EU-Klimazoll: Jetzt auch auf Waschmaschinen und Kühlschränke
18.12.2025 - 11:50:12Die EU-Kommission will den CO₂-Grenzausgleich auf fertige Produkte wie Haushaltsgeräte und Maschinen ausweiten. Damit soll verhindert werden, dass Hersteller ihre Produktion einfach ins Ausland verlagern.
In einer deutlichen Verschärfung ihrer Klima-Handelspolitik plant die EU-Kommission, den CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) auf eine breite Palette von Fertigprodukten auszudehnen. Der diese Woche vorgestellte Vorschlag betrifft auch Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen und Kühlschränke. Dies markiert eine strategische Wende im Kampf gegen „Carbon Leakage“ – die Verlagerung von CO₂-Emissionen ins Ausland – und zum Schutz europäischer Industrien.
Am Mittwoch, den 17. Dezember, kündigte die Kommission an, 180 sogenannte „Downstream“-Produkte in das CBAM-Register aufnehmen zu wollen. Dabei handelt es sich um fertige oder halbfertige Waren mit hohem Gehalt an Stahl und Aluminium – Grundmaterialien, die bereits unter die CO₂-Abgabe fallen.
CBAM-Verordnung zwingt Importeure, die CO₂-Emissionen ihrer Waren lückenlos zu melden – und bei Fehlern drohen empfindliche Strafen. Viele Firmen sind unsicher, welche Produkte betroffen sind und wie die komplexe Emissionsberechnung für zusammengesetzte Güter funktioniert. Das kostenlose E-Book erklärt praxisnah alle Berichtspflichten, Ausnahmen und liefert eine Schritt-für-Schritt-Checkliste für Einkauf, Zoll und Compliance. Sofort umsetzbare Tipps helfen, Reporting-Risiken zu minimieren. CBAM-Reporting jetzt Schritt-für-Schritt sichern
Die neue Liste umfasst laut Vorschlag:
* Haushaltsgeräte: Waschmaschinen, Kühlschränke, Geschirrspüler und andere „Weiße Ware“.
* Automobilkomponenten: Bestimmte Autoteile und Fahrzeugbaugruppen.
* Industriemaschinen: Metallwaren, Werkzeugmaschinen und Baugeräte.
Kommissionsdaten zeigen, dass 94 Prozent der neu erfassten Güter Produkte für industrielle Lieferketten sind. Nur etwa sechs Prozent sind direkt beim Verbraucher landende Haushaltswaren. Hauptaufnahmekriterium war ein hoher durchschnittlicher Gehalt an Stahl oder Aluminium (etwa 79 Prozent) und ein signifikantes Risiko der CO₂-Verlagerung.
„Wir schließen eine kritische Lücke“, erklärte Stéphane Séjourné, Vizepräsident der Kommission für Wohlstand und Industriestrategie, in Straßburg. „Indem wir Rohstahl, aber nicht die daraus gefertigte Waschmaschine besteuerten, haben wir Hersteller unbeabsichtigt dazu ermutigt, ihre Montagelinien außerhalb der EU zu verlagern. Dieser Vorschlag stellt sicher, dass Emissionen reduziert und nicht nur verlagert werden.“
Der Zeitpunkt der Ankündigung ist brisant: Sie kommt nur zwei Wochen, bevor die ursprüngliche CBAM-Verordnung am 1. Januar 2026 in ihre „endgültige Phase“ tritt. Ab dann müssen Importeure von Grundmaterialien wie Zement, Eisen, Stahl und Aluminium tatsächliche CO₂-Abgaben zahlen, statt nur Emissionen zu melden.
Für die neu hinzugefügten Fertigprodukte gilt jedoch ein anderer Zeitplan. Entwurfsdokumenten und Berichten von S&P Global Commodity Insights zufolge schlägt die Kommission einen gestaffelten Ansatz vor:
* 1. Januar 2026: Beginn der endgültigen Phase für die ursprünglichen Rohmaterialien.
* 1. Januar 2028: Geplantes Datum für die Aufnahme der neuen Fertigprodukte in den vollen CBAM-Geltungsbereich.
