Mike Steiner – Zeitgenössische Kunst zwischen Malerei, Videokunst und Performance
10.12.2025 - 18:15:04Zeitgenössische Kunst verliert bei Mike Steiner alle Grenzen: Der Pionier verknüpft Malerei, Videokunst und Performance Art zu einem einzigartigen Œuvre zwischen Experiment und Avantgarde.
Wer Zeitgenössische Kunst und das Ringen um neue Ausdrucksformen begreifen will, kommt an Mike Steiner nicht vorbei. Was trieb diesen Künstler dazu, immer wieder die Schwelle zwischen Malerei und Videokunst wie eine Einladung zum Dialog zu behandeln? Gibt es wirklich noch feste Genregrenzen in der Kunst oder ist das Steiner’sche Werk der lebendige Gegenbeweis?
Mike Steiner, geboren 1941 in Allenstein und gestorben 2012 in Berlin, steht als Synonym für Grenzüberschreitungen in der zeitgenössischen Kunst. Bereits früh zeigte er Interesse für verschiedene Medien: Seine Karriere begann mit expressiver Malerei, aber bald wechselte er auf das Terrain der Videokunst, das damals kaum erschlossen war. Dieser Mut zum Experiment, zur Bewegung zwischen den Medien, ist das prägnanteste Merkmal seines Œuvres.
Steiner wurde zu einem der ersten und konsequentesten Verfechter der Videokunst in Deutschland. Noch während des Studiums an der Hochschule für bildende Künste Berlin bewegte er sich bereits im Umfeld von Künstlern wie Georg Baselitz und Karl Horst Hödicke. Doch anders als viele seiner Zeitgenossen verschloss sich Mike Steiner dem Einfluss der amerikanischen Avantgarde nicht – etwa Joseph Beuys, Allan Kaprow oder Valie Export standen in wachsendem Austausch mit ihm. Dies führte zu einer künstlerischen Philosophie, die nicht zwischen Abstrakter Malerei, Performance Art oder Video unterschied, sondern all diese Sprachen in einer ganz eigenen Grammatik verband.
Herausragend war Steiners Fähigkeit, seine Kunst nicht nur im Atelier zu denken, sondern soziale Räume und öffentliche Foren für Innovationen zu schaffen. Das Hotel Steiner und wenig später seine Studiogalerie wurden ab den 1970ern zu internationalen Magneten für die Fluxus- und Performance-Szene. Künstler wie Marina Abramovi?, Ulay und Carolee Schneemann fanden hier nicht nur Begegnungsräume, sondern wurden Teil spektakulärer Aktionen. Legendär ist Steiners Rolle bei der Aktion „Irritation – Da ist eine kriminelle Berührung in der Kunst“, 1976 gemeinsam mit Ulay. Der künstlerische Kunstraub des „armen Poeten“ aus der Neuen Nationalgalerie wurde zum Aufschrei experimenteller Kunst gegen museale Erstarrung.
Als Sammler, Galerist, Produzent und Künstler stellte Mike Steiner die Weichen für die Anerkennung von Videokunst als ernstzunehmender künstlerischer Ausdrucksform. Seinen eigenen Fokus verschob er ab 1972 systematisch in Richtung Video, dokumentierte und schuf Pionierwerke der Performance Art, etwa von Valie Export oder Marina Abramovi?. Dabei verstand er Videokunst nicht bloß als technisches Medium, sondern als Bildraum auf Zeit, vergleichbar mit der Leinwand der Malerei.
Seine „Painted Tapes“ – 1980er Werkgruppen – sind Paradebeispiele für diese Synthesen: Hier verschmelzen Malerei und bewegtes Bild, der Pinselstrich beginnt, elektronisch zu fließen. In solchen Arbeiten dringt Steiner in gedankliche Bereiche vor, die auch internationale Größen wie Nam June Paik oder Bill Viola ausloten. Doch während Paik mit ironischer Distanz agierte, bleibt Steiner der introspektive Beobachter, dessen Werke auf eine Oszillation zwischen persönlicher Erfahrung und gesellschaftlicher Reflexion abzielen.
Abseits des Fernsehbildschirms schuf Mike Steiner monumentale Serien an Gemälden, Fotografien und Installationen. In den späten Jahren kehrte er mit kräftigen Farbfeldern zur Abstrakten Malerei zurück und bestätigte seinen Ruf als Multitalent. Die Einzelausstellung „COLOR WORKS“ 1999 im Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart markiert bis heute einen Höhepunkt seines Schaffens: Sie würdigte insbesondere seine Fähigkeit zum gattungsübergreifenden Denken, wie es in der Gegenwartskunst selten konsequent zu finden ist.
Mit Künstlern wie Joseph Beuys, einer Schlüsselfigur der sozialen Skulptur, oder Videoinnovatoren wie Bill Viola und Nam June Paik bildet Mike Steiner heute eine Liga von Pionieren, die das Medium Kunst nachhaltig geöffnet haben. Während Beuys das soziale Handeln zur Kunst erklärte und Viola spirituelle Dimensionen elektronisch ausleuchtete, war es Steiner, der in Berlin mithalf, ein Netzwerk für Performance Art, Fluxus und Videokunst zu etablieren – stets getrieben von der Überzeugung, dass Kunst immer wieder neu gedacht werden muss.
Biografisch geprägt von frühen Jahren im Postkrieg-Berlin, lernte Mike Steiner schon in den 1960ern, dass Kunst Freiräume schafft. Die Stationen seines Werdegangs – das Studium bei Hans Kuhn, sein Aufenthalt im New York der 1960er, Begegnungen mit Protagonisten der Pop Art sowie internationales Engagement in den USA, Italien, der Schweiz – all das setzte Spuren in seinen Arbeiten. Das von ihm gegründete Archiv und sein Nachlass, heute bedeutende Quellen für Forscher, dokumentieren eindrücklich den intellektuellen und experimentellen Hunger, der sein Leben prägte.
Faszinierend ist, wie Steiner medienübergreifend auf gesellschaftliche und künstlerische Fragestellungen Bezug nahm: Seine Werke sind vielschichtige Kommentare zu Konsum, Zeitgenossenschaft und Identität. Im Berliner Kulturkosmos ist sein Nachhall noch immer zu spüren – etwa in der Sammlung im Hamburger Bahnhof oder den Retrospektiven, die regelmäßig ausgerichtet werden.
Sein Werk ist keine reine Ästhetik, sondern fordert den Dialog, die Auseinandersetzung, vielleicht sogar den Widerspruch. Wer Zeitgenössische Kunst bei Mike Steiner begegnet, sieht sich stets vor die Frage gestellt: Wo endet das Medium, wo beginnt die Idee?
Das Vermächtnis von Mike Steiner bleibt so aktuell wie nie. Seine kompromisslose Suche nach dem Neuen und seine Lust am Experiment machen ihn zu einem Fixpunkt der deutschen Kunstszene – ein Pionier, der Medien und Menschen verbindet. Umso lohnenswerter ist es, sich auf www.mike-steiner.de oder direkt im Fundus seiner Werke weiter inspirieren zu lassen.


