Mindestlohn-Schock, Stellen

Mindestlohn-Schock: Jedes fünfte Unternehmen streicht Stellen

04.12.2025 - 22:30:12

Deutschland steht vor einem der härtesten Jahreswechsel seit Jahren. Während Unternehmen noch mit der Wirtschaftsflaute kämpfen, steigt der Mindestlohn ab Januar auf 13,90 Euro – mit drastischen Folgen. Eine brandaktuelle ifo-Studie schlägt Alarm: Massenhafter Stellenabbau droht. Gleichzeitig tickt die Uhr für EU-Vorgaben zu Plattformarbeit und Lohntransparenz. Die Zange aus steigenden Kosten und verschärfter Regulierung wird enger.

Ab 1. Januar 2026 steigt der gesetzliche Mindestlohn von 12,82 auf 13,90 Euro. Was Gewerkschaften feiern, versetzt Betriebe in Alarmbereitschaft. Die Zahlen des ifo Instituts sprechen eine deutliche Sprache: Mehr als jedes fünfte betroffene Unternehmen (22 %) plant Stellenstreichungen als direkte Reaktion.

„Die Reaktionen zeigen, dass die Anhebung in der aktuellen wirtschaftlichen Schwäche besonders schädlich ist”, ordnet ifo-Forscher Sebastian Link die am Dienstag veröffentlichte Studie ein. Besonders hart trifft es Gastgewerbe und Einzelhandel – dort machen Personalkosten einen erheblichen Umsatzanteil aus.

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Die weiteren Reaktionen der Unternehmen:

  • 50 % geben die Mehrkosten an Kunden weiter – mit ungewissem Ausgang für die Nachfrage
  • 28 % fahren Investitionen zurück – ein Warnsignal für den Standortwettbewerb
  • Viele suchen nach Automatisierungslösungen, um Personalstellen einzusparen

Könnte der gut gemeinte soziale Fortschritt zur Beschäftigungsbremse werden? Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Ankündigungen Realität werden.

Plattformarbeit: Halbzeit bei der Regulierung

Während die Mindestlohn-Debatte tobt, läuft parallel die Uhr für eine EU-Richtlinie, die ganze Geschäftsmodelle auf den Kopf stellen könnte. Im Dezember 2024 trat die EU-Richtlinie zur Plattformarbeit in Kraft – jetzt, genau ein Jahr später, ist Halbzeit. Bis Ende 2026 muss Deutschland die Vorgaben in nationales Recht gießen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales arbeitet derzeit an den Details. Das Kernstück der Reform wird Lieferdienste und Fahrdienstvermittler besonders treffen: die Beweislastumkehr.

Künftig gilt gesetzlich die Vermutung eines Arbeitsverhältnisses, wenn bestimmte Kontrollkriterien erfüllt sind:

  • Elektronische Überwachung der Arbeitsleistung
  • Eingeschränkte freie Zeiteinteilung
  • Vorgabe von Arbeitsabläufen

Die Plattformen müssen dann beweisen, dass ihre Beschäftigten keine Arbeitnehmer sind. Juristen von Kanzleien wie Gleiss Lutz warnen: Wer sein Geschäftsmodell nicht rechtzeitig anpasst, riskiert ab 2026 eine Klagewelle zur Feststellung von Arbeitsverhältnissen.

Lohntransparenz: Der Stichtag rückt näher

Bis zum 7. Juni 2026 läuft die Frist für die EU-Entgelttransparenzrichtlinie. Doch viele Unternehmen sind erschreckend schlecht vorbereitet. Expertenschätzungen zufolge könnte weniger als ein Drittel der deutschen Mittelständler die Anforderungen derzeit erfüllen.

Was konkret auf Arbeitgeber zukommt:

  • Transparente Gehaltsbandbreiten schon in Stellenausschreibungen
  • Umfassendes Auskunftsrecht für Arbeitnehmer über Durchschnittsgehälter – aufgeschlüsselt nach Geschlecht
  • Berichtspflichten für Unternehmen ab 100 Mitarbeitern über das geschlechtsspezifische Lohngefälle
  • Gemeinsame Entgeltbewertung mit dem Betriebsrat bei unerklärten Differenzen über 5 %

Beratungsunternehmen wie Mercer berichten: Die wenigsten Firmen sind datentechnisch in der Lage, diese Anforderungen “auf Knopfdruck” zu erfüllen. Der Handlungsdruck steigt mit jedem Monat. Wer jetzt nicht handelt, steht im Juni vor vollendeten Tatsachen.

Lichtblick: Digitale Arbeitsverträge im Praxistest

Nicht alles ist düster. Seit Januar 2025 können Arbeitgeber die wesentlichen Vertragsbedingungen dank des Bürokratieentlastungsgesetzes IV in Textform übermitteln – also per E-Mail statt mit Unterschrift auf Papier.

Nach fast zwölf Monaten zeigt sich: Für Standard-Bürojobs hat die Neuregelung die Onboarding-Prozesse erheblich beschleunigt. Doch Vorsicht bleibt geboten. In Branchen mit Schwarzarbeitsrisiko (Bau, Gastronomie) gilt oft weiterhin die strenge Schriftform. Und Befristungsabreden müssen zwingend schriftlich erfolgen – eine Falle, in die 2025 noch einige Arbeitgeber tappten.

Die Zange wird enger

Deutschland steckt in einer gefährlichen Zwickmühle. Die Mindestlohnerhöhung trifft auf eine Wirtschaft, die 2025 kaum gewachsen ist. Gleichzeitig erhöhen EU-Richtlinien den administrativen Aufwand massiv. Der “Bürokratieabbau” durch digitale Arbeitsverträge? Im Vergleich zu den neuen Anforderungen durch Lohntransparenz und Plattformregulierung nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Besonders kleine und mittlere Unternehmen verlieren unter der Last der Berichtspflichten und steigenden Lohnuntergrenzen ihre Flexibilität. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die deutsche Wirtschaft dieser Doppelbelastung standhält – oder ob die gut gemeinten Reformen zur Standortbremse werden.

Das Jahr 2026 wird kein Jahr zum Ausruhen. Die Hausaufgaben in Sachen Compliance und Kostenstruktur müssen jetzt gemacht werden.

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