmlosen “Detox-Kaffees” oder “Kräuterpasten” auf. Die Kennzeichnung als “rein pflanzlich” wird zur Täuschung. Wer über Social-Media-Werbung kauft, geht unkalkulierbare Risiken ein.

Die Behörden in NRW und Rheinland-Pfalz mussten in den letzten Wochen mehrfach warnen. Die betroffenen Chargen haben Mindesthaltbarkeitsdaten bis 2026 – sie sind jetzt im Umlauf.

Marktanalyse: Zwischen Vernunft und Algorithmus

Der Dezember 2025 markiert einen Wendepunkt. Drei Entwicklungen prägen den Markt:

Wirtschaftliche Dimension: Deutsche Unternehmen wollen den Markt nicht mehr US-Importen überlassen. “Made in Germany” wird zum Qualitätsmerkmal – zumindest in der Kommunikation.

Konsumtrends: “Pill Fatigue” trifft auf funktionale Lebensmittel. Die klassische Kapsel verliert an Attraktivität, angereicherte Snacks boomen. Das senkt die Hemmschwelle dramatisch, erhöht aber das Überdosierungsrisiko.

Inflationsresistenz: Trotz gestiegener Preise wächst der Markt. Gesundheit gilt als Investition in Arbeitskraft und Langlebigkeit – hier wird zuletzt gespart.

Ausblick 2026: Kommt die Marktbereinigung?

Der Druck auf Brüssel steigt. Für 2026 wird eine finale Entscheidung zu EU-Höchstmengen erwartet. Sollten verbindliche Grenzwerte kommen, dürfte eine Marktbereinigung folgen. Viele hochdosierte Produkte müssten reformuliert oder vom Markt genommen werden.

Bis dahin gilt für Verbraucher die Drei-Punkte-Prüfung:

  1. Notwendigkeit: Liegt ein diagnostizierter Mangel vor (Blutbild)?
  2. Dosierung: Entspricht die Tagesdosis den BfR-Empfehlungen?
  3. Quelle: Stammt das Produkt von einem kontrollierten Hersteller?

Die Industrie ist bereit, uns mit immer mehr Präparaten zu versorgen. Ob wir zugreifen, sollte eine Entscheidung der Vernunft sein – nicht des Instagram-Algorithmus. Die bunten Pillen und Pulver versprechen Gesundheit, doch ohne ärztliche Beratung können sie genau das Gegenteil bewirken.

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