Diese gestaffelte Einführung soll Importeuren komplexer Waren Zeit geben, sich an die anspruchsvollen Methoden zur Emissionsberechnung zu gewöhnen. Im Gegensatz zu Rohmaterialien ist die Berechnung der „eingebetteten Emissionen“ in einer Waschmaschine aus Dutzenden Komponenten technisch äußerst anspruchsvoll.
Industrie warnt vor Bürokratie und Kosten
Die Ausweitung löste sofortige Reaktionen europäischer Wirtschaftsverbände aus. Während Stahl- und Aluminiumhersteller lange für diese Erweiterung lobbyiert haben, äußern fertigende Unternehmen Bedenken wegen bürokratischer Hürden und steigender Kosten.
Holger Kunze, Leiter des Brüsseler Büros des VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau), kritisierte den Schritt. Eine Ausweitung auf komplexe Produkte wie Maschinenteile werde „die bürokratischen Belastungen erhöhen“ und könne Ingenieursfirmen ironischerweise dazu treiben, ihre Produktion ganz zu verlagern.
„Das wird einen viel breiteren Teil der Wertschöpfungskette treffen als erwartet“, kommentierte ein europäischer Metallhändler. „Importeure von Maschinen, Geräten und Komponenten – Unternehmen, die sich nie als ‚CO₂-Importeure‘ sahen – werden nun zu CBAM-Akteuren.“
Die „doppelte Kostenbelastung“ bereitet EU-Herstellern Sorgen. Sie tragen bereits über das EU-Emissionshandelssystem (ETS) CO₂-Kosten für Energie und Rohmaterialien. Jetzt sollen auch ihre importierten Komponenten mit Abgaben belegt werden. Die Kommission argumentiert, dies sorge für gleiche Wettbewerbsbedingungen. Die Wirtschaft warnt jedoch vor steigenden Verbraucherpreisen für Geräte und Fahrzeuge im Binnenmarkt.
Strategisches Ziel: Europäische Wettbewerbsfähigkeit schützen
Die Aufnahme von Fertigprodukten verfolgt ein doppeltes Ziel: ökologische Integrität und wirtschaftliche Absicherung. Seit Beginn der CBAM-Übergangsphase 2023 mehren sich die Belege, dass Hersteller außerhalb der EU die Abgabe umgingen, indem sie Rohmaterialien gerade so weit verarbeiteten, dass sich ihre Zollklassifizierung von „Stahl“ zu „Stahlprodukt“ änderte.
Wopke Hoekstra, EU-Kommissar für Klimapolitik, betonte am Mittwoch, das Ziel sei ein „level playing field“. Durch die Erfassung von Fertigwaren soll sichergestellt werden, dass ausländische Wettbewerber europäische Hersteller nicht mit billigerem, CO₂-intensivem Stahl in ihren Endprodukten unterbieten können.
Der Vorschlag enthält auch strengere Anti-Umgehungsmaßnahmen und überarbeitet die Regeln für Stromimporte, um die CO₂-Intensität der Stromnetze in Exportländern besser abzubilden.
Was kommt als Nächstes?
Der Vorschlag der Kommission muss nun vom Europäischen Parlament und dem Rat endgültig angenommen werden. Angesichts der nahenden Frist für die Haupt-CBAM-Einführung am 1. Januar 2026 wird der Gesetzgebungsprozess für diese Erweiterung voraussichtlich Anfang 2026 beschleunigt.
Marktanalysten sagen voraus, dass diese Ausweitung bei Annahme globale Lieferketten grundlegend verändern wird. Hersteller in China, der Türkei und Indien – wichtige Exporteure von Geräten und Maschinen in die EU – müssten ihre Produktionsprozesse rasch dekarbonisieren, sonst droht eine Zollmauer, die ihre Waren auf dem europäischen Markt unverkäuflich macht.
Für europäische Verbraucher dürften die unmittelbaren Auswirkungen gering sein. Langfristig könnte sich der Preis importierter Geräte leicht erhöhen. Auf der anderen Seite stünde eine widerstandsfähigere heimische Industrie, die unter fairen Klima-Wettbewerbsbedingungen operiert.
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