KI-Gigafabriken, Google

EU genehmigt KI-Gigafabriken – während Google im Visier der Aufsicht steht

10.12.2025 - 03:11:12

Die EU beschließt den Bau leistungsstarker KI-Rechenzentren und startet eine Datenschutzuntersuchung gegen Google. Für Unternehmen bedeutet dies neue Chancen und verschärfte Compliance-Anforderungen.

Brüssel zeigt Muskeln: Während die EU massiv in KI-Infrastruktur investiert, verschärft sich der Ton gegenüber Tech-Giganten. Die Botschaft an die Wirtschaft? Innovation ja – aber nach unseren Regeln.

Am Dienstag stimmten die EU-Forschungsminister der Änderung der EuroHPC-Verordnung zu und ebneten damit den Weg für sogenannte „KI-Gigafabriken” quer durch Europa. Quasi zeitgleich startete die Europäische Kommission eine Untersuchung gegen Google wegen dessen KI-Datennutzung. Was auf den ersten Blick nach widersprüchlichen Signalen aussieht, entpuppt sich als durchdachte Doppelstrategie: Europas Technologie-Autonomie stärken – bei gleichzeitiger strenger Regulierung.

Für Unternehmen bedeutet das konkret: Die Infrastruktur für KI-Innovationen steht bereit, doch wer glaubt, bei der Rechtssicherheit noch Zeit zu haben, könnte böse überrascht werden.

Fünf Mega-Rechenzentren für Europa

Die geplanten KI-Gigafabriken sollen die Lücke zwischen Europa und Konkurrenten wie den USA oder China schließen. Durch Aufrüstung bestehender Supercomputer mit spezialisierten KI-Fähigkeiten entstehen Rechenzentren, die europäischen Start-ups und mittelständischen Unternehmen Zugang zu jener gewaltigen Rechenleistung verschaffen, die heute für das Training großer Sprachmodelle unverzichtbar ist.

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„Die KI-Gigafabriken sind extrem relevant, um Europa zukunftssicher zu machen”, erklärte die österreichische Forschungsministerin Eva-Maria Holzleitner am Dienstag in Brüssel. Die Nachfrage nach Rechenkapazität wachse exponentiell – Europa müsse dafür gewappnet sein.

Der Wettbewerb um die Standorte läuft bereits auf Hochtouren. Wien hat offiziell eine Bewerbung eingereicht und konkurriert damit mit 76 weiteren Kandidaten um eines der fünf geplanten Zentren. Für die heimische Wirtschaft wäre ein Zuschlag Gold wert: direkter Zugang zu erstklassiger Infrastruktur mit niedrigen Latenzzeiten könnte ein lokales KI-Ökosystem befeuern.

Die Verordnung dürfte bereits nächste Woche das Europaparlament passieren. Für die Privatwirtschaft bedeutet das einen Strategiewechsel: Nicht mehr nur Software zählt, sondern auch der Zugang zu souveräner, EU-basierter Rechenleistung wird zum Wettbewerbsvorteil.

Aufschub bei Compliance – oder doch nicht?

Während die Minister über Hardware diskutierten, analysieren Rechtsabteilungen europaweit die Folgen des „Digital Omnibus” – eines umfassenden Reformpakets, das die Kommission Ende November vorgelegt hat.

Die Realität sieht ernüchternd aus: Harmonisierte technische Standards, die für die Zertifizierung hochriskanter KI-Systeme essentiell sind, existieren schlicht noch nicht. Die Kommission reagiert pragmatisch und schlägt vor, die ursprünglich für August 2026 geplante Frist an die Verfügbarkeit dieser Standards zu koppeln. Für KI-Systeme aus Anhang III (etwa in HR, Bildung oder kritischer Infrastruktur) könnte die verpflichtende Compliance dadurch bis zum 2. Dezember 2027 verschoben werden.

