EU-Sanktionen, Deutschland

EU-Sanktionen: Deutschland verschärft Haftung für Unternehmen

21.12.2025 - 21:12:12

Sieben Monate nach der EU-Frist treibt der Bundestag endlich schärfere Strafen für Sanktionsverstöße voran. Unternehmen drohen künftig Bußgelder von bis zu fünf Prozent ihres weltweiten Umsatzes.

Berlin – Die Zeit des Abwartens ist vorbei: Deutschland setzt unter massivem Druck aus Brüssel die verschärften EU-Haftungsregeln für Sanktionsverstöße um. In einer entscheidenden Anhörung am Mittwoch befasste sich der Wirtschaftsausschuss des Bundestags mit dem nationalen Umsetzungsgesetz. Die EU-Richtlinie, die bereits seit Mai 2025 gilt, macht schwere Verstöße gegen Handelsembargos oder Vermögenssperren europaweit strafbar. Für Unternehmen bedeutet das ein drastisch erhöhtes Risiko. Die EU-Kommission hat bereits Vertragsverletzungsverfahren gegen 18 Mitgliedstaaten – darunter Deutschland – eingeleitet.

Im Fokus der Anhörung stand der „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Straftaten und Sanktionen für Verstöße gegen restriktive Maßnahmen der Europäischen Union“. Ziel ist es, das deutsche Außenwirtschaftsgesetz (AWG) an den EU-weiten Standard anzugleichen. Experten und Wirtschaftsvertreter forderten die Abgeordneten auf, eine „praktikable, verhältnismäßige und rechtssichere“ Umsetzung zu gewährleisten.

Der Gesetzentwurf stellt eine Zäsur dar: Künftig soll bereits grobe Fahrlässigkeit für eine strafrechtliche Haftung ausreichen. Bislang war meist Vorsatz erforderlich. Besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) könnte diese Ausweitung zur Belastungsprobe werden. Die Eile der Gesetzgebung ist hoch, seit Brüssel am 24. Juli 2025 wegen der verspäteten Umsetzung ein Verfahren eröffnete. Unternehmen agieren seither in einer Grauzone.

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Das „Mai-2025“-Modell: Bis zu fünf Prozent Umsatz als Strafe

Die Richtlinie (EU) 2024/1226 schafft einen einheitlichen Strafrahmen in der Union. Bislang variierten die Höchststrafen zwischen Mitgliedstaaten enorm – von rund 133.000 Euro bis in die Millionen. Diese Lücke wird nun geschlossen. Die neuen Kernregeln für Unternehmen:

  • Umsatzbezogene Bußgelder: Bei schweren Verstößen drohen juristischen Personen Geldstrafen von mindestens 5 % des weltweiten Jahresumsatzes oder 40 Millionen Euro.
  • Strafbarkeit von Fahrlässigkeit: Der Handel mit Dual-Use-Gütern oder Militärtechnologie wird bereits strafbar, wenn er grob fahrlässig erfolgt.
  • Umgehungshandlungen: Explizit kriminalisiert werden auch bewusste Umgehungen, etwa die Verschleierung des wahren Begünstigten durch Drittgeschäfte.

„Die Harmonisierung war nötig, weil Sanktionsverstöße zuvor in der EU sehr unterschiedlich geahndet wurden“, heißt es in einem Bundestags-Dokument.

Doppelter Druck: EU-Strafen und US-Drohkulisse

Die verschärfte innereuropäische Compliance-Pflicht trifft auf eine angespannte geopolitische Lage. Seit Dienstag lastet zusätzlicher transatlantischer Druck auf der EU. Die US-Handelsvertretung (USTR) drohte mit neuen Handelssanktionen gegen die Union, die sie „diskriminierende Maßnahmen“ gegenüber amerikanischen Dienstleistern vorwirft.

Die USA kündigten an, „alle verfügbaren Mittel“ einzusetzen, sollten US-Firmen weiter benachteiligt werden. Als mögliche Ziele für Vergeltungsmaßnahmen nannte die USTR explizit europäre Schwergewichte wie SAP, Amadeus und Capgemini.

„Unternehmen führen nun einen Zweifrontenkrieg“, analysieren Handelsexperten. „Sie müssen die internen, verschärften EU-Strafvorschriften einhalten und gleichzeitig das externe Risiko US-amerikanischer Vergeltungsmaßnahmen managen.“

Folgen für die Wirtschaft: Zoll ermittelt schärfer

Die nationale Umsetzungsverzögerung schützt Unternehmen nicht. Juristen warnen vor dem „Direktwirkung“-Prinzip: Nationale Behörden könnten bestehende Gesetze bereits jetzt strenger auslegen, gedrängt von der EU-Kommission.

Das geplante deutsche Gesetz sieht eine Aufwertung des Zollkriminalamts (ZKA) als zentrale Ermittlungsbehörde vor. Für Exporteure ist der neue Fokus auf grobe Fahrlässigkeit kritisch. Künftig könnte schon mangelnde Sorgfalt bei der Überprüfung eines Geschäftspartners, der sich als sanktionierte Entität entpuppt, strafrechtliche Konsequenzen haben. Bislang blieb es oft bei einer Ordnungswidrigkeit.

Ausblick: Vollständige Umsetzung 2026 erwartet

Nach der Ausschuss-Anhörung soll das Gesetzgebungsverfahren beschleunigt werden. Beobachter rechnen damit, dass das neue Recht Anfang 2026 in Kraft tritt. Bis dahin raten Compliance-Experten Unternehmen dringend, ihre Programme bereits jetzt auf den Standard der EU-Richtlinie auszurichten.

„Die Ära des Flickenteppichs bei der Sanktionsdurchsetzung in Europa geht zu Ende“, so ein Analyst. „Egal, wann das deutsche Gesetz unterschrieben wird – die Fünf-Prozent-Umsatzstrafe ist der neue Maßstab für die Risikobewertung.“ Für die deutsche Wirtschaft steht ein teures Lehrjahr bevor.

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