EU-Entwaldungsverordnung, Frist

EU-Entwaldungsverordnung: Frist verschoben, Bücher ausgenommen

10.12.2025 - 04:59:13

Die EU gibt nach: Ihre umstrittene Entwaldungsverordnung tritt erst Ende 2026 in Kraft – ein Jahr später als ursprünglich geplant. Noch wichtiger für die Praxis: Gedruckte Medien wie Bücher und Zeitungen sind komplett von der Regelung befreit, während das Baugewerbe erhebliche Erleichterungen erhält.

Das Europäische Parlament und der EU-Rat einigten sich diese Woche in Brüssel auf die zweite Verschiebung binnen zwei Jahren. Große Unternehmen müssen nun bis zum 30. Dezember 2026 compliant sein, Kleinst- und Kleinunternehmen sogar erst bis zum 30. Juni 2027. Die Regelung soll sicherstellen, dass keine Produkte in die EU gelangen, die zur weltweiten Entwaldung beitragen.

Doch die Verschiebung ist mehr als nur ein neuer Termin. Die Ausnahmeregelungen für Verlage und das vereinfachte Verfahren für kleinere Baufirmen zeigen: Brüssel musste auf den massiven Druck aus der Industrie reagieren.

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Eigentlich sollte die Verordnung bereits Ende 2024 greifen. Eine erste Verschiebung auf Dezember 2025 folgte nach Protesten aus der Wirtschaft. Doch auch dieser Termin erwies sich als unrealistisch.

Das Problem: Das EU-Informationssystem TRACES ist weiterhin nicht einsatzbereit. Mehrere Mitgliedstaaten warnten, dass ihre Verwaltungen die komplexen Anforderungen – insbesondere die Geolokalisierung von Rohstoffen – nicht fristgerecht umsetzen können.

„Die zusätzliche Zeit ist kein Rückzieher beim Umweltschutz, sondern eine notwendige Maßnahme, damit das System überhaupt funktioniert”, verteidigte eine Kommissionssprecherin am Donnerstag die erneute Verzögerung. Kritiker sehen darin jedoch ein Eingeständnis: Die Verordnung war von Anfang an zu ambitioniert konzipiert.

Die neuen Fristen schaffen zumindest Klarheit. Während Konzerne und mittelständische Betriebe bis Ende 2026 Zeit haben, können sich kleine Unternehmen weitere sechs Monate länger vorbereiten – ein wichtiger Unterschied für Firmen mit begrenzten Ressourcen.

Befreiung für Verlage: Bücher bleiben außen vor

Der wohl größte Erfolg für eine einzelne Branche: Bücher, Zeitungen, Zeitschriften und bedruckte Bilder fallen komplett aus dem Anwendungsbereich der Verordnung.

Diese Ausnahme war hart umkämpft. Verlage hatten 2024 und 2025 vehement argumentiert, dass das Entwaldungsrisiko bei fertig gedruckten Produkten verschwindend gering sei – besonders im Vergleich zu Rohstoffen wie Soja oder Palmöl. Die geforderte Rückverfolgung bis zur einzelnen Parzelle hätte jeden Zeitungsimport zu einem bürokratischen Albtraum gemacht.

„Die Herausnahme von Druckerzeugnissen ist ein Sieg für den gesunden Menschenverstand und die Pressefreiheit”, kommentierte ein Vertreter des Europäischen Verlegerverbands. „Jede Zeitung und jedes Buch einzeln zu tracken wäre logistisch unmöglich und wirtschaftlich verheerend gewesen.”

Wichtig für die Praxis: Während Rohpapier und Zellstoff weiterhin der Sorgfaltspflicht unterliegen, bleiben fertige Printprodukte von Grenzkontrollen und Tracking-Vorgaben verschont. Für deutsche Verlage wie Springer, Burda oder Bertelsmann bedeutet das: Der Import ausländischer Druckerzeugnisse bleibt unkompliziert.

