BundID: Deutschlands schwieriger Weg zur digitalen Identität
28.11.2025 - 05:19:12Berlin – Gerade einmal 5,1 Millionen Deutsche nutzen die digitale Identität des Bundes. Während die Bundesregierung mit quantensicheren Ausweisen weltweit Maßstäbe setzt, bleibt die Akzeptanz bei den Bürgern erschreckend niedrig. Kann die angekündigte “DeutschlandID” das Ruder herumreißen?
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Bei über 84 Millionen Einwohnern erreicht das BundID-System nicht einmal sieben Prozent der Bevölkerung. Während Estland längst zum digitalen Vorreiter avancierte, kämpft Deutschland noch immer mit den Kinderkrankheiten seiner E-Government-Offensive. Doch ein Blick auf die jüngsten Entwicklungen zeigt: Die Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz setzt verstärkt auf radikale Strategiewechsel.
Die vergangene Woche brachte gleich mehrere Ankündigungen, die aufhorchen lassen. Vom Gaia-X-Gipfel in Porto bis zu neuen Daten über die digitale Verwaltung – Deutschland will den Rückstand aufholen. Die Frage bleibt: Ist es diesmal mehr als nur Ankündigungspolitik?
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Auf dem Gaia-X-Gipfel in Portugal präsentierte Staatssekretär Thomas Jarzombek am Dienstag einen bemerkenswerten Kurswechsel. Statt weiter auf Pilotprojekte zu setzen, will der Bund seine gewaltige Marktmacht als Großabnehmer nutzen. “Die Regierung wird zum Ankerkunden, der Start-ups beim Wachstum hilft”, erklärte Jarzombek.
Der Plan klingt verlockend: Künstliche Intelligenz soll komplexe Genehmigungsverfahren beschleunigen – jene berüchtigten bürokratischen Hürden, die Infrastrukturprojekte in Deutschland seit Jahren verzögern. Statt nur Forschung zu fördern, garantiert der Staat jetzt den Kauf fertiger Lösungen. Das schafft Planungssicherheit für Unternehmen und könnte endlich ein deutsches GovTech-Ökosystem entstehen lassen.
Besonders interessant: Wettbewerbe für kleine und mittlere Unternehmen sollen generative KI-Werkzeuge speziell für Kommunen hervorbringen. “Der Kern der Digitalisierung sind die Daten”, betonte Jarzombek und verwies auf die Standards von Gaia-X als Grundlage für die Interoperabilität.
Branchenexperten sehen darin einen entscheidenden Schritt. Jahrelang scheiterte die Digitalisierung der Verwaltung an fehlenden Abnehmern für innovative Lösungen. Wenn der Staat nun als verlässlicher Kunde auftritt, könnte das heimische Anbieter stärken – eine Alternative zu US-amerikanischen Hyperscalern.
Die DeutschlandID: Hoffnungsträger mit Geburtswehen
Die ernüchternde Bilanz des BundID-Systems zeigt das Kernproblem deutscher Digitalstrategie: Nur neun der 16 Bundesländer nutzen überhaupt das bundesweite Authentifizierungssystem. Der föderale Flickenteppich lebt fort, diesmal in digitaler Form.
Das Innenministerium reagiert nun mit der Weiterentwicklung zur “DeutschlandID”. Ab 2026 soll die Plattform mit der europäischen digitalen Identität (EUDI-Wallet) kompatibel sein. “Wir wollen keine Bürokratie digitalisieren”, sagte Rodrigo Passos, ein Vertreter der digitalen Transformation, auf dem Gaia-X-Gipfel. “Wir wollen mit Technologie sinnlose Schritte überprüfen und das Leben unserer Bürger vereinfachen.”
Doch von dieser Vision ist Deutschland noch weit entfernt. Die magere Nutzerzahl von 5,1 Millionen Konten – kaum mehr als im August – zeigt: Ohne breite Akzeptanz bleibt auch die schönste digitale Infrastruktur wertlos. Das Versprechen des “One-Stop-Shops”, bei dem Bürger alle Behördengänge online erledigen können, hängt direkt an der Verbreitung der digitalen Identität.
