Identität, Kontinente

KI und digitale Identität: Drei Kontinente starten durch

06.12.2025 - 15:59:12

Innerhalb von nur 48 Stunden haben Regierungen in den USA, Japan, Indien und Belgien wegweisende Programme für künstliche Intelligenz und digitale Identitäten vorgelegt. Die koordinierte Offensive zeigt: Digitale Transformation ist keine Zukunftsvision mehr, sondern wird zur staatlichen Kernaufgabe.

Die vergangene Woche markiert einen Wendepunkt. Wo bisher Pilotprojekte und Experimente dominierten, setzen große Volkswirtschaften nun auf verbindliche Strategien. Von Washingtons Gesundheitsdaten-Offensive über Tokios ehrgeizige KI-Ziele bis zu Brüssels grenzüberschreitenden digitalen Ausweisen – der Wettlauf um die digitale Staatsverwaltung hat eine neue Dimension erreicht.

Das US-Gesundheitsministerium (HHS) hat am Donnerstag seine umfassende “OneHHS”-KI-Strategie vorgestellt. Der Plan bricht mit der bisherigen Praxis isolierter Einzelprojekte und setzt auf eine behördenweite Implementierung künstlicher Intelligenz.

Die Strategie ruht auf fünf Säulen: robuste Governance, Risikomanagement, nutzerorientierte Infrastruktur und eine entsprechend ausgebildete Belegschaft. “Wir werden KI-Technologien nutzen, um Abläufe zu verschlanken und die Versorgungsqualität in der gesamten Gesundheitsbranche zu verbessern”, erklärte Vizeminister Jim O’Neill. Besonders im Visier: der berüchtigte Verwaltungsdschungel, der Personal und Patienten gleichermaßen belastet.

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Parallel dazu beschleunigt Indien die KI-Integration in sein nationales Gesundheitssystem. Das Gesundheitsministerium veröffentlichte am Samstag beeindruckende Zahlen zu seinem “Cough against TB”-Tool: Zwischen März 2023 und November 2025 wurden über 162.000 Menschen gescreent. Das Ergebnis? Eine um 12 bis 16 Prozent höhere Tuberkulose-Erkennungsrate verglichen mit herkömmlichen Methoden. Auf einer Konferenz in Neu-Delhi diskutierten Experten bereits die Verschmelzung von KI mit Indiens digitaler öffentlicher Infrastruktur.

Japan peilt 80 Prozent KI-Nutzung an

Während die USA und Indien auf Gesundheit fokussieren, geht Japan aufs Ganze. Am Freitag präsentierte die Regierung einen Entwurf, der KI als kritische “gesellschaftliche Infrastruktur” positioniert – ähnlich grundlegend wie Strom oder Wasser.

Die Zahlen sind ambitioniert: Zunächst sollen 50 Prozent der Bevölkerung KI nutzen, langfristig sogar 80 Prozent. Aktuell hinkt Japan den USA und China deutlich hinterher. Um die Lücke zu schließen, soll die Privatwirtschaft rund eine Billion Yen (etwa 6,3 Milliarden Euro) in Forschung und Entwicklung investieren.

Das Kabinett wird das Programm voraussichtlich noch im Dezember verabschieden. Bemerkenswert: Japan setzt nicht auf ausländische Lösungen, sondern will eigene Technologien entwickeln. Die Botschaft ist klar – technologische Souveränität gilt als Wirtschaftssicherheit.

Belgien macht digitalen Ausweis rechtsgültig

Auch bei digitalen Identitäten kommt Bewegung in die Sache. Belgien prescht vor: Ab 2026 sollen Bürger einen vollwertigen digitalen Personalausweis über die MyGov.be-App nutzen können.

Modernisierungsministerin Vanessa Matz stellte am Samstag klar, dass dieser digitale Ausweis die exakt gleiche Rechtsgültigkeit wie das Plastikkärtchen haben wird. Polizeikontrollen, Online-Behördengänge, qualifizierte digitale Signaturen – alles per Smartphone möglich. Seit dem Start im Mai 2024 verzeichnet die App bereits über 500.000 Installationen.

Die FIDO-Allianz, der Industrieverband hinter passwortlosen Authentifizierungsstandards, kündigte am Donnerstag eine neue “Digital Credentials Working Group” an. Ziel: den derzeit zersplitterten Markt für digitale Identitäten zu vereinheitlichen. Mit der EU-weiten digitalen Identitätsbrieftasche ab 2026 und zunehmend mobilen Führerscheinen in US-Bundesstaaten wird Interoperabilität zur Pflicht.

Vom Experiment zur Infrastruktur

Die zeitliche Häufung ist kein Zufall. Regierungen behandeln KI und digitale Ausweise nicht mehr als innovative Spielereien, sondern als Basisinfrastruktur – vergleichbar mit Straßen oder Stromnetzen.

Dass die USA in ihrer Strategie “Governance” und “Risikomanagement” betonen statt nur “Innovation”, zeigt das gewachsene Bewusstsein: Vertrauen ist die härteste Währung im öffentlichen Sektor. Japans Bezeichnung von KI als “soziale Infrastruktur” reagiert auf den demografischen Wandel – ohne digitale Effizienz wird das schrumpfende Land nicht konkurrenzfähig bleiben.

Belgiens rechtliche Gleichstellung von digitalem und physischem Ausweis beseitigt ein zentrales Hindernis früherer Projekte, bei denen digitale Versionen oft nur Begleitdokumente blieben. Das harmoniert mit der eIDAS-2.0-Verordnung der EU, die grenzüberschreitende Kompatibilität vorschreibt.

2026 wird zum Schlüsseljahr

Die meisten Initiativen peilen 2026 als Zieljahr an. Belgien will dann seinen vollwertigen digitalen Ausweis ausrollen, die FIDO-Allianz ihre ersten Standards liefern.

Kurzfristig dürfte das japanische Kabinett sein KI-Programm noch im Dezember absegnen – ein Startsignal für massive Investitionen in heimische Technologiefirmen. In den USA wird die OneHHS-Strategie hingegen unter Datenschutz-Gesichtspunkten auf dem Prüfstand stehen.

Die entscheidende Frage bleibt: Schaffen es die Regierungen, ihre Bürger mitzunehmen? Japans 80-Prozent-Ziel und Belgiens mobiler Ausweis stehen und fallen mit dem Vertrauen der Menschen. Und damit, dass analoge Alternativen für jene bestehen bleiben, die digital nicht mithalten können oder wollen.

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