Baugewerbe atmet auf: Vereinfachte Erklärungen statt Einzelnachweise

Das Baugewerbe erhielt zwar keine vollständige Ausnahme wie die Verlage, sicherte sich aber entscheidende Erleichterungen. Gerade für kleine Handwerksbetriebe – das Rückgrat der deutschen und europäischen Baubranche – wäre die ursprüngliche Regelung existenzbedrohend gewesen.

Die Vereinbarung bringt zwei zentrale Verbesserungen:

Vereinfachte Erklärungen für KMU: Kleinst- und Kleinunternehmen müssen künftig nicht mehr für jede Lieferung oder jedes Projekt eine vollständige Sorgfaltserklärung abgeben. Stattdessen genügt eine einmalige vereinfachte Erklärung. Die Logik dahinter: Ein lokaler Zimmerer oder Schreiner hat typischerweise kürzere, transparentere Lieferketten als ein multinationaler Rohstoffhändler.

Ausnahmen für Verpackung und Recyclingmaterial: Zu 100 Prozent recycelte Materialien fallen komplett aus der Verordnung – essentiell für nachhaltige Bauprojekte mit recycelter Dämmung oder Paneelen. Auch Holzverpackungen wie Paletten und Kisten, die auf Baustellen zum Transport anderer Güter dienen, sind ausgenommen.

„Das vereinfachte Verfahren ist ein Durchbruch für das Handwerk”, urteilt ein Analyst der Europäischen Bauindustrieföderation. „Es verhindert, dass die Regelung kleine Familienbetriebe unter Bergen von Papierkram begräbt, während die Kernkontrollen gegen illegalen Holzeinschlag erhalten bleiben.”

Für die deutsche Baubranche, die ohnehin unter Fachkräftemangel und steigenden Kosten leidet, ist das eine willkommene Entlastung. Große Baukonzerne wie Hochtief oder Strabag müssen zwar weiterhin detaillierte Nachweise führen, doch die 380.000 Handwerksbetriebe in Deutschland profitieren direkt von der Vereinfachung.

Strategiewechsel: Praktische Lösungen statt ideologischer Kämpfe

Die aktuelle Einigung unterscheidet sich fundamental von den gescheiterten Verhandlungen Ende 2024. Damals versuchte die Europäische Volkspartei (EVP), eine “Kein-Risiko”-Kategorie für Produzentenländer einzuführen. Lieferanten aus Niedrigrisikostaaten wären komplett von den Pflichten befreit gewesen. Dieser Vorschlag scheiterte im Dezember 2024 – Grüne und Sozialdemokraten blockierten ihn als Verwässerung der Umweltziele.

2025 wählten die Unterhändler einen anderen Ansatz: Praktische Vereinfachungen statt grundsätzlicher Änderungen am Risikoklassifizierungssystem. Indem sie gezielt risikoarme Produkte (Bücher) und besonders belastete Akteure (KMU) herausnahmen, fanden sie einen Kompromiss, der die Integrität des Gesetzes wahrt, ohne es vollständig zu blockieren.

Kann dieser Pragmatismus funktionieren? Die kommenden Monate werden zeigen, ob die IT-Systeme rechtzeitig einsatzbereit sind und ob die Mitgliedstaaten ihre Verwaltungen entsprechend aufrüsten. Zweifel bleiben – schließlich hat die EU bereits zwei selbst gesetzte Fristen gerissen.

Was jetzt zu tun ist

Die vorläufige Einigung muss noch formell vom Europaparlament und Rat verabschiedet werden – voraussichtlich noch im Dezember. Nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU werden die neuen Termine und Ausnahmen rechtskräftig.

Die Botschaft für Unternehmen ist eindeutig: Die Verordnung kommt, aber der Weg zur Compliance wurde geebnet. Firmen in der Holz- und Baubranche sollten die verlängerte Frist nutzen, um ihre Rückverfolgbarkeitssysteme zu finalisieren. Verlage können das Kapitel endlich abhaken.

Für Importeure aus Drittstaaten gilt: Wer nach 2026 Holzprodukte, Soja, Palmöl, Kakao, Kaffee oder Rindfleisch in die EU liefern will, muss künftig lückenlos nachweisen können, dass dafür keine Wälder gerodet wurden. Die Frist mag länger sein – die Anforderungen bleiben streng.

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