DGB-Index, Achtstundentag

DGB-Index 2025: 72 Prozent fordern Achtstundentag zurück

05.12.2025 - 16:30:12

Die deutsche Arbeitswelt steht am Scheideweg: Mit deutlichen Zahlen belegt der Deutsche Gewerkschaftsbund in seinem gestern vorgestellten “Index Gute Arbeit 2025”, dass die bisherigen Gefährdungsbeurteilungen zur Arbeitsbelastung dringend überdacht werden müssen. 72 Prozent aller Beschäftigten verlangen eine strikte Obergrenze von acht Arbeitsstunden täglich. Noch alarmierender: 60 Prozent geben an, ihre Aufgaben innerhalb der vertraglich vereinbarten Zeit überhaupt nicht bewältigen zu können.

Für Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Personalabteilungen bedeutet das: Die Gefährdungsbeurteilung muss dringend neu kalibriert werden – insbesondere bei psychischer Belastung und organisatorischen Stressfaktoren.

Die Präsentation des DGB-Index am gestrigen Donnerstag in Berlin hat die Debatte um das deutsche Arbeitszeitgesetz neu entfacht. Während Wirtschaftsverbände regelmäßig mehr Flexibilität beim Überschreiten der täglichen Acht-Stunden-Grenze fordern, sprechen die neuen Daten eine andere Sprache.

Anzeige

Passend zum Thema Gefährdungsbeurteilung: Wenn 60 Prozent der Beschäftigten ihr Arbeitspensum nicht in der vorgesehenen Zeit schaffen, ist schnelles Handeln gefragt. Ein kostenloser Leitfaden mit vorgefertigten Gefährdungsbeurteilungs‑Vorlagen und Checklisten hilft Sicherheitsfachkräften und Personalverantwortlichen, rechtssichere GBU zu erstellen und typische Fehler zu vermeiden – praxisnah und sofort einsetzbar. Erklärt außerdem, worauf Aufsichtsbehörden besonders achten. Jetzt GBU‑Vorlagen & Checklisten herunterladen

Die Zahlen sind eindeutig: 98 Prozent der befragten Arbeitnehmer lehnen eine tägliche Arbeitszeit von mehr als zehn Stunden kategorisch ab. Drei Viertel der Beschäftigten sehen in maximal acht Stunden die Obergrenze für Gesundheit und Work-Life-Balance.

“Menschen sind keine Maschinen, die man per Knopfdruck einfach länger laufen lassen kann”, warnte DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi bei der Vorstellung und appellierte an die Bundesregierung, bestehende Schutzgesetze nicht aufzuweichen. Für Unternehmen bedeutet das: Arbeitszeiten sind kein reines Compliance-Thema mehr, sondern ein zentraler Faktor in der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen.

Wenn das Pensum zur Gesundheitsgefahr wird

Besonders brisant: Die Kluft zwischen zugewiesenen Aufgaben und verfügbarer Zeit wird immer größer. 60 Prozent der Beschäftigten fühlen sich außerstande, ihr Arbeitspensum innerhalb der geplanten Zeit zu bewältigen.

Diese “Arbeitsverdichtung” ist der kritische Faktor für moderne Gefährdungsbeurteilungen. Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Arbeitgeber zur Bewertung von Gefährdungen durch “Arbeitsorganisation”. Die DGB-Zahlen legen nahe: Für die Mehrheit der Beschäftigten ist die Arbeitsorganisation selbst – konkret das Verhältnis von Aufgabenvolumen zu verfügbarer Zeit – zur primären Gesundheitsgefahr geworden.

Experten für Arbeitssicherheit argumentieren: Eine Gefährdungsbeurteilung, die diese Diskrepanz ignoriert, ist unvollständig. Wenn 60 Prozent der Belegschaft ihre Arbeit nicht ohne Hetze oder Überstunden schaffen, muss die Gefährdungsbeurteilung “unrealistische Zeitvorgaben” als Gefährdung identifizieren und Gegenmaßnahmen einleiten. Das entspricht den Leitlinien der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), die chronischen Zeitdruck als Hauptstressor mit langfristigen Gesundheitsfolgen einstuft.

BAuA liefert wissenschaftliche Grundlage

Passend zu den DGB-Erkenntnissen hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Anfang dieser Woche neues Datenmaterial veröffentlicht. Am 1. Dezember stellte das Forschungsdatenzentrum der BAuA den Datensatz der Arbeitszeitbefragung 2023 zur Verfügung – mit Antworten von 11.000 Befragten.