Kann die geplante Zentralisierung die Wende bringen? Ein konkreter Zeitplan für den vollständigen Umstieg fehlt bislang. Die Bundesregierung steht unter Druck, ihre ambitionierten Pläne mit messbaren Ergebnissen zu unterfüttern.
Quantensichere Ausweise: Deutschland als Pionier
Während die Bürgerservices hinterherhinken, setzt Deutschland bei der Sicherheit Maßstäbe. Als weltweit erstes Land hat die Bundesrepublik quantenresistente Personalausweise eingeführt – ein Meilenstein, der international für Aufsehen sorgt.
Entwickelt in Partnerschaft mit der Bundesdruckerei und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), nutzen die neuen Ausweise Post-Quanten-Kryptografie. Die Technologie schützt vor einer Bedrohung, die heute noch theoretisch erscheint: dem “Q-Day”, an dem Quantencomputer die heutigen Verschlüsselungsstandards knacken können.
“Deutschland handelt proaktiv”, loben Cybersicherheitsexperten. “Die Implementierung der Post-Quanten-Kryptografie macht die Identitäten von Millionen Bürgern zukunftssicher – gegen Entschlüsselungstechnologien, die es vielleicht erst in zehn Jahren gibt.”
Der Zeitpunkt ist strategisch gewählt: Während die USA 2025 ihre REAL-ID-Standards durchsetzen, positioniert sich Deutschland als technologischer Vorreiter in einer globalen Debatte über sichere Identifikation.
Die BMDS-Reform: Strukturwandel mit Biss
Hinter den jüngsten Fortschritten steht eine grundlegende institutionelle Neuordnung. Das im Mai 2025 gegründete Bundesministerium für Digitales und Verwaltungsmodernisierung (BMDS) bündelt Zuständigkeiten, die zuvor auf sechs Ressorts verteilt waren.
Die entscheidende Neuerung: Das BMDS besitzt ein Vetorecht bei großen IT-Ausgaben. So kann es Interoperabilitätsstandards durchsetzen und die Entstehung neuer Datensilos verhindern. Experten führen die schnelle Einführung der KI-Genehmigungstools direkt auf diese strukturelle Reform zurück.
Auf dem EU-Gipfel zur digitalen Souveränität am 18. November in Berlin bekräftigten Kanzler Merz und die französische Regierung ihre Strategie: Weniger Abhängigkeit von außereuropäischen Technologieanbietern. Das Gaia-X-Projekt mit seiner föderierten Cloud-Infrastruktur und Open-Source-Lösungen bildet das Rückgrat dieser Vision.
Zwischen Ambition und Realität
Die Erfolge dieser Woche markieren einen Wendepunkt: Deutschland verlässt die endlose Planungsphase und wechselt in die Umsetzung. Die “Ankerkunden”-Strategie könnte tatsächlich den heimischen Tech-Sektor beleben, der bisher vergeblich auf öffentliche Aufträge wartete.
Doch die niedrigen BundID-Nutzerzahlen bleiben ein kritischer Schwachpunkt. Ohne eine weitverbreitete digitale Identität bleibt die Vision komplett digitaler Behördengänge Illusion. Die Bundesregierung muss beweisen, dass die neue Zentralisierung nicht nur Verwaltungsstrukturen, sondern auch die Akzeptanz bei den Bürgern verbessert.
Was jetzt kommt:
* Dezember 2025: Finale Spezifikationen für die DeutschlandID-Integration mit der EU-Wallet werden erwartet
* Erstes Quartal 2026: Erste “KI-genehmigte” Infrastrukturprojekte als Lackmustest der neuen Beschaffungsstrategie
* Gesetzgebung: Mögliche Anpassungen des Onlinezugangsgesetzes (OZG 3.0), um Bundesländer zur Teilnahme am zentralen ID-System zu verpflichten
Am Ende des Jahres 2025 zeigt sich Deutschlands digitale Verwaltung zweigeteilt: Weltweit führend bei Sicherheit und Infrastruktur, aber weiterhin schwach bei der Nutzerakzeptanz. Die kommenden Monate werden zeigen, ob das neue Digitalministerium diese Kluft überbrücken kann – oder ob Deutschland seine Vorreiterrolle nur auf dem Papier verteidigt.
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