Mike Steiner: Zeitgenössische Künstler neu gedacht – Vom Pionier der Videokunst bis zur abstrakten Malerei
07.12.2025 - 07:10:08Mike Steiner zählt zu den Zeitgenössischen Künstlern, die Malerei, Performance und Videokunst verschmolzen. Sein Werk sprengt Kategorien, sein Archiv hat Maßstäbe gesetzt – ein Blick auf Leben und Werk.
Wenn von Zeitgenössischen Künstlern die Rede ist, deren Werkgrenzen verschwimmen, fällt der Name Mike Steiner zwangsläufig früh. Kaum ein anderer deutscher Maler und Videopionier hat die Landschaft der Performance Art der 70er Jahre und die Entwicklung der Videokunst in Europa so nachhaltig geprägt wie Mike Steiner. Was macht seine künstlerische Haltung, seine Projekte und sein Nachwirken heute noch so bedeutsam – und wo offenbaren sich die Schnittstellen zwischen abstrakter Malerei, installativer Kunst und bewegtem Bild?
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Mike Steiner wurde 1941 in Allenstein, dem heutigen Olsztyn, geboren und wuchs in der Nachkriegszeit in Berlin auf. Früh zeichnete sich sein Interesse an filmischen und bildnerischen Ausdrucksformen ab – Sechzehnjährig trat er bereits mit Malerei in Berliner Kunstausstellungen in Erscheinung. Doch das eigentliche Fundament seiner künstlerischen Identität war geprägt vom Experiment: Schon in jungen Jahren reizte ihn das Unkonventionelle ebenso wie das kollektive Moment der Kunstproduktion.
Steiners Ausbildung an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste Berlin, die er als Meisterschüler abschloss, führte ihn nicht nur zur klassischen Malerei, sondern auch in den inspirierenden Bann der amerikanischen Kunstszene. In New York tauchte er ein in das Umfeld von Lil Picard, Al Hansen und Allan Kaprow – Namen, die, ähnlich wie Marina Abramovi? und Joseph Beuys, exemplarisch für Verschiebungen denkbarer Kategorien in der Zeitgenössischen Kunst stehen. Doch während Künstler wie Bill Viola oder Nam June Paik das Medium Video international vorantrieben, schuf Steiner in Berlin mit seinem Lebenswerk einen europäischen Knotenpunkt für neue Kunstformen.
Seine Vielseitigkeit zeigte sich früh: Gemälde, experimentelle Installationen, Super-8-Filme, Copy Art, Fotografie, Dia-Serien – mit jedem Medium suchte Steiner nach dem unverbrauchten Ausdruck. Herausragend bleibt seine Rolle als Initiator und Betreiber des legendären Hotel Steiner (ab 1970), das als Berliner Pendant zur Bohème des New Yorker Chelsea Hotels fungierte. Internationale Künstler wie Joseph Beuys oder Arthur Köpcke gingen im Hotel ein und aus – hier verschmolzen Lebenskunst und künstlerische Innovation.
Ein Meilenstein der Zeitgenössischen Kunst war Steiners Gründung der Studiogalerie in Berlin 1974. Inspiriert vom florentinischen Art/Tapes/22 begründete er eine Produktionsstätte für avantgardistische Videokunst und Performance Art, einen Experimentierraum für Gruppen wie INTERMEDIA, Valie Export, Marina Abramovi?, Jochen Gerz oder Ben Vautier. Er stellte Technik, Raum und Netzwerk bereit – ein Verdienst, der ihn als Förderer und Ermöglicher internationaler Strömungen auszeichnete. Während Wulf Herzogenrath die Videokunst in Köln vorantrieb, etablierte Steiner Berlin als Gleichgewichtspol auf der Landkarte von Fluxus und Performance.