Diese Daten sollen den Zusammenhang zwischen langen Arbeitszeiten und Gesundheitsrisiken weiter untermauern und liefern die wissenschaftliche Basis für die politischen Forderungen des DGB.

Neue Technische Regeln verschärfen Anforderungen

Parallel müssen sich Unternehmen auf konkrete regulatorische Änderungen im Jahr 2025 einstellen, die auch physische Gefährdungsbeurteilungen betreffen. Aktualisierte Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR) treten in Kraft – speziell zu Brandschutz und Fluchtwegenbreiten (ASR A2.3).

Die neuen Vorschriften, die diese Woche in Fachkreisen diskutiert wurden, verschärfen die Anforderungen an Fluchtwegbreiten und Notbeleuchtung in Großraumbüros und Industriehallen.

Fachkräfte für Arbeitssicherheit sollten den Jahreswechsel nutzen, um ihre Gefährdungsbeurteilungen anhand dieser neuen “Impulse” zu überprüfen:

  • Arbeitsbelastung prüfen: Bildet die Beurteilung die Realität der Aufgabenbewältigung ab?
  • Arbeitszeiten kontrollieren: Verbergen sich hinter “Vertrauensarbeitszeit” exzessive Überstunden, die die Zehnstundengrenze verletzen?
  • Physische Sicherheit checken: Entsprechen Fluchtwege den kommenden ASR-2025-Standards?

Das Entgrenzungs-Problem

Die zeitgleiche Veröffentlichung von DGB-Index und BAuA-Daten zeigt einen wachsenden Konsens: Die “Entgrenzung” der Arbeit ist die zentrale Arbeitsschutz-Herausforderung der Mitte der 2020er Jahre.

Während sich frühere Jahrzehnte stark auf physische Unfälle konzentrierten, dominiert die 2025er-Agenda für Gefährdungsbeurteilungen die unsichtbaren Risiken von Verfügbarkeit und Arbeitsverdichtung. Die Tatsache, dass 63 Prozent der Beschäftigten in der DGB-Umfrage “starre Betriebsabläufe” als Hindernis für gesündere Arbeitszeiten nannten, zeigt: Flexibilität ist oft eine Einbahnstraße – sie nützt dem Output-Bedarf des Arbeitgebers, nicht dem Erholungsbedürfnis der Beschäftigten.

Beobachter werten die offensive DGB-Positionierung als präventiven Schlag gegen mögliche Deregulierungspläne der Regierung. Indem die Gewerkschaften den Achtstundentag als Arbeitsschutzthema (gestützt auf die Logik der Gefährdungsbeurteilung) und nicht nur als Tarifthema framen, nutzen sie das Arbeitsschutzgesetz, um Personalstände durchzusetzen, die zur Arbeitsrealität passen.

Was jetzt kommt

Für Anfang 2025 ist eine Welle aktualisierter Leitfäden von Unfallversicherungsträgern (DGUV) und der BAuA zu erwarten, die Unternehmen helfen sollen, diese Erkenntnisse in ihre Arbeitsschutzsysteme zu integrieren. Der DGB hat signalisiert, die Daten für strengere Anti-Stress-Regelungen nutzen zu wollen – eine langjährige Forderung, die mit jedem Bericht über steigende Burnout-Raten an Gewicht gewinnt.

Für Arbeitgeber ist der unmittelbare Handlungsbedarf klar: Gefährdungsbeurteilungen müssen aktualisiert werden, um Beschäftigte explizit nach der Machbarkeit ihrer Arbeitslast zu fragen. Das “60-Prozent-Signal” zu ignorieren könnte nicht nur zu rechtlichen Compliance-Problemen führen, sondern auch die Talentekrise auf einem ohnehin angespannten Arbeitsmarkt weiter verschärfen.

Anzeige

PS: Sie wollen Überlastungen verbindlich dokumentieren und rechtlich absichern? Das Gratis-Download‑Paket bietet Muster‑Überlastungsanzeigen, Excel‑Tools zur Bewertung psychischer Belastungen und 7 Sofort‑Tipps, mit denen Sicherheitsfachkräfte Überlastungsgefahren frühzeitig erkennen und Gegenmaßnahmen einleiten können. Ideal für Sifas und Arbeitsschutz‑Verantwortliche, die Gefährdungsbeurteilungen nach §5 ArbSchG praktisch umsetzen möchten. Jetzt Überlastungsanzeige & Vorlagen sichern

@ boerse-global.de