EU verschiebt Lieferkettengesetze – Unternehmen atmen auf
19.12.2025 - 03:30:11Brüssel setzt gleich zwei zentrale Regeln für nachhaltige Lieferketten aus. Die Verschiebung trifft auf ein gespaltenes Echo.
BRÜSSEL. In einer entscheidenden Woche für den globalen Handel hat die Europäische Union die Regeln für transparente Lieferketten grundlegend verändert. Kurz vor dem geplanten Start der EU-Verordnung gegen Entwaldung (EUDR) hat der Rat der EU eine zweite Verschiebung beschlossen. Der neue Stichtag für große und mittlere Unternehmen ist nun der 30. Dezember 2026. Parallel dazu hat das Europaparlament die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) deutlich abgeschwächt und verzögert. Für Compliance-Manager bedeutet diese „doppelte Verschiebung“ kurzfristige Luft, aber langfristig mehr Unsicherheit.
Der EU-Ministerrat hat am Donnerstag, den 18. Dezember, eine einjährige Fristverlängerung für die umstrittene Entwaldungsverordnung offiziell beschlossen. Ursprünglich für 2024 geplant und bereits auf Ende 2025 verschoben, tritt sie nun erst Ende 2026 in Kraft. Kleine und Mikrounternehmen haben sogar bis zum 30. Juni 2027 Zeit.
Laut dem Rat war die Entscheidung notwendig, weil das IT-System „Traces NT“ nicht rechtzeitig fertig geworden sei. Die Plattform, die Millionen von Sorgfaltspflicht-Erklärungen verarbeiten soll, hätte dem erwarteten Datenvolumen nicht standgehalten. „Die Überarbeitung strafft die Anforderungen und verschiebt die Anwendung, ohne die Ziele der Verordnung zu gefährden“, so die offizielle Begründung.
Passend zum Thema EUDR: Viele Unternehmen wissen nicht, ob ihre Lieferketten von der Entwaldungsverordnung betroffen sind – und wie sie künftig Daten zuverlässig an Traces NT übermitteln sollen. Das kostenlose E‑Book erklärt leicht verständlich, welche Rohstoffe geprüft werden, wie Sie eine schnelle Risiko‑Checkliste durchführen und welche Nachweise Sie von Lieferanten einfordern sollten. Ideal für Compliance‑Manager, Einkäufer und Logistik‑Verantwortliche. Jetzt kostenloses E‑Book & Checkliste herunterladen
Zudem wird die EU-Kommission bis zum 30. April 2026 einen Bericht vorlegen, der die bürokratische Belastung bewertet und mögliche Vereinfachungen vorschlägt. Bestimmte Druckerzeugnisse wie Bücher und Zeitungen sind nun ganz von der Regelung ausgenommen.
Die digitale Hürde bleibt
Die technische Unfähigkeit, präzise Geodaten von Millionen Lieferketten zu verarbeiten, war der Hauptgrund für die Verzögerung. Branchenberichte hatten gewarnt, dass die IT-Infrastruktur der Kommission dem Ansturm nicht gewachsen sei. Für Unternehmen bedeutet dies: Die rechtliche Pflicht ist pausiert, aber die technische Herausforderung bleibt. Die Verschiebung ist kein Freibrief, sondern eine „Tech-Auszeit“.
CSDDD: Parlament schwächt Lieferkettenrecht ab
Während die EUDR-Verschiebung erwartet wurde, sorgte die parallele Aufweichung der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) für eine politische Überraschung. Das Europaparlament stimmte am 16. Dezember für eine deutlich entschärfte Version des sogenannten EU-Lieferkettengesetzes.
Der Geltungsbereich wurde drastisch eingeschränkt. Künftig gilt die Richtlinie nur noch für Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro. Ursprünglich sollten Firmen ab 1.000 Mitarbeitern und 450 Millionen Euro Umsatz erfasst werden.
