EEL-Reform, Betriebsräte

EEL-Reform: Betriebsräte müssen bis Neujahr über Gesundheitsdaten wachen

22.12.2025 - 05:50:12

Ab 1. Januar 2026 erhalten Arbeitgeber Krankendaten automatisch – ohne vorherige Anfrage. Diese Kehrtwende im Elektronischen Entgeltersatzverfahren (EEL) löst sofortige Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte aus. In der letzten Arbeitswoche des Jahres drängt die Zeit für datenschutzkonforme Umsetzung.

Bisher mussten Personalabteilungen aktiv nachfragen, wann Krankengeld oder Mutterschaftsgeld enden. Das ändert sich mit dem neuen Jahr grundlegend. Krankenkassen werden die Informationen dann automatisch und vorab mit dem neuen Meldegrund 62 übermitteln, sobald die letzte Zahlung an den Arbeitnehmer erfolgt ist.

„Die proaktive Lieferung von Gesundheitsdaten verändert die Qualität des Datenflusses fundamental“, erklären Branchenkenner. Arbeitgeber erhalten sensible Dauerdaten nun ohne konkrete Einzelfall-Anfrage. Die manuelle Abfrage bleibt zwar für Ausnahmefälle technisch möglich, der automatisierte Meldegrund 62 wird jedoch zum Standard. Alle zertifizierten Lohnsysteme wie SAP HCM oder DATEV müssen dafür auf Datensatzversion 13 aktualisiert sein.

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Mitbestimmung im Endspurt

Die Einführung der neuen Software-Module fällt unter § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Diese Vorschrift regelt die Einführung technischer Einrichtungen, die zur Überwachung von Verhalten oder Leistung der Beschäftigten geeignet sind. Rechtsexperten warnen: Die automatisierte Verarbeitung von krankheitsbedingten Abwesenheiten stellt eine signifikante Änderung im Umgang mit Personendaten dar.

Betriebsräte haben in den verbleibenden Tagen ein knappes Zeitfenster, um ihre Rechte wahrzunehmen. Sie müssen sicherstellen, dass die eingehenden proaktiven Daten nur für autorisierte Payroll-Spezialisten sichtbar sind – nicht aber für disziplinarische Vorgesetzte. Diese könnten sonst anhand der Enddaten Rückkehrtermine vorhersagen. Zudem müssen ungültige Meldungen umgehend gelöscht werden.

Neue Datenkategorien erfordern klare Regeln

Die Reform 2026 führt auch neue spezifische Datenfelder ein, die betriebsrättliche Prüfung erfordern. Besonders sensibel ist der erweiterte Datenaustausch beim Kinderkrankengeld.

Ein kritischer Fall: Wird ein Elternteil zusammen mit einem behinderten Kind stationär im Krankenhaus aufgenommen, gilt keine maximale Bezugsdauer. Die neuen EEL-Datensätze unterscheiden diese Szenarien nun klarer. Für Betriebsräte ist diese Unterscheidung entscheidend. Strikte Vereinbarungen müssen verhindern, dass diese spezifischen „stationären Aufnahmedaten“ zur Erstellung negativer Leistungsprofile für betroffene Mitarbeiter genutzt werden. Die Ende 2025 aktualisierten Gemeinsamen Grundsätze betonen, dass diese Daten strikt der Lohnabrechnung dienen.

Digitalisierung als zweischneidiges Schwert

Die EEL-Reformen sind Teil einer größeren Digitalisierungswelle in der deutschen Arbeitsverwaltung. Die Automatisierung soll Bürokratie abbauen, indem sie die Suche nach Enddaten überflüssig macht. Gleichzeitig verlagert sie die Last der Datengovernance auf die IT-Systeme der Unternehmen.

„Die Automatisierung des Meldeverfahrens ist ein zweischneidiges Schwert“, heißt es in einem Kommentar zur Digitalstrategie. „Sie steigert die Effizienz in der Lohnbuchhaltung, beseitigt aber den ‚menschlichen Filter‘, der bisher bestand, als ein Sachbearbeiter bewusst entschied, einen Datensatz abzufragen.“

Das ist jetzt zu tun

Bis zum Stichtag am 1. Januar 2026 sollten Betriebsräte und Personalabteilungen vier Schritte umsetzen:

  1. Software-Readiness prüfen: Bestätigen, dass das Lohnsystem auf Datensatzversion 13 aktualisiert ist.
  2. IT-Vereinbarungen anpassen: Bestehende IT-Rahmenbetriebsvereinbarungen müssen den „proaktiven“ Empfang von Gesundheitsdaten abdecken.
  3. Zugriffsrechte definieren: Klären, wer Lesezugriff auf den neuen automatischen Posteingang für EEL-Meldungen hat.
  4. Prozess etablieren: Ein Review-Verfahren für das erste Quartal 2026 vereinbaren, um die korrekte Funktion der automatischen Meldungen zu überwachen.

Die technischen Spezifikationen des GKV-Spitzenverbands sind seit dem 20. Dezember final. Die Herausforderung der verbleibenden Tage liegt nicht mehr in der Definition, sondern in der rechtskonformen betrieblichen Umsetzung.

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