EU-Lohntransparenz: Deutschland plant Gehaltspflichten ab 100 Mitarbeitern
05.12.2025 - 21:50:12Die Zeit wird knapp: Bis Juni 2026 muss Deutschland die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz umsetzen – und die Pläne haben es in sich. Eine Expertenkommission empfiehlt drastische Maßnahmen, die Gehaltsverhandlungen grundlegend verändern könnten. Doch wie weit ist Deutschland wirklich mit der Umsetzung? Und warum sind so viele Unternehmen noch immer unvorbereitet?
Die Bundesregierung steht unter Druck. Während in Brüssel über die Zukunft “guter Arbeit” debattiert wird, konkretisiert sich in Berlin, was auf Arbeitgeber zukommt: Gehaltsangaben in Stellenanzeigen, verpflichtende Berichte über Lohnlücken und möglicherweise sogar Gehaltsstopps für Besserverdiener, wenn ungerechtfertigte Unterschiede aufgedeckt werden.
Die Empfehlungen der “Expertenkommission zur bürokratiearmen Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie” liegen seit November auf dem Tisch des Bundesfamilienministeriums. Laut einer aktuellen Analyse der Kanzlei Littler vom 2. Dezember zeichnet sich ab: Deutschland will bei der Umsetzung keine halben Sachen machen.
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Die Kernpunkte der Kommissionsempfehlungen:
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Berichtspflicht ab 100 Beschäftigten: Deutlich schärfer als bisherige deutsche Regelungen sollen Unternehmen mit mindestens 100 Mitarbeitern zur regelmäßigen Berichterstattung über geschlechtsspezifische Lohnunterschiede verpflichtet werden.
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Gehaltsspannen in Stellenanzeigen: Arbeitgeber müssten künftig bereits in der Stellenausschreibung oder spätestens vor dem Vorstellungsgespräch Angaben zum Einstiegsgehalt oder der Gehaltsspanne machen. Eine Regelung, die Rekrutierungsprozesse fundamental verändern dürfte.
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Drastische Abhilfemaßnahmen: Besonders brisant ist der Vorschlag zu Korrekturmaßnahmen. Werden ungerechtfertigte Lohnlücken entdeckt, könnte das Gehalt der höher bezahlten Vergleichsgruppe “eingefroren” werden, bis Gleichstand erreicht ist – parallel zur Anhebung der Gehälter diskriminierter Beschäftigter.
Das Bundesfamilienministerium arbeitet nun an einem Gesetzentwurf auf Basis dieser Empfehlungen. Die Uhr tickt: Bis zum 7. Juni 2026 muss die EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt sein.
Brüsseler Debatten: Qualität statt Quantität
Während in Deutschland an der Umsetzung gefeilt wird, diskutierten EU-Sozialminister am 1. und 2. Dezember in Brüssel über die Zukunft der Arbeit. Im Fokus des EPSCO-Rats standen “Qualitätsjobs” und die Integration jüngerer wie älterer Generationen in den Arbeitsmarkt.
Die deutsche Delegation brachte das Konzept der “Rush Hour des Lebens” ins Spiel – jene Phase, in der junge Eltern gleichzeitig Karriere und Kinderbetreuung stemmen müssen. Mehr Investitionen in Kinderbetreuung und Sensibilisierungsprogramme in Unternehmen seien nötig, so die Position aus Berlin.
Doch nicht alles läuft rund auf EU-Ebene. Die geplante Praktikumsrichtlinie bleibt umstritten. Während bei technischen Aspekten wie schriftlichen Vereinbarungen Einigkeit herrscht, streiten die Mitgliedstaaten – darunter prominent Ungarn – weiter über die Definition von “Vergütung in Geld- oder Sachform” und den Erhalt nationaler Regelungssysteme.
Unternehmen im Rückstand
Die Unternehmen selbst? Weitgehend unvorbereitet. Der Global Pay Transparency Report 2024 der Beratung Mercer offenbart ein ernüchterndes Bild: Nur 28 Prozent der deutschen Unternehmen fühlen sich ausreichend auf die neuen Transparenzanforderungen vorbereitet.
Besonders die Pflicht zur Offenlegung von Gehaltsspannen gilt als größte Herausforderung. Experten der Kanzlei Bird & Bird wiesen am 5. Dezember darauf hin, dass die Richtlinie einen globalen Kulturwandel anstoße – selbst multinationale Konzerne außerhalb der EU sehen sich gezwungen, ihre Standards zu harmonisieren.
“Die Zeit bis Juni 2026 ist keine reine Compliance-Übung”, betonen Analysten in aktuellen Briefings. “Sie ist eine Chance, Vergütungsstrukturen neu zu organisieren.” Unternehmen sollten bereits jetzt ihre Gehaltsdaten “stresstest” unterziehen, bevor Lücken öffentlich und potenziell haftungsrelevant werden.
Was kommt auf Unternehmen zu?
Die kommenden Monate werden entscheidend. In Deutschland steht die Veröffentlichung des offiziellen Gesetzentwurfs (Referentenentwurf) aus dem Bundesfamilienministerium an – voraussichtlich Anfang 2026. Erst dann wird klar, ob die Regierung die strenge Interpretation der Expertenkommission übernimmt.
Klar ist schon jetzt: Die Ära der Geheimniskrämerei bei Gehältern geht EU-weit zu Ende. Unternehmen müssen sich auf eine neue Normalität einstellen, in der Transparenz nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist. Wer jetzt nicht vorbereitet, riskiert nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern auch einen Wettbewerbsnachteil im Kampf um Talente.
Die Frage ist nicht mehr, ob Lohntransparenz kommt – sondern wie gut Unternehmen darauf vorbereitet sind, wenn der Stichtag Juni 2026 schlägt.
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