Digital-BetrVG, Unions

Digital-BetrVG: Unions fordern KI-Kontrolle – Arbeitgeber warnen vor Wachstumsbremse

29.11.2025 - 22:30:12

Die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes steht kurz bevor. Nach dem Deutschen Arbeitgebertag verschärft sich der Streit um digitale Zugangsrechte und Mitbestimmung bei Künstlicher Intelligenz – während Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) unter Druck steht, konkrete Garantien zu liefern.

Die Fronten sind klar: Gewerkschaften und Betriebsräte pochen auf gesetzlich verankerte Rechte für den digitalen Zugang zu Unternehmensnetzwerken und die Kontrolle von KI-Systemen. Die Arbeitgeber konterten beim Arbeitgebertag am 25. November mit ihrer Kampagne „Kein Wachstum, kein Deutschland” – und warnen vor einem Bürokratiemonster, das Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit gefährde.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) betonte zwar „mutige Reformen” zur Stärkung der Wirtschaft. Doch die entscheidenden Streitpunkte bleiben innerhalb der CDU/SPD-Koalition ungeklärt. Die Einführung des Gesetzespakets im Bundestag vor der Winterpause dürfte hitzig werden.

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Den Anstoß für die Dringlichkeit der Reform gab ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Januar 2025. Die Richter stellten klar: Gewerkschaften haben nach geltender Rechtslage keinen unbedingten Anspruch darauf, digitale Unternehmensinfrastruktur – Intranets, E-Mail-Verteiler oder Messenger-Dienste – für ihre Organisationsarbeit zu nutzen, selbst wenn es um legitime gewerkschaftliche Aktivitäten geht.

„Das Januar-Urteil hat eine digitale Barriere geschaffen, die der Realität hybrider Arbeitswelten nicht gerecht wird”, erklärte ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) am Freitag.

Das geplante „Digital-BetrVG” soll digitale Zugangsrechte analog zum traditionellen Zugang zu Betriebsgelände kodifizieren. Doch anders als zunächst von Gewerkschaften gefordert, setzt der aktuelle Entwurf auf „gleichwertige” digitale Präsenz statt unbeschränkten Zugriff. Ein entscheidender Unterschied: Arbeitgeber müssen Zugang zu digitalen Kommunikationskanälen gewähren, dürfen aber angemessene Einschränkungen zum Schutz von Betriebsgeheimnissen und Netzwerksicherheit vornehmen. Ein Kompromiss, der die wirtschaftsfreundlichen Kräfte der Koalition an Bord halten soll.

KI-Mitbestimmung: Information ja, Veto nein

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz in Personalverwaltung und Workflow-Überwachung ist der zweite große Reibungspunkt. Nach einem Bundesratsbeschluss vom Juli 2025, der eine Modernisierung der Mitbestimmungsrechte bei KI forderte, arbeitet die Regierung an einer Klarstellung der Beteiligungsrechte von Betriebsräten.

Rechtsexperten weisen darauf hin: Die Reform soll zwar Informations- und Konsultationsrechte nach § 80 und § 90 BetrVG stärken, bleibt aber deutlich hinter einem „Initiativrecht” oder Vetorecht bei der Einführung von KI-Systemen zurück. Im Fokus steht die rechtzeitige Information der Arbeitnehmervertretung, um Einfluss auf den Einsatz von KI-Tools zu nehmen – besonders bei Datenschutz und Leistungsüberwachung.

„Wir brauchen einen Rahmen, in dem Innovation nicht durch Bürokratie erstickt wird, Beschäftigte aber auch nicht zu algorithmischen Variablen degradiert werden”, sagte Kanzler Merz diese Woche bei einer Podiumsdiskussion. Ein Balanceakt zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Sozialpartnerschaft.

Arbeitgeber: „Keine Fesseln für jeden Software-Update”

Die Wirtschaft bleibt skeptisch. BDA-Präsident Rainer Dulger warnte beim Deutschen Arbeitgebertag im Berliner Congress Center eindringlich davor, das BetrVG zu einem „Bürokratiemonster” aufzublähen. Digitale Modernisierung sei nötig, doch erweiterte Mitbestimmungsrechte verlangsamten Entscheidungsprozesse, die für agile Unternehmen essentiell seien.

„Wenn wir an die Spitze der europäischen Wirtschaftsliga zurückkehren wollen, können wir unsere Unternehmen nicht mit neuen Konsultationspflichten für jedes Software-Update fesseln”, richtete Dulger seine Worte direkt an die anwesenden Minister Bas und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU).

Kann Deutschland Innovation und Mitbestimmung unter einen Hut bringen? Die Arbeitgeber zweifeln – und fürchten um ihre internationale Wettbewerbsposition.

Was auf Unternehmen zukommt

Die formale Einbringung des „Digital-BetrVG” im Bundestag wird vor der Winterpause erwartet. Politikbeobachter rechnen mit heftigen Debatten, insbesondere zur technischen Umsetzung der digitalen Gewerkschaftszugangsrechte.

Für Unternehmen bedeutet das: Ab 2026 dürften erhöhte Transparenzanforderungen bei KI und digitalen Tools kommen. Arbeitsrechtler empfehlen HR-Abteilungen bereits jetzt, bestehende Vereinbarungen zu IT-Systemen zu prüfen und sich auf formalisierte Konsultationsverfahren vorzubereiten.

„Die Ära der rein analogen Mitbestimmung endet”, stellte Arbeitsrechtler Dr. Schmidt am Donnerstag fest. „Die Frage ist nicht mehr ob sich das Gesetz ändert, sondern wie schnell sich Unternehmen auf den neuen digitaleren Standard einstellen können.”

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