EU-Klimazoll: Schockstarre in den globalen Lieferketten
16.12.2025 - 22:09:12Die EU-Kommission hat die endgültigen Standardwerte für den CO2-Grenzausgleich (CBAM) festgelegt. Ab Januar drohen Importeuren Strafzahlungen von bis zu 300 Euro pro Tonne – und die Industrie schlägt Alarm.
Brüssel, 16. Dezember 2025 – Mit der Finalisierung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) setzt die EU heute ein weltweit beachtetes Zeichen. Die Veröffentlichung der endgültigen Standard-Emissionswerte löst jedoch sofortige Proteste aus. Die Werte, die gelten, wenn Importeure keine tatsächlichen Emissionsdaten ihrer Lieferanten vorlegen können, fallen deutlich höher aus als erwartet. Für die Industrie bedeutet das ab dem 1. Januar 2026 „prohibitive“ Kosten, die den Handel mit kritischen Rohstoffen wie Stahl und Düngemitteln verteuern und gefährden könnten. Branchenverbände fordern bereits eine Verschiebung.
Das Herzstück der Angst sind die nun bestätigten Standardwerte. Sie dienen als Strafrechnung für Importeure, die keine verifizierten Daten von ihren Lieferanten außerhalb der EU beschaffen können. Dieser Fallback-Mechanismus soll eigentlich die Offenlegung echter Daten erzwingen – die neuen Zahlen setzen jedoch eine massive finanzielle Hürde.
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Besonders betroffen ist die Stahlbranche. Für chinesisches Stahl-Brammen liegt der Standardwert nun bei etwa 3,167 Tonnen CO2-Äquivalent pro Tonne Stahl. Das ist fast doppelt so hoch wie in früheren Entwürfen. Bei aktuellen CO2-Preisen bedeutet das eine CBAM-Abgabe von rund 144 Euro pro Tonne für chinesischen Stahl. Für andere wichtige Exportländer sieht es noch drastischer aus: Für indonesisches Warmband könnten sich Abgaben von über 600 Euro pro Tonne ergeben, für indisches zwischen 230 und 270 Euro.
Zusätzlich verschärft wird die Lage durch ein progressives Strafsystem. Importeure, die auf Standardwerte zurückgreifen müssen, zahlen 2026 einen Aufschlag von 10 Prozent. Dieser steigt 2027 auf 20 und ab 2028 auf 30 Prozent. Die Botschaft ist klar: Die EU will echte Daten – und zwar schnell.
Industrie-Protest: „Unkalkulierbare Risiken“ für Handel und Versorgung
Die Reaktion der europäischen Industrie fällt scharf aus. Der Verband Eurometal warnt, die neuen Werte seien „untragbar“. Importeure stünden vor unkalkulierbaren Risiken, da sie die hundertprozentige Daten-Compliance ihrer globalen Lieferanten oft nicht garantieren könnten. „Das revidierte Dokument macht das System nicht einfacher, sondern komplizierter und schwerer zu kalkulieren“, zitiert Eurometal einen Handelspartner. Der Handelsverkehr für das erste Quartal 2026 verlangsame sich bereits spürbar.
Auch die Landwirtschaft schlägt Alarm. Die irische Irish Co-operative Organisation Society (ICOS) hat die Kommission aufgefordert, CBAM für Düngemittel zu verschieben. Der Mechanismus stelle ein „großes Risiko“ für die Ernährungssicherheit dar und könne 2026 zu einem weiteren Preisschub bei Düngemitteln führen. Besonders problematisch sei die mangelnde Abstimmung mit dem britischen System, was für Irland zusätzliche Handelsverzerrungen schaffe.
CBAM-Expansion: Bald auch für Waschmaschinen und Autos?
Während die Industrie mit dem Start 2026 ringt, plant die Kommission bereits die nächste Ausbaustufe. Ein durchgesickernder Entwurf sieht vor, CBAM bis 2028 auf etwa 7.500 weitere Importeure auszudehnen. Im Visier sind sogenannte Downstream-Produkte – also Waren, die aus CBAM-pflichtigen Rohstoffen wie Stahl und Aluminium hergestellt werden.
Bis zu 180 zusätzliche Produktkategorien könnten unter die Regelung fallen, darunter möglicherweise zusammengesetzte Güter wie Waschmaschinen und Autos. Ziel ist es, Carbon Leakage zu verhindern: die Verlagerung der Endproduktion aus der EU, um den CO2-Preis auf Rohstoffe zu umgehen. CBAM würde sich so von einer Rohstoff-Abgabe zu einer umfassenden Lieferkettensteuer entwickeln.
Gleichzeitig zeigt die Kommission bei Stromimporten etwas Flexibilität. Die Regeln sollen angepasst werden, um Importeuren einen klareren Weg zur Deklaration tatsächlicher Emissionswerte zu ebnen. Eine kleine Erleichterung in einem ansonsten immer strenger werdenden regulatorischen Umfeld.
Analyse: Vom Lehrgang zur harten Pflicht
Die Transition von der reinen Melde- (2023-2025) zur definitiven Phase (ab 2026) markiert einen Systemwechsel. Statt nur zu berichten, müssen Importeure nun zahlen. Die CBAM-Zertifikate orientieren sich am Preis der EU-Emissionshandelszertifikate (ETS).
Die hohen Standardwerte verfolgen eine Doppelstrategie: Sie schützen die Integrität des europäischen CO2-Preises, indem sie verhindern, dass Importeure mit „dreckiger“ Ware EU-Produzenten unterbieten. Gleichzeitig sind sie ein Machtinstrument. Da die Standardwerte am oberen Ende der Emissionsskala angesetzt sind (oft am 90. Perzentil), zwingen sie Produzenten weltweit, ihre echten Daten offenzulegen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Das birgt kurzfristig das Risiko von Lieferengpässen. Können Exporteure in Ländern wie Indien oder Indonesien ihre Emissionen nicht rechtzeitig nachweisen, müssen europäische Abnehmer auf teurere Alternativen umsteigen oder die Strafkosten schlucken. Beides würde die Inflation in Bau- und Industriesektoren weiter anheizen.
Die kommenden zwei Wochen bis zum Jahreswechsel sind nun entscheidend. Importeure müssen fieberhaft Lieferantenverträge anpassen, um an die benötigten Emissionsdaten zu gelangen. Die offizielle Veröffentlichung der Rechtsakte im Amtsblatt der EU steht noch vor Weihnachten an. Der Start des weltweit ersten CO2-Grenzausgleichs verspricht, alles andere als reibungslos zu werden.
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