Ford, Köln

Ford Köln: Neue Details zum Abfindungsprogramm enthüllt

28.11.2025 - 09:19:12

3.500 Arbeitsplätze sollen freiwillig wegfallen – die Abfindungen erreichen Rekordhöhe.

KÖLN – Der Ernst der Lage ist kaum zu übersehen: Ford hat heute, am Freitag, den 28. November 2025, offiziell ein umfassendes Stellenabbauprogramm für das Kölner Werk eingeleitet. Nach einer spannungsgeladenen Betriebsversammlung am Donnerstag präsentierte der Autobauer einen Sozialplan, der 3.500 freiwillige Abgänge erreichen soll. Die Hintergründe? Enttäuschende Verkaufszahlen der Elektromodelle und eine drastische Produktionskürzung ab Januar 2026.

Dass es so weit kommen würde, zeichnete sich ab – doch die Dimension überrascht selbst Branchenkenner. Ford kämpft in Europa ums Überleben seiner Pkw-Sparte und setzt nun auf eine teure, aber vermeintlich schmerzfreie Lösung: Rekordabfindungen, die Mitarbeiter zum freiwilligen Gehen bewegen sollen.

Der heute veröffentlichte Sozialplan liest sich wie ein Lastenheft der Verzweiflung. Um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden – die laut Tarifvertrag bis 2032 ausgeschlossen sind – greift Ford tief in die Kasse. Arbeitsrechtler sprechen von “ungewöhnlich hohen” Zahlungen, die selbst langjährige Industriestandards übertreffen.

Das Abfindungsmodell besteht aus zwei Komponenten:

  • Sockelbetrag: Je nach Betriebszugehörigkeit zwischen 25.000 Euro (ein Jahr) und 80.000 Euro (langjährige Beschäftigte)
  • Faktorbetrag: Monatliches Bruttogehalt multipliziert mit einem Faktor, der sich nach den Dienstjahren richtet
  • Zusatzboni: Für Eltern, Schwerbehinderte und Gewerkschaftsmitglieder gibt es weitere Aufschläge

Für viele Langzeitbeschäftigte bedeutet das: Abfindungssummen weit über 100.000 Euro. In Einzelfällen, bei Mitarbeitern mit jahrzehntelanger Betriebszugehörigkeit und hoher Gehaltsstufe, könnten sogar bis zu 300.000 Euro erreicht werden. “Die finanziellen Anreize sollen unwiderstehlich sein”, analysiert ein Arbeitsrechtler. “Ford kauft sich quasi aus der Krise heraus.”

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3.500 Stellen – mehr als ursprünglich geplant

Die Dimension des Kahlschlags hat sich gegenüber früheren Ankündigungen noch ausgeweitet. Waren Ende 2024 noch 2.900 Stellen im Gespräch, zielt das aktuelle Programm auf rund 3.500 Positionen ab – verteilt über nahezu alle Abteilungen an den Standorten Köln-Niehl und Merkenich.

Die 3.500 setzen sich zusammen aus etwa 2.770 Stellen aus dem Ende 2024 angekündigten Restrukturierungsprogramm plus weitere 730 Positionen aus früheren Effizienzmaßnahmen. Auch die Produktionslinien für den Ford Explorer und den Capri – beides elektrische SUV-Modelle – bleiben vom Abbau nicht verschont.

“Der Druck ist immens”, berichtete electrive.net am Donnerstag. “Ford muss sicherstellen, dass das Programm noch 2025 greift und Fahrt aufnimmt.”

Schichtstreichung ab Januar 2026

Warum diese Eile? Der Grund ist simpel und dramatisch zugleich: Ab Januar 2026 fährt das Cologne Electric Vehicle Center nur noch im Ein-Schicht-Betrieb. Die zweite Schicht wird komplett gestrichen.

Diese operative Verkleinerung ist die direkte Antwort auf die ernüchternde Marktrealität. Trotz einer Investition von umgerechnet fast 2 Milliarden Euro in die Umrüstung des historischen Werks Niehl zum hochmodernen E-Auto-Standort bleibt die Nachfrage nach Explorer und Capri “deutlich unter den Prognosen”, wie das Unternehmen einräumt.

Die Streichung der zweiten Schicht macht einen Großteil der Produktionsbelegschaft überflüssig. Mit dem jetzt gestarteten Abfindungsprogramm will Ford die Belegschaft rechtzeitig zur Umstellung im Januar auf die neue Produktionsgröße zurechtstutzen.

Sonderregelungen für ältere Beschäftigte

Besonders sensibel behandelt der Sozialplan ältere Arbeitnehmer – eine Gruppe, die auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer eine neue Stelle findet.

  • 55 bis 63 Jahre (Überbrückungsmodell): Statt einer Einmalzahlung erhalten diese Mitarbeiter ein Überbrückungsgeld von bis zu 70 Prozent ihres bisherigen Gehalts – und das für bis zu acht Jahre bis zum regulären Renteneintritt.
  • Ab 63 Jahren: Wer bereits rentennah ist, bekommt 25.000 Euro Sockelbetrag plus ein Monatsgehalt für jeden verbleibenden Monat bis zur Rente.

Diese Regelungen sollen die soziale Härte abfedern – kosten Ford aber zusätzliche Millionen.

Das Ende der Illusion

Die Stimmung in Köln ist gedrückt. Der Optimismus, mit dem 2023 das EV-Center eröffnet wurde, ist verflogen. An seine Stelle ist eine ernüchternde Realität getreten: Die Transformation zum Elektrostandort gelingt nicht wie erhofft.

Benjamin Gruschka, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats, hatte die Abfindungen zwar als “großzügig und deutlich über Branchenniveau” bezeichnet – doch die Notwendigkeit eines solchen Programms markiert das, was Kommentatoren als “Ende der Illusion” bezeichnen. Die Vorstellung einer schmerzfreien Transformation ist zerplatzt.

Die Kölner Situation spiegelt eine Branchenkrise wider: Hohe Energiekosten, scharfe Konkurrenz aus China, der Wegfall staatlicher E-Auto-Prämien in Deutschland – ein perfekter Sturm trifft die europäische Autoindustrie. Fords radikaler Personalabbau ist ein Überlebenskampf, um die Verluste in der europäischen Pkw-Sparte zu stoppen, die im Gegensatz zur profitablen Nutzfahrzeugsparte tief in den roten Zahlen steckt.

Die kommenden Wochen entscheiden

Für die betroffenen 3.500 Beschäftigten beginnt jetzt eine Phase schwieriger Entscheidungen. Das freiwillige Programm läuft befristet – Ford hofft, die meisten Austritte noch bis Jahresende abzuwickeln.

Was passiert, wenn die freiwillige Quote nicht erreicht wird? Offiziell sind betriebsbedingte Kündigungen bis 2032 ausgeschlossen. Doch der Betriebsrat warnt: Das Unternehmen könnte über andere Hebel Druck ausüben – etwa durch Versetzungen oder weitere betriebliche Einschränkungen.

Vorerst steht die goldene Handschlag im Mittelpunkt. Ford hat Beratungsstellen und Jobmessen für ausscheidende Mitarbeiter eingerichtet. Doch die zentrale Frage bleibt: Reicht die angebotene Abfindung, um den Verlust eines sicheren Arbeitsplatzes in unsicheren Zeiten aufzuwiegen?

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