CBAM: EU entlastet 90 Prozent der Importeure radikal
05.12.2025 - 02:22:11Die EU vereinfacht den CO?-Grenzausgleich drastisch durch eine neue 50-Tonnen-Schwelle, entlastet damit den Mittelstand und verschiebt finanzielle Pflichten auf 2027.
Weniger als vier Wochen bleiben noch, bis am 1. Januar 2026 die definitive Phase des CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) beginnt. Doch nun vollzieht die Europäische Union eine drastische Kehrtwende: Eine “radikale Vereinfachung” der Regeln befreit künftig fast 90 Prozent aller betroffenen Importeure von den komplizierten Pflichten. Die diese Woche veröffentlichten Leitlinien markieren einen Wendepunkt in Brüssels Klimaschutz-Handelspolitik.
Jahrelang hatten vor allem kleine und mittlere Unternehmen über die bürokratische Last geklagt. Nun reagiert die Kommission – und zwar drastisch. Die Vereinfachung richtet sich gezielt an jene Firmen, die nur geringe Mengen klimarelevanter Güter einführen. Gleichzeitig verschärft Brüssel aber die Kontrollen gegen Umgehungsversuche. Ein Balanceakt mit weitreichenden Folgen.
50-Tonnen-Schwelle: Der große Befreiungsschlag
Das Herzstück der Reform ist eine neue Bagatellgrenze von 50 Tonnen pro Jahr. Unternehmen, die weniger als diese Menge an CBAM-pflichtigen Waren – Eisen, Stahl, Aluminium, Zement und Düngemittel – importieren, sind von sämtlichen CBAM-Pflichten vollständig befreit.
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Diese Regelung ersetzt die bisherige, kaum praxistaugliche Grenze von 150 Euro pro Sendung, die bei kleinen Betrieben für einen enormen Verwaltungsaufwand gesorgt hatte. Nach Angaben der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) fallen durch diese einzelne Änderung rund 90 Prozent der zuvor betroffenen Firmen aus dem System heraus – überwiegend kleine und mittelständische Betriebe.
Entscheidend dabei: Die EU-Kommission schätzt, dass trotzdem 99 Prozent der importierten Emissionen weiterhin erfasst werden. Wie ist das möglich? Die wenige verbliebenen Großimporteure bringen den Löwenanteil der Tonnage ins Land. Die Umweltintegrität des Mechanismus bleibt also gewahrt, während die administrative Last dramatisch sinkt.
“Für kleine Unternehmen kommt diese Reform einem Befreiungsschlag gleich”, konstatierten Branchenanalysten diese Woche. “Firmen mit geringen Importmengen sind ab 2026 komplett CBAM-frei.”
Wichtig: Die Ausnahme gilt nicht für Strom- und Wasserstoffimporte. Diese bleiben wegen ihrer besonderen Marktstrukturen unter strengerer Beobachtung.
Zeitplan gestreckt: Erste Zahlung erst 2027
Neben der Mengenschwelle hat die EU auch den Compliance-Zeitplan deutlich entschärft – eine direkte Reaktion auf Warnungen vor einem administrativen Kollaps Anfang 2026.
Die wichtigsten Änderungen im Überblick:
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Zertifikatsverkauf verschoben: Der ursprünglich für Januar 2026 geplante Start des Zertifikatshandels wurde auf den 1. Februar 2027 verlegt. Unternehmen gewinnen so ein zusätzliches Jahr zur Vorbereitung ihrer Finanzsysteme.
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Meldestichtag verlegt: Die Frist für die jährliche CBAM-Erklärung wandert permanent vom 31. Mai auf den 30. September des Folgejahres. Die ersten definitiven Meldungen für Importe aus 2026 sind also erst am 30. September 2027 fällig.
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Liquiditätsanforderungen halbiert: Statt quartalsweise Zertifikate für 80 Prozent ihrer Emissionen vorhalten zu müssen, reichen künftig 50 Prozent. Das entlastet die Liquidität erheblich.
Harte Linie gegen Tricksereien: Default-Werte als Strafe
Während Brüssel die ehrlichen Kleinen entlastet, zieht die EU gleichzeitig die Daumenschrauben gegen Umgehungsversuche an. In einer gestern bekannt gewordenen Entwicklung plant die Kommission strikte Maßnahmen gegen Länder, die CBAM-Abgaben zu umgehen versuchen.
