AI-Gesetz, Omnibus-Verordnung

EU AI-Gesetz: Neue Omnibus-Verordnung könnte Fristen verschieben

01.12.2025 - 17:20:12

Die EU-Kommission sorgt für Unruhe bei Unternehmen und Rechtsexperten: Eine neue Gesetzesinitiative stellt den gesamten Zeitplan für die Umsetzung des AI Act infrage. Was bedeutet das für betroffene Firmen?

Seit August 2024 gilt das EU-Gesetz über Künstliche Intelligenz. Doch ein Vorschlag der Kommission vom November 2025 droht nun, die Compliance-Fristen für Hochrisiko-KI-Systeme um mehr als ein Jahr nach hinten zu verschieben. Die sogenannte “Digital Omnibus”-Verordnung könnte das Inkrafttreten zentraler Bestimmungen komplett neu regeln.

Die Folge: Unternehmen wissen nicht mehr genau, wann sie ihre Systeme anpassen müssen. Der ursprünglich für August 2026 geplante Stichtag steht zur Disposition – und das nur wenige Monate vor dem eigentlichen Termin.

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Die internationale Anwaltskanzlei Taylor Wessing warnt in einer Analyse vom 1. Dezember 2025: Die Kommission habe das ursprünglich klar terminierte Datum “in Zweifel gezogen”. Der am 19. November 2025 vorgelegte Omnibus-Vorschlag enthält einen Mechanismus, der die Compliance-Pflicht von einem fixen Kalenderdatum entkoppelt.

Künftig soll die Frist erst laufen, wenn harmonisierte technische Standards offiziell verfügbar sind. Ab diesem Zeitpunkt hätten Unternehmen dann 16 Monate Zeit zur Umsetzung. Diese Änderung trägt der Kritik aus der Industrie Rechnung: Die von Normungsgremien wie CEN und CENELEC entwickelten technischen Standards würden nicht rechtzeitig fertig.

Doch was heißt das konkret für betroffene Firmen?

Neue Stichtage im Überblick

Falls der Digital Omnibus in der aktuellen Form angenommen wird, verschiebt sich einiges. Rechtsanalysen der Kanzleien Cooley und Latham & Watkins vom November 2025 listen folgende neue Fristen auf:

Annex-III-Systeme (etwa KI für Personalwesen, Kreditscoring oder Biometrie): Die Frist könnte bis 2. Dezember 2027 verlängert werden – statt August 2026.

Annex-I-Systeme (KI in regulierten Produkten wie Medizingeräten oder Maschinen): Hier wird die Compliance möglicherweise bis 2. August 2028 aufgeschoben.

Transparenzpflichten für generative KI: Anbieter bereits verfügbarer General-Purpose-Modelle bekämen eine Schonfrist bis 2. Februar 2027 für Transparenzanforderungen wie das Wasserzeichen-Kennzeichnen von KI-generierten Inhalten.

Trotz dieser potenziellen Aufschübe mahnen Experten zur Vorsicht. Taylor Wessing betont: “Für jedes Unternehmen, das Hochrisiko-KI-Systeme einsetzt oder bereitstellt… ist dies keine Übung mehr.” Der Omnibus-Vorschlag muss erst Parlament und Rat passieren – bis dahin gilt rechtlich weiterhin der August-2026-Termin.

GPAI-Verhaltenskodex bereits aktiv

Während Hochrisiko-KI im Ungewissen schwebt, läuft die Regulierung für General-Purpose AI (GPAI) bereits. Der am 10. Juli 2025 finalisierte und seit 2. August 2025 gültige GPAI Code of Practice dient Modellanbietern als zentrale Compliance-Richtlinie.

Dieser Verhaltenskodex entstand nach einer Konsultationsphase im Frühjahr 2025 und bietet einen “Safe Harbor” – wer sich daran hält, gilt als regelkonform. Anders als bei Hochrisiko-Systemen stehen hier die Standards fest und die Pflichten sind bereits aktiv.

Allerdings plant auch hier der Omnibus-Vorschlag Anpassungen: Die Aufsicht über GPAI-Modelle soll zentralisiert und beim AI Office gebündelt werden, um Fragmentierung zwischen Mitgliedstaaten zu reduzieren.

Deutschland prescht vor

Parallel zu den EU-Unsicherheiten treibt die Bundesregierung die nationale Umsetzung voran. Anfang Dezember 2025 durchläuft das KI-Gesetz-Durchführungsgesetz noch das Gesetzgebungsverfahren.

Ein Entwurf des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr vom September 2025 sieht die Bundesnetzagentur als zentrale Marktüberwachungsbehörde vor. Zusätzlich soll ein “Marktüberwachungs-Strategieausschuss” verschiedene Fachaufsichten (etwa BaFin für Finanzen, BfArM für Medizinprodukte) koordinieren.

Trotz politischer Turbulenzen in Berlin laufen die Vorbereitungen: Die Bundesnetzagentur hat bereits ein AI Service Desk eingerichtet – eine zentrale Anlaufstelle für Unternehmen mit Fragen zur Umsetzung.

Was Unternehmen jetzt tun sollten

Die kommenden Monate werden entscheidend. Der Digital Omnibus muss Parlament und Rat passieren – angesichts der Dringlichkeit rechnen Beobachter mit einem beschleunigten Verfahren.

Rechtsexperten raten zu einer Doppelstrategie: Unternehmen sollten sich weiterhin auf den ursprünglichen August-2026-Termin vorbereiten, um keine Compliance-Lücken zu riskieren. Gleichzeitig müssen sie flexibel bleiben, falls Anfang 2026 die verlängerten Fristen bestätigt werden.

Kann die EU diesen regulatorischen Drahtseilakt meistern? Unternehmen bleibt vorerst nur, mit der Unsicherheit zu leben – und sich auf alle Szenarien vorzubereiten.

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