Auch der Zeitplan wurde gestreckt: Die Mitgliedstaaten haben nun bis zum 26. Juli 2028 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die volle Anwendung beginnt erst Juli 2029.
Die wesentlichen Änderungen:
* Höhere Schwellenwerte: Nur Großkonzerne sind betroffen.
* Begrenzte Haftung: Die zivilrechtliche Durchsetzung wurde zurückgenommen, die Kontrolle liegt stärker bei nationalen Behörden.
* Später Start: Volle Anwendung erst 2029.
Umweltverbände und die Grünen kritisieren die Aufweichung scharf. Das Gesetz sei so „ausgehöhlt“ worden, dass es nur noch einen Bruchteil der ursprünglich geplanten Unternehmen treffe, berichtet Öko-Test.
Strategie für Unternehmen: Warum Vorbereitung trotzdem sinnvoll ist
Für Compliance-Verantwortliche entsteht ein paradoxes Bild: Der regulatorische Druck ist kurzfristig weg, aber der operative Zwang zur Transparenz bleibt. Der Trend zu „Just-in-Case“-Lieferketten gilt nun auch für Compliance-Daten.
Drei Gründe, warum Unternehmen ihre Vorbereitungen fortsetzen sollten:
1. IT-Integration braucht Zeit: Die eigenen IT-Probleme der EU zeigen, dass auch Unternehmen mit komplexen Daten-Schnittstellen kämpfen werden. Die zusätzliche Zeit bis 2026 sollte für eine reibungslose Anbindung an „Traces NT“ genutzt werden.
2. Vertragliche Verpflichtungen: Viele Zulieferer haben bereits Verträge unterzeichnet, die entwaldungsfreie Lieferketten fordern. Diese kommerziellen Pflichten gelten unabhängig vom gesetzlichen Stichtag.
3. Reputationsrisiko: Umweltorganisationen verurteilen die Verschiebungen scharf. Die öffentliche Überwachung von Lieferketten wird zunehmen – auch ohne sofortige gesetzliche Pflicht.
Ausblick: Der Weg bis 2026 und darüber hinaus
Das kommende Jahr wird vom „Vereinfachungsbericht“ der EU-Kommission im April 2026 geprägt sein. Compliance-Manager sollten dies genau beobachten. Möglicherweise werden neue „Niedrigrisiko“-Länderkategorien oder weitere Ausnahmen eingeführt, die den Aufwand verringern.
Die Verzögerung gibt auch produzierenden Ländern in Südostasien und Südamerika mehr Zeit für diplomatischen Druck. Sie könnten versuchen, das umstrittene „Hochrisiko“-Land-Benchmarking-System weiter abzuschwächen.
Der neue Zeitplan im Überblick
- 30. April 2026: EU-Kommission legt Vereinfachungsbericht vor.
- 30. Dezember 2026: EUDR gilt für große/ mittlere Unternehmen.
- 30. Juni 2027: EUDR gilt für kleine/ Mikrounternehmen.
- Juli 2028: Frist für nationale Umsetzung der abgeschwächten CSDDD.
- Juli 2029: CSDDD wird für betroffene Großkonzerne voll anwendbar.
Stand 19. Dezember 2025 wurde die regulatorische Uhr zurückgestellt. Doch der Wettlauf um transparente Lieferketten ist ein Marathon – und das Ziel liegt nun wieder ein Stück weiter entfernt.
PS: Die Verschiebung bis Ende 2026 bietet Zeit – aber kein Freibrief. Nutzen Sie sie, um Lieferantenerklärungen zu prüfen, Risikokategorien zu erstellen und Sanktionen zu vermeiden. Unser gratis Leitfaden zur EU‑Entwaldungsverordnung enthält eine praktische Schritt‑für‑Schritt‑Checkliste und Musterprüfungen, mit denen Sie schnell den Handlungsbedarf Ihres Unternehmens erkennen. Entwaldungsverordnung-Checkliste gratis sichern


