EU-Entwaldungsgesetz: Umsetzung erneut verschoben
02.12.2025 - 11:29:12Die Europäische Union verschiebt ihr umstrittenes Entwaldungsgesetz zum zweiten Mal. Nach der Einigung zwischen Europaparlament und Rat müssen Großunternehmen die neuen Vorschriften erst ab 30. Dezember 2026 erfüllen – ein Jahr später als ursprünglich vorgesehen. Kleine und mittlere Betriebe erhalten sogar eine Frist bis 30. Juni 2027.
Technische Probleme und die Sorge um zu hohe bürokratische Lasten zwingen Brüssel zum Aufschub. Doch während die Wirtschaft aufatmet, warnen Umweltschützer: Die EU-Wälder werden weiter ungeschützt bleiben.
Eigentlich sollte die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) bereits Ende 2024 in Kraft treten. Dann wurde sie auf 2025 verschoben. Jetzt steht fest: Auch dieser Termin ist Geschichte. Am vergangenen Dienstag bestätigte sich, was sich nach der Parlamentsabstimmung vom 26. November bereits abgezeichnet hatte: Die Umsetzung wird um ein weiteres Jahr auf Ende 2026 verschoben.
Die Entscheidung fiel mit deutlicher Mehrheit. 402 Abgeordnete stimmten für die Verzögerung, nur 250 dagegen. Einen Tag später, am 1. Dezember, nahm das Parlament seine Verhandlungsposition formal an – und die deckt sich nahezu perfekt mit dem Standpunkt des Rates vom 19. November.
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Diese Einigkeit beschleunigt nun die finalen Verhandlungsschritte erheblich. Rechtsexperten der Kanzlei Jones Day zeigten sich am Montag zuversichtlich: „Angesichts der heute erzielten Übereinstimmung erscheint es realistisch, dass die EUDR noch vor dem aktuellen Stichtag 30. Dezember 2025 geändert wird.”
Entlastung für Händler und kleine Unternehmen
Die Verschiebung kommt nicht allein. Das überarbeitete Gesetz bringt substanzielle Vereinfachungen, die europäischen Firmen die Compliance deutlich erleichtern sollen. Die wichtigste Änderung: Die Hauptlast der Datenübermittlung wird künftig vom nachgelagerten Handel genommen.
Nach den neuen Regeln muss nur noch derjenige eine vollständige Sorgfaltspflicht-Erklärung einreichen, der ein Produkt erstmals auf den EU-Markt bringt. Alle nachfolgenden Händler müssen lediglich die Referenznummer dieser Erstmeldung angeben. Das reduziert den digitalen Papierkrieg drastisch.
Für Kleinst- und Kleinunternehmen geht die Erleichterung noch weiter. Sie dürfen künftig eine einmalige vereinfachte Erklärung abgeben, statt für jede einzelne Lieferung neu zu dokumentieren – zumindest solange sich ihr Risikoprofil nicht ändert. Diese Maßnahme reagiert direkt auf die Klagen der Wirtschaftsverbände, die das ganze Jahr über vor „unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand” warnten.
IT-Systeme nicht rechtzeitig einsatzbereit
Warum die erneute Verzögerung? Die technische Infrastruktur ist schlicht nicht fertig. Berichte von Ende November offenbarten, dass die EU-Datenplattform zur Verarbeitung von Millionen Sorgfaltspflicht-Erklärungen noch nicht robust genug ist, um das erwartete Volumen zu bewältigen.
Als Konsequenz hat das Parlament die EU-Kommission verpflichtet, bis zum 30. April 2026 eine Vereinfachungsprüfung durchzuführen. Diese Evaluation soll die tatsächlichen Auswirkungen und die praktische Umsetzbarkeit der Verordnung untersuchen – noch bevor der neue Stichtag Ende 2026 greift. Nach Angaben von ESG Today könnte diese Prüfung weitere gesetzgeberische Anpassungen nach sich ziehen, falls sich das bürokratische Gewicht als unverhältnismäßig erweist.
Die Kommission hatte sich zunächst gegen eine zweite Verschiebung gesträubt und im Oktober lediglich eine begrenzte Schonfrist vorgeschlagen. Doch unter massivem Druck der Mitgliedstaaten und Handelspartner, die vor Lieferkettenstörungen warnten, gab Brüssel schließlich nach.
Wirtschaft erleichtert, Umweltschützer empört
Die Reaktionen fallen erwartbar gespalten aus. Wirtschaftsverbände – vor allem aus der Forst-, Kaffee- und Kakaoindustrie – zeigten sich erleichtert. Die Papier- und Zellstoffindustrie betonte laut Midland Paper am Montag, dass die zusätzliche Zeit entscheidend sei, um funktionierende Rückverfolgungssysteme aufzubauen, die den Handel nicht zum Erliegen bringen.
Umwelt-NGOs hingegen laufen Sturm. Bereits am 26. November verurteilte die Umweltorganisation Earthsight die Abstimmung als „Aufweichung” lebenswichtiger Schutzmaßnahmen. „EU-Parlamentarier haben erneut beschlossen, den Waldschutz auf Pause zu setzen”, kritisierte Fyfe Strachan, Leiterin Politik und Kommunikation bei Earthsight.
Die Umweltlobby befürchtet, dass die aufeinanderfolgenden Verzögerungen und neuen „Vereinfachungs-Schlupflöcher” – etwa Ausnahmen für bestimmte Händler – die Verordnung wirkungslos machen könnten, bevor sie überhaupt greift. Organisationen wie Fern und WWF warnen vor einem „Tod durch tausend Schnitte”: Produkte aus Entwaldungsgebieten könnten noch zwei weitere Jahre ungehindert in die EU fließen.
Die nächsten Wochen werden entscheidend
Nachdem sich Parlament und Rat nun im Wesentlichen einig sind, dürfte der finale Gesetzgebungsprozess zügig ablaufen. Die informellen „Trilog”-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission sollen schnell abgeschlossen werden, damit die Änderungsverordnung noch vor dem 30. Dezember 2025 im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden kann.
Scheitert die Veröffentlichung bis zu diesem Datum, träte automatisch die ursprüngliche Fassung von 2025 in Kraft – und stürzte Unternehmen in ein rechtliches Chaos. Doch angesichts des diese Woche gemeldeten politischen Konsenses können Marktteilnehmer davon ausgehen, dass der Dezember-2026-Termin binnen Tagen formalisiert wird.
Unternehmen sollten das zusätzliche Jahr allerdings nicht als Atempause missverstehen. Experten raten dringend, die Zeit zu nutzen, um Geodaten-Erfassung und Lieferketten-Kartierung zu verfeinern. Denn die Kernforderung bleibt bestehen: Jedes Produkt muss seine „entwaldungsfreie” Herkunft nachweisen können.
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