Leiharbeit, Steuerrevolution

Leiharbeit: Steuerrevolution und Tariferhöhung treffen Personalabteilungen

27.12.2025 - 12:46:12

Ein Grundsatzurteil ermöglicht steuerfreie Dienstreisen für Leiharbeiter, während neue Tariflöhne die Personalkosten erhöhen und Personalabteilungen fordern.

Zum Jahreswechsel steht die Zeitarbeitsbranche vor einem finanziellen und administrativen Wendepunkt. Ein bahnbrechendes Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) revolutioniert die Besteuerung von Fahrtkosten für Leiharbeiter. Gleichzeitig treten am 1. Januar 2026 neue Tariflöhne in Kraft. Für Personal- und Lohnbuchhaltungsabteilungen bedeutet das eine doppelte Herausforderung.

BFH-Urteil kippt Praxis der „ersten Tätigkeitsstätte“

Die steuerliche Behandlung von Leiharbeitnehmern wird neu geschrieben. Grund ist ein Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofs (Aktenzeichen VI R 22/23), das die bisherige Verwaltungspraxis des Bundesfinanzministeriums (BMF) aushebelt. Bisher galt der Einsatzbetrieb oft als „erste Tätigkeitsstätte“, was die Abzugsfähigkeit von Fahrtkosten stark einschränkte.

Das Gericht stellt nun klar: Der Einsatzbetrieb ist in der Regel keine erste Tätigkeitsstätte des Leiharbeitnehmers. Entscheidend ist der temporäre Charakter jedes Einsatzes nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Eine dauerhafte Zuordnung zum Kundenbetrieb – Voraussetzung für eine erste Tätigkeitsstätte – ist gesetzlich gar nicht möglich.

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Finanzielle Vorteile und bürokratische Pflichten

Diese Neubewertung hat erhebliche finanzielle Konsequenzen für Hunderttausende Leiharbeiter und ihre Arbeitgeber. Die Fahrten zwischen Wohnung und Einsatzbetrieb gelten nun als Dienstreisen.

Das bedeutet konkret:
* Höhere Kilometerpauschalen: Statt der einfachen Entfernungspauschale (0,30 €/km, ab km 21: 0,38 €) können nun 0,30 Euro für jeden gefahrenen Kilometer (Hin- und Rückfahrt) steuerfrei erstattet werden.
* Verpflegungsmehraufwand: Leiharbeiter haben für die ersten drei Monate an einem Einsatzort Anspruch auf steuerfreie Verpflegungspauschalen.
* Steuerfreie Erstattung: Arbeitgeber können diese Reisekosten steuer- und beitragsfrei an ihre Mitarbeiter auszahlen. Das erhöht effektiv das Nettogehalt, ohne die Bruttolohnkosten zu steigern – ein potenzielles Argument im Wettbewerb um Fachkräfte.

Tariferhöhung zum Jahresauftakt 2026

Parallel zur steuerlichen Neuregelung steigen die Personalkosten. Die im Tarifgebiet DGB/GVP vereinbarten neuen Entgelttarife für die Zeitarbeitsbranche treten am 1. Januar 2026 in Kraft.

Die Tarifparteien einigten sich auf eine Erhöhung der Grundlöhne um 2,99 Prozent für alle Entgeltgruppen. Diese Anhebung ist der erste Schritt einer mehrstufigen Anpassung, die den Abstand zum gesetzlichen Mindestlohn sichern soll.

Für Lohnbuchhalter heißt das akuten Handlungsbedarf vor der Januar-Abrechnung:
1. Anpassung der Stundensätze: Die neuen Grundgehälter, beginnend bei der Entgeltgruppe 1, müssen in die Systeme eingepflegt werden.
2. Dynamische Zulagen: Urlaubs- und Weihnachtsgeld, die prozentual vom Grundlohn berechnet werden, steigen automatisch mit.
3. Neuberechnung von Zuschlägen: Überstunden- und Schichtzuschläge müssen auf Basis der neuen Grundvergütung kalkuliert werden.

Die Kombination aus höheren Lohnkosten und dem administrativen Aufwand der neuen Steuerregelung stellt viele Personalabteilungen vor eine komplexe Aufgabe zum Jahresstart.

Pauschalereform und strategische Handlungsempfehlungen

Weitere Bewegung kommt möglicherweise vom Gesetzgeber. Der Entwurf zum Jahressteuergesetz 2025 sieht eine Vereinfachung der Entfernungspauschale vor: Ab 2026 könnte der höhere Satz von 0,38 Euro pro Kilometer bereits ab dem ersten Kilometer gelten. Dies würde die steuerliche Lücke zwischen Festangestellten und Leiharbeitern verkleinern, aber nicht schließen. Die Dienstreisen-Regelung bleibt für Leiharbeiter deutlich lukrativer.

Unabhängig vom Gesetzgebungsverfahren ist das BFH-Urteil bindend. Experten raten Arbeitgebern zu diesen Schritten:

1. Einsatzverträge prüfen
Klauseln, die den Kundenbetrieb als „erste Tätigkeitsstätte“ bezeichnen, sind nach der neuen Rechtslage unwirksam und sollten gestrichen werden.

2. Reisekostenrichtlinien anpassen
Die Abrechnungssysteme müssen auf die Erstattung tagesgenauer Kilometerpauschalen für Hin- und Rückfahrt umgestellt werden, weg von pauschalen Pendlerzuschüssen.

3. Mitarbeiter kommunikativ einbinden
Viele Leiharbeiter kennen ihre steuerlichen Möglichkeiten nicht. Eine proaktive Aufklärung über die höheren, steuerfreien Fahrtkostenerstattungen kann die Mitarbeiterbindung stärken.

4. Drei-Monats-Frist im Blick behalten
Da es sich um Dienstreisen handelt, endet der Anspruch auf Verpflegungspauschalen nach drei Monaten am selben Einsatzort. Die Lohnsoftware muss diese Fristen automatisch tracken und die Zahlungen einstellen.

Ausblick: Klarere Rechtslage bei steigenden Kosten

Die Rechtsprechung passt sich der Realität der Leiharbeit an und korrigiert eine jahrelang zu restriktive Verwaltungspraxis. Für das erste Quartal 2026 wird ein neues BMF-Schreiben erwartet, das die BFH-Rechtsprechung offiziell übernimmt.

Für die Zeitarbeitsbranche zeichnet sich ein ambivalentes Jahr ab: Höhere Lohnkosten treffen auf eine klare Rechtsgrundlage, die es erlaubt, durch steueroptimierte Nettoentgelte im Wettbewerb um mobile Fachkräfte zu punkten. Die Reisekostenregelung könnte zum entscheidenden Personalmarketing-Instrument werden.

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