Laut einem Bericht von Carbon Pulse vom 4. Dezember sollen Unternehmen aus Staaten, in denen “signifikante CBAM-Umgehung festgestellt wird”, künftig gezwungen werden, mit pauschalen länderspezifischen Emissionswerten zu arbeiten – statt mit ihren tatsächlichen Daten. Diese Strafmaßnahme soll verhindern, dass Exporteure in nicht-konformen Ländern falsch niedrige CO₂-Intensitäten angeben, um ihre Abgabenlast zu drücken.
Die Botschaft ist klar: Wer beim Mogeln erwischt wird, zahlt den Höchstsatz. Während die administrative Tür für KMU weit aufgestoßen wird, fällt das Schloss gegen Carbon Leakage und Betrug ins Schloss.
Klippen-Effekt: Vorsicht bei wachsenden Unternehmen
Die neue 50-Tonnen-Grenze birgt allerdings eine Tücke. Wie die am 4. Dezember veröffentlichten Leitlinien klarstellen, gilt die Befreiung nur, solange man das gesamte Jahr unter der Schwelle bleibt. Überschreitet ein Unternehmen die 50 Tonnen zu irgendeinem Zeitpunkt im Jahr, werden rückwirkend alle Importe dieses Jahres CBAM-pflichtig.
Dieser “Klippen-Effekt” stellt ein Risiko für expandierende Betriebe dar, die knapp unterhalb der Grenze operieren. Wer im November plötzlich die 51. Tonne importiert, muss nachträglich für Januar bis Oktober nachmelden – und zwar komplett.
“Unternehmen nahe der Schwelle sollten ihre Jahresplanung sehr genau im Blick behalten”, warnen Compliance-Experten. “Ein unerwarteter Großauftrag kann die gesamte Jahresplanung über den Haufen werfen.”
Was jetzt zu tun ist: Die nächsten drei Wochen zählen
Mit dem Start der definitiven Phase am 1. Januar 2026 läuft die Zeit. Importeure sollten jetzt drei Schritte priorisieren:
1. Volumen checken: Werden Sie 2026 mehr als 50 Tonnen Stahl, Aluminium, Zement oder Dünger importieren? Falls nein, sind Sie frei. Falls ja, weiter zu Punkt 2.
2. Status beantragen: Unternehmen über der Schwelle müssen den Status als “Autorisierter CBAM-Erklärungspflichtiger” beantragen. Zwar gibt es Schonfristen, doch wer jetzt nicht handelt, riskiert Zollverzögerungen ab Januar.
3. Lieferanten einbinden: Für alle oberhalb der Grenze wird 2026 die Pflicht zur Meldung tatsächlicher Emissionsdaten scharf geschaltet. Das bedeutet: Lieferanten aus Drittstaaten müssen verifizierte CO₂-Werte liefern. Wer nur mit Default-Werten arbeitet, zahlt deutlich mehr.
Die Verschiebung der finanziellen Pflichten auf 2027 verschafft Luft zum Atmen. Doch wie die gestern bekannt gewordenen Pläne zu Default-Werten zeigen: Die EU schließt aktiv Schlupflöcher, selbst während sie Türen für kleinere Betriebe öffnet.
Marktreaktion: Erleichterung mit Fragezeichen
In der Industrie wird die Reform unterschiedlich aufgenommen. Verbände mittelständischer Unternehmen zeigen sich erleichtert: “Endlich können wir uns wieder aufs Kerngeschäft konzentrieren”, hieß es diese Woche aus Branchenkreisen.
Umweltverbände hingegen beobachten kritisch, ob die 50-Tonnen-Grenze nicht zu Aufspaltungen von Importgeschäften führt – etwa indem große Händler ihre Einfuhren auf Tochtergesellschaften verteilen. Die angekündigten Anti-Umgehungsregeln sollen genau solche Konstruktionen verhindern.
Und die großen Industrieimporteure? Für sie ändert sich wenig – außer dass sie nun im vollen Fokus der Behörden stehen. Die Konzentration der Kontrollressourcen auf die wirklich großen Warenströme könnte die Prüfungsintensität erhöhen.
Die EU hat einen Mittelweg gewagt: Klimaambition bewahren, ohne den Mittelstand zu ersticken. Ob der Balanceakt gelingt, zeigt sich ab dem 1. Januar 2026.
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