Mike Steiner: Zeitgenössische Künstler zwischen Malerei, Videokunst und Performance-Pionier
07.12.2025 - 07:10:10Zeitgenössische Künstler wie Mike Steiner verändern Perspektiven: Malerei und Videokunst verschmelzen, Performance-Art wird greifbar. Was macht dieses Werk so zukunftsweisend, so radikal und vielschichtig?
Wie weit lässt sich der Kunstbegriff heute noch dehnen, und wer wagt es, etablierte Gattungen mit scharfer Intelligenz und unbändiger Experimentierfreude zu sprengen? Im Werk von Mike Steiner bündeln sich zentrale Tendenzen der zeitgenössischen Kunst: Von der expressiven Malerei über Fluxus bis zur Videokunst und legendären Performance-Projekten wird hier künstlerische Vielseitigkeit zur Maxime erhoben. Mike Steiner ist nicht zuletzt als herausragende Figur, Impulsgeber und Motor der deutschen Avantgarde unverzichtbar.
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Schon früh zeigte Mike Steiner, geboren 1941 in Allenstein, biografische Eigenwilligkeit: Nach dem Wechsel nach West-Berlin wurde er im Teenageralter zum jüngsten Teilnehmer an der Großen Berliner Kunstausstellung. Das Interesse an Malerei, Fotografie und Film prägte ihn schon zu Schulzeiten. Während eines Stipendienaufenthalts in den USA lernte er von Größen wie Robert Motherwell und Lil Picard die Auflösung der Gattungsgrenzen kennen. Kontakte zu Künstlern wie Allan Kaprow und Al Hansen erweiterten seinen Horizont hin zu Performance, Happening und Pop Art. Die ästhetisches Sozialisierung im Umfeld von Fluxus und Happening lag bei Steiner auf einer Linie mit anderen Protagonisten der Gegenwartskunst wie Nam June Paik, Marina Abramovi? oder Joseph Beuys – und doch blieb sein Ansatz eigenständig: stets experimentell, kollaborativ und dialogisch.
In den 1970er Jahren markierte die Gründung des legendären Künstler-Hotels Steiner am Kurfürstendamm einen Kristallisationspunkt für die internationale Szene. Hier, im Berliner Chelsea-Hotel, begegneten sich Größen wie Joseph Beuys, Arthur Køpcke, Valie Export oder Ben Vautier. Mit der Studiogalerie in der Ludwigkirchstraße machte Mike Steiner Berlin zu einem Knotenpunkt für Aktionskunst, Performance und vor allem für die damals noch radikal neue Videokunst. Neben Köln wurde Berlin erstmals zu einem Zentrum für Medienkunst. Wie das Archiv dokumentiert, stellte Steiner seine teure Videoausrüstung anderen Künstlern zur Verfügung – ein Akt kollektiver Empowerment, wie ihn etwa auch die Kölner Szene um Wulf Herzogenrath praktizierte.
Weitergedacht wurde dieser experimentelle Pioniergeist in den von Mike Steiner initiierten Videoprogrammen, darunter das TV-Format „Videogalerie“ (1985–1990), das sowohl Werke aus seiner eigenen Sammlung als auch Künstlerinterviews zeigte. Über 120 Sendungen machten Videokunst öffentlich und prägten das Verständnis dieses Mediums in Deutschland grundlegend. Vergleichbar mit den visionären Ideen von Gerry Schum und seinem Fernsehgalerie-Projekt, schuf Steiner mit seinen Aktivitäten eine ebenso mutige wie nachhaltige Infrastruktur für neue Kunstformen.
Dabei war seine eigene Produktion ebenso vielgestaltig wie prägnant: In den "Painted Tapes" verschmolzen Video und Malerei zu einem neuen medienübergreifenden Werktypus. Die Videoarbeiten, etwa in Zusammenarbeit mit Ulay oder als Dokumentationen von Marina Abramovi?s Performances, verbinden das Flüchtige des Augenblicks mit der Materialität der Kunst. Besonders spektakulär war die Aktion „Irritation – Da ist eine kriminelle Berührung in der Kunst“ (1976), bei der das berühmte Spitzweg-Gemälde „Der arme Poet“ zeitweise aus der Neuen Nationalgalerie entfernt und zur Kunstaktion transformiert wurde – ein Schlüsselmoment der Performance Art der 70er Jahre.