Rechtsprofis sehen darin weniger Gnadenfrist als notwendige Synchronisation zwischen Gesetz und Realität. „Der Digital Omnibus verschiebt primär zentrale Bestimmungen… Das ist weniger ein Zugeständnis an Big Tech als vielmehr Konsequenz des Versagens, harmonisierte Standards rechtzeitig bereitzustellen”, analysiert Christiane Wendehorst, Professorin für Zivilrecht an der Uni Wien.

Doch Vorsicht: Unternehmen sollten ihre Compliance-Programme keinesfalls pausieren. Das Paket sieht auch eine „bedingte Implementierung” vor. Stehen Standards früher bereit, könnten sich die Fristen wieder nach vorne verschieben. Zudem will der „Digital Omnibus” überlappende Pflichten zwischen KI-Verordnung, DSGVO und Cyber Resilience Act harmonisieren. Rechtssichere Gestaltung erfordert heute den Blick aufs gesamte digitale EU-Regelwerk – nicht nur auf die KI-Verordnung allein.

Der Fall Google: Datenschutz bleibt Hochrisiko-Terrain

Wie ernst es Brüssel mit der Durchsetzung meint, zeigt die am Dienstag gestartete Untersuchung gegen Google. Im Fokus: die Datennutzung bei KI-generierten Suchergebnissen („KI-Überblicke”) und dem kürzlich eingeführten „KI-Modus”.

Laut Berichten von Krone und anderen Medien prüft die Kommission, ob Googles Datenverarbeitung für diese KI-Features gegen bestehende EU-Datenschutzregeln verstößt – jene Regeln also, die faktisch das Fundament der KI-Verordnung bilden. Die Ermittlungen verdeutlichen einen kritischen Punkt: Wo DSGVO und KI-Trainingsdaten aufeinandertreffen, wird es heikel.

„Wer seine Dienste in der EU anbieten will, muss sich an unsere Gesetzgebung halten”, stellte ein Kommissionssprecher am Dienstag unmissverständlich klar.

Diese Enforcement-Aktion ist ein Warnsignal für die Branche. Sie zeigt: Auch bevor die spezifischen Hochrisiko-Verpflichtungen der KI-Verordnung greifen, nutzen Regulierer bereits existierende Instrumente wie DSGVO oder Digital Services Act. Für Unternehmen heißt das konkret: KI-Trainingsdaten und Output-Mechanismen müssen heute DSGVO-konform sein – nicht erst 2027.

Was bedeutet das für Unternehmen?

Die Entwicklungen der vergangenen 72 Stunden zeichnen ein ambivalentes Bild für Europas KI-Sektor Ende 2025. Einerseits sinkt die Einstiegshürde für das Training leistungsstarker Modelle dank subventionierter Rechenleistung dramatisch. Andererseits werden Compliance-Kosten zur beweglichen Zielscheibe, abhängig von technischen Standards.

Drei zentrale Handlungsfelder:

Infrastruktur-Strategie: Die Standortwahl für die Gigafabriken wird Anfang 2026 erwartet. Nähe oder Zugangsrechte könnten F&E-Kosten beim proprietären Modelltraining erheblich senken.

Agile Compliance: Der „Digital Omnibus”-Aufschub ist wahrscheinlich, aber nicht garantiert. Kluge Unternehmen richten sich bereits jetzt an den Entwürfen harmonisierter Standards aus und nutzen 2027 als Testpuffer statt als Verzögerungsgrund.

Daten-Governance: Der Google-Fall zeigt, wo aktuell das größte Risiko lauert. Ein Audit der KI-Trainingsdaten auf DSGVO-Konformität ist derzeit die effektivste Risikominderung überhaupt.

Während das Europaparlament nächste Woche über die Gigafabrik-Verordnung abstimmt, zementiert die EU ihre Position: Sie will zur Produktionsstätte der weltweit sichersten KI werden – auch wenn der Bauplan dafür noch ausgearbeitet wird.

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