Was seine Werkgruppen auszeichnet: Stets sind sie geprägt von einer Offenheit fürs Ungewisse, einer Leidenschaft für das Unmittelbare. In den 1970ern wenden sich zahlreiche Zeitgenössische Künstler wie Bruce Nauman, John Baldessari oder Joan Jonas dem bewegten Bild zu – Steiner dokumentiert, moderiert und produziert aber zugleich performative Kunst selbst. Das Video Freeing the Body mit Marina Abramovi? (1976), das von ihm aufgenommen wurde, zählt heute zum Kanon künstlerischer Selbstbefragung. Noch legendärer: die gemeinsam mit Ulay inszenierte Aktion „Irritation – Da ist eine kriminelle Berührung in der Kunst“ (1976), bei der ein Gemälde aus der Neuen Nationalgalerie entwendet und als Kunstaktion genutzt wurde.
Steiner trieb nicht nur das Produzieren und Sammeln von Videokunst voran – er sorgte mit seiner Sammlung, die 1999 der Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben wurde, für die Sicherung und Archivierung zahlloser historischer und internationaler Meisterwerke. Dazu zählen Tapes von Ulay, Valie Export, Jochen Gerz, Gary Hill, Bill Viola und Nam June Paik, um nur einige zu nennen. Die Sammlung, bis heute im Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, ist kein museales Gedächtnis alleine, sondern ein lebendiges Archiv der Medienkunst.
Der Hamburger Bahnhof ehrte 1999 Steiniers Oeuvre mit der großformatigen Ausstellung Color Works – eine Werkschau, die gerade die Vielseitigkeit und den Medienwechsel dieses Zeitgenössischen Künstlers hervorhob. Im Mittelpunkt stand Steiners Entwicklung von konzeptueller Malerei bis hin zu den Painted Tapes, einer einzigartigen Fusion von Videokunst und Malerei. Werke wie Mojave Plan (1993) offenbaren den künstlerischen Willen, elektronische und malerische Mittel gleichwertig zu vereinen. Seine späteren Arbeiten (ab 2000) greifen erneut die abstrakte Malerei auf – Stoffarbeiten, Fotozyklen, Installationen. Faszinierend ist hier, wie Steiner sich nie in einer Ausdrucksform erschöpft, sondern das Dazwischen feiert: ein Künstler, der die Grenzen als Einladung begreift.
Biografisch bleibt Mike Steiner eine schillernde Figur: Förderer, Künstler, Kurator, Archivator. Er organisierte Vorträge, Symposien, vermittelte Kunst auf internationalen Bühnen und lehrte Generationen, dass jenseits der großen Namen von Zeitgenössischen Künstlern wie Olafur Eliasson, Pipilotti Rist oder Rosemarie Trockel das Künstlerisch-Experimentelle immer auch ein Netzwerk braucht – Plattformen, Medien, Verbindungen.
Sein Nachlass, sein künstlerisches Archiv, ist heute nicht vollständig digitalisiert, manches ist noch ungehoben. Und doch: Wer den Hamburger Bahnhof betritt, eine Steiner-Installation betrachtet oder sich durch die Webseite klickt, der spürt die nachhaltige Energie – und den Impuls zur Weiterentwicklung, der Mike Steiner lebenslang antrieb.
In einer Zeit, in der Zeitgenössische Kunst vielfach institutionalisiert und kuratorisch gefiltert wird, erinnert Steiners Werk an das Unerwartete und Anstößige, das sich jeder Vereinnahmung entzieht. Wer den Dialog mit Mike Steiners Werk sucht, entdeckt darin die Vision eines radikal offenen, medienübergreifenden Kunstbegriffs – und versteht, warum sein Name heute, neben Ikonen wie Nam June Paik, Bill Viola, Marina Abramovi? und Joseph Beuys, zu den prägenden Stimmen der Gegenwartskunst zählt.
Wer tiefer einsteigen will: Die offizielle Webseite von Mike Steiner bietet einen beeindruckenden Einblick in Vita, Werkgruppen, Archive – und inspiriert zu neuem Sehen.