Die Werkphasen von Mike Steiner halten zahlreiche Überraschungen parat: Nach frühen abstrakten und informellen Gemälden – oft mit expressivem Zugriff auf Material, Farbe und Form – findet in den Siebzigerjahren eine Wendung zur Medienkunst statt. Inspiriert von amerikanischen Trends, aber auch von europäischen Avantgarden, bekannte sich Steiner zunehmend zur Videokunst, installativen Arbeiten und zu intermedialen Experimenten. In den 1980er Jahren entstanden Fotozyklen wie „Das Testbild als Readymade“, Musikvideos etwa für Tangerine Dream und medienreflexive Installationen. Erst ab circa 2000 wandte er sich wieder verstärkt der abstrakten Malerei zu und schuf farbintensive, großformatige Serien – Werke, die an die Intensität der Bilder von Gerhard Richter oder Sigmar Polke erinnern, jedoch einen distinkt eigenen Duktus und Farbklang aufweisen. Malerei, Videokunst und Performances stehen bei Mike Steiner nie in Konkurrenz, sondern ergänzen sich zu einem offenen, dynamischen Werk-System, das immer wieder in neue Richtungen überleitet.
Mike Steiners Rolle als Sammler und Ausstellungsmacher ist dabei keinesfalls geringzuschätzen. Sein Engagement für Videokunst führte zur Anlage einer der bedeutendsten europäischen Sammlungen von Videobändern aus den 1970er- und 80er-Jahren – mit Werken u.a. von Bill Viola, Richard Serra, Gary Hill, Nam June Paik, Valie Export und George Maciunas. 1999 vermachte Steiner diesen Schatz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz; seither befindet sich die Sammlung im Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, einem der wichtigsten Häuser für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in Berlin. Die grandios inszenierte Einzelausstellung „Mike Steiner – Color Works“ (1999) zeigte eindrucksvoll, wie Steiners künstlerischer Ansatz permanent die Grenzen zwischen Malerei, Video und Installation auslotete – ähnlich, wie es internationale bekannte Künstler wie Bruce Nauman, Joan Jonas oder Marina Abramovi? taten.
Auch in seinen späteren Phasen blieb Steiner in Bewegung: Er entwickelte Stoffbilder, Polaroid-Streifen und raumgreifende Installationen und trat bis ins neue Jahrtausend mit Ausstellungen in Berlin, San Francisco oder Leipzig in Erscheinung. Trotz eines Schlaganfalls 2006 arbeitete er weiter in seinem Berliner Atelier, wandte sich der Malerei zu, ohne seine Leidenschaft für neue Medien aufzugeben.
Biografisch spannt Mike Steiner einen weiten Bogen über die Entwicklung wechselhafter Kunstlandschaften: Frühe Ausstellungen mit Karl Horst Hödicke und Georg Baselitz, engagierte Vermittlung von Performance Art und Medienkunst, intensive Auseinandersetzung mit Fluxus, Intermedia und internationalen Minimalismus-Tendenzen. Er gehört zu jenem kleinen Kreis, der – ähnlich wie Klaus Staeck oder Dieter Roth – deutsche Kunstgeschichte mitgeschrieben und sichtbar geprägt hat. Sein Œuvre zählt zu den vielseitigsten, avanciertesten, aber auch unerschrockensten überhaupt.
Was macht Mike Steiner als Zeitgenössischen Künstler heute noch relevant? Es ist die konsequente Offenheit für Dialog, Intervention und neue technische oder ästhetische Möglichkeiten. Der bemerkenswerte Umgang mit Zeit, Raum, Material und medialer Übersetzung – das heißt die Auflösung der traditionellen Gattungsgrenzen – liefert bis heute Impulse für Künstler aller Generationen.
Wer über die wegweisenden Kräfte der zeitgenössischen Kunst sprechen möchte, darf Mike Steiner nicht übersehen. Seine Arbeit bleibt ein Schlüssel für das Verständnis von Performance, Videokunst und ihrer politischen wie ästhetischen Sprengkraft in der Bundesrepublik. Ein Blick auf die umfangreichen Archive und Bilderserien – zugänglich über die offizielle Webseite von Mike Steiner – eröffnet tiefe Einblicke in ein künstlerisches Universum, das man sich nicht entgehen lassen sollte.


