ID.Polo-Verschiebung gefährdet Arbeitsfrieden bei VW
29.12.2025 - 20:22:12Die Verzögerung des günstigen Elektro-Kleinwagens ID.Polo stellt die Standortgarantien des VW-Zukunftspakts in Frage und erhöht den Druck auf Betriebsrat und Management.
Der mühsam errungene Arbeitsfrieden bei Volkswagen steht vor dem härtesten Test seit einem Jahr. Die Verschiebung des wichtigen Elektro-Kleinwagens ID.Polo droht die Jobgarantien des Zukunftspakts von 2024 auszuhöhlen und wirft die Standortfrage erneut auf.
Ein gebrochenes Versprechen?
Eigentlich sollte der günstige Einstiegs-Elektrowagen ID.Polo – bekannt als ID.2all – ab 2026 vom Band rollen und mit einem Preis von rund 25.000 Euro die Massen mobilisieren. Doch diese Pläne stehen nun auf der Kippe. Wie Branchenkreise dieser Woche bestätigten, verzögert sich der Marktstart um mindestens sechs bis neun Monate. Die Serienproduktion könnte sogar erst 2027 oder 2028 richtig anlaufen.
Noch schwerer wiegt: Der angepeilte Niedrigpreis ist vorerst nicht zu halten. Wegen Engpässen bei Lithium-Eisenphosphat-Batterien (LFP) und anhaltender Lieferkettenprobleme soll das Fahrzeug zunächst mit teureren Batteriezellen starten. Der Preis dürfte damit bei etwa 30.000 Euro liegen.
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Für die Belegschaft ist das mehr als nur eine Produktverschiebung. Der erschwingliche Stromer war das Herzstück der Strategie, um freie Kapazitäten in den europäischen Werken auszulasten. Ohne dieses Volumenmodell drohen Standorte wie Zwickau und Wolfsburg auf Jahre unterausgelastet zu bleiben. Damit entfällt ein zentrales Argument der Arbeitnehmervertretung gegen Werksschließungen.
Der brüchige Burgfrieden von 2024
Um die Tragweite zu verstehen, muss man zum Dezember 2024 zurückblicken. Nach historischen Warnstreiks einigten sich Konzernführung und Gesamtbetriebsrat auf einen Zukunftspakt. Dieser schloss betriebsbedingte Kündigungen und direkte Werksschließungen bis 2030 aus.
Der Preis für diese Sicherheit war hoch: Die Belegschaft akzeptierte Lohnzurückhaltung, den Wegfall von Boni und einen Personalabbau von rund 35.000 Stellen durch Demografieeffekte und Abfindungsprogramme. Im Gegenzug versprach das Management die nötigen Produkte, um die Werke auszulasten. Die ID.Polo-Verschiebung gefährdet nun genau diese Abmachung und stellt die Mitbestimmung auf eine harte Probe.
Unter Druck: Das deutsche Modell
Die Enthüllungen setzen die Institutionen der Mitbestimmung enorm unter Druck. Bereits auf einer Betriebsversammlung Anfang Dezember 2025 warnte Betriebsratschefin Daniela Cavallo vor wachsendem Unmut in der Belegschaft. Das Vertrauen in die Strategiefähigkeit des Vorstands sei deutlich erodiert.
Die deutsche Mitbestimmung verlangt, dass Arbeitnehmervertreter in strategische Entscheidungen eingebunden werden. Falls das Management die Risiken für den ID.Polo-Zeitplan während der Verhandlungen 2024 nicht transparent kommunizierte, könnte der Betriebsrat dies als Vertrauensbruch werten.
Arbeitsrechtsexperten sehen die Strategie des Betriebsrats am Wendepunkt: Statt weiter Zugeständnisse für Garantien zu handeln, müsse er nun Rechenschaft für strategische Fehler fordern. Die Frage lautet nicht mehr „Müssen die Beschäftigten Kosten sparen?“, sondern „Kann das Management seinen Fahrplan einhalten?“.
Zwickau und Wolfsburg in der Zange
Die Verzögerung trifft das deutsche Produktionsnetzwerk ungleich, aber hart. Das Werk Zwickau, das mit schwankender Nachfrage nach ID.3 und ID.4 kämpft, setzte auf neue, günstigere Modelle zur Stabilisierung. Mit dem ausgebliebenen ID.Polo könnte die Auslastungslücke dort bis 2027 bestehen bleiben.
Auch für das Stammwerk Wolfsburg sind die Folgen bedrohlich. Zwar sind dort Golf und Tiguan gesichert, doch der Umstieg auf Elektromobilität stockt. Die Verschiebung des ID.Golf (ursprünglich für 2028/29 geplant) und nun die Verzögerungen im Kleinwagensegment lassen das Flaggschiff-Werk stark von Verbrennern abhängen – deren Zukunft regulatorisch begrenzt ist.
Branchenkenner warnen: Sinkt die Kapazitätsauslastung unter die kritische Schwelle von 70 bis 80 Prozent, könnte die Konzernführung die Akte zu „strukturellen Anpassungen“ wieder aufschlagen. Ein Euphemismus für genau die Werksschließungen, die 2024 angeblich vom Tisch waren.
Was kommt auf VW zu?
Die Reaktionen der Märkte bleiben verhalten. Anleger mögen zwar Kostensenkungen begrüßen, doch die strategische Schwäche, im Wettlauf mit chinesischen Herstellern und Tesla keinen konkurrenzfähigen Einstiegs-Elektrowagen auf den Markt zu bringen, wiegt schwer.
Für den Gesamtbetriebsrat beginnt mit dem Jahreswechsel 2026 ein schwieriger Kampf. Es geht nun darum, sicherzustellen, dass die Last der Produktverzögerungen nicht auf der Belegschaft lastet. Die „Abwehr von Werksschließungen“ ist kein einmaliger Vertrag mehr, sondern die Durchsetzung der betrieblichen Verpflichtung, wettbewerbsfähige Produkte bereitzustellen.
IG Metall wird voraussichtlich für Januar 2026 eine Krisensitzung fordern, um den „Fahrplan-Bruch“ zu thematisieren. Das Argument der Gewerkschaft liegt auf der Hand: Wenn das Management die versprochenen Autos nicht liefern kann, darf es die entstehende Überkapazität nicht als Begründung für Schließungen nutzen. Der Geist der „VW-Krise“ ist zurück – und zeigt, dass in der turbulenten Auto-Transformation kein Waffenstillstand von Dauer ist.
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