Bosch-Standortverhandlungen vor Weihnachten gescheitert
22.12.2025 - 17:10:12Die Verhandlungen über den Abbau von 22.000 Stellen bei Bosch sind vor Weihnachten gescheitert. Für Tausende Beschäftigte bedeutet das Ungewissheit über die Feiertage.
In einem schweren Rückschlag für die deutsche Automobilzulieferindustrie sind die hochbrisanten Verhandlungen zwischen dem Bosch-Gesamtbetriebsrat und der Konzernführung über den geplanten Abbau von rund 22.000 Stellen vor dem Jahresende gescheitert. Frank Sell, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats, bestätigte am Montag, dass die eigentlich noch vor Weihnachten geplanten Abschlüsse nun auf Januar 2026 verschoben werden. Die Verzögerung unterstreicht die Tiefe der Kluft zwischen Arbeitnehmervertretern und Management, während das Unternehmen den historischen Umbau seiner Mobility-Sparte bewältigen muss.
Der zentrale Streitpunkt bleiben die Bedingungen für den massiven Stellenabbau in der größten Bosch-Sparte. Frank Sell bezeichnete die aktuellen Verhandlungsrunden in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) als die „schwierigsten Verhandlungen, die wir je geführt haben“.
Betriebsbedingte Kündigungen stehen an – ein Fehler bei Sozialauswahl oder Interessenausgleich kann Ihre Kolleginnen und Kollegen Tausende Euro kosten. Der kostenlose Leitfaden für Betriebsräte und Arbeitnehmer erklärt Schritt für Schritt, wie Sie faire Sozialpläne durchsetzen: Punkteschemata, Mitbestimmungsrechte, Verhandlungstaktiken und konkrete Formulierungsbeispiele. Mit sofort einsetzbaren Muster-Vorlagen sparen Sie Zeit in der Vorbereitung und erhöhen Ihre Verhandlungsstärke. Kostenlosen Sozialplan-Leitfaden herunterladen
Die Verzögerung trifft die Belegschaft hart und lässt Tausende Mitarbeiter in ungewisser Lage zurück. „Wir werden nicht wie geplant alle Verhandlungen vor Weihnachten abschließen“, so Sell. Während für kleinere Bereiche bereits Teilvereinbarungen getroffen wurden, bleiben die Gespräche über große Produktionsstandorte wie Stuttgart-Feuerbach, Homburg, Waiblingen und Bühl festgefahren. Eine Einigung werde nun „im Januar“ erwartet, so Sell. Es sei keine „Endlosgeschichte“, doch die Komplexität der Forderungen brauche mehr Zeit.
Im Kern der Blockade steht die Frage betriebsbedingter Kündigungen. Eine Vereinbarung aus dem Jahr 2023 sicherte Arbeitsplätze zwar bis Ende 2027, doch die aktuellen Umbaupläne gefährden diese Garantien. Management und Betriebsrat ringen angeblich um eine Formulierung, die Zwangsentlassungen nach 2027 nicht strikt ausschließt, sie aber als „Ultima Ratio“ definiert – als allerletztes Mittel, wenn alle anderen Alternativen ausgeschöpft sind.
22.000 Jobs im Fokus des radikalen Sparkurses
Das Ausmaß der Restrukturierung hat sich 2025 dramatisch zugespitzt. Ende 2024 war zunächst von etwa 5.500 betroffenen Stellen die Rede. Bis September 2025 hatte der Konzern dann zusätzliche Kürzungen von 13.000 Stellen angekündigt, sodass in der Mobility-Sparte nun insgesamt rund 22.000 Positionen auf dem Spiel stehen.
Dieser drastische Abbau ist Teil einer breiteren Sparstrategie, mit der jährlich 2,5 Milliarden Euro eingespart werden sollen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Wandel zur Elektromobilität und zu softwaredefinierten Fahrzeugen reduziert den Bedarf an arbeitsintensiven mechanischen Teilen – und trifft damit Boschs traditionelle Kernbereiche ins Mark.
„Eine garantierte Beschäftigungssicherheit für alle Mitarbeiter wird es nach 2027 nicht mehr geben“, räumte Sell ein. Dies markiert eine deutliche Abkehr vom traditionellen Sozialpartnermodell des Konzerns. Der Betriebsrat kämpft darum, dass der Abbau möglichst durch freiwillige Maßnahmen, Vorruhestand und Qualifizierung erreicht wird – und nicht durch direkte Entlassungen.
Industriekrise und politische Rahmenbedingungen
Das Scheitern der Bosch-Verhandlungen spiegelt eine breitere Krise im europäischen Automobilzulieferer-Sektor wider. Hohe Energiekosten, regulatorischer Druck und die schleppende Einführung von Elektrofahrzeugen in wichtigen Märkten haben für Zulieferer ein perfektes Sturm-Szenario geschaffen.
Frank Sell kritisierte in seinen Äußerungen auch die europäische Politik scharf. Jüngste EU-Vorschläge zum Verbrenner-Aus seien „Augenwischerei“. Der aktuelle politische Rahmen biete nicht die nötige Unterstützung für die Zulieferindustrie, die 75 Prozent der Wertschöpfung im Automobilsektor ausmache. „Die vorgelegten Vorschläge helfen nicht weiter… Es ist ein bisschen von allem, aber nichts von dem, was wirklich gebraucht wird“, so Sell. Die Frustration in der Branche wächst, weil der Übergang zur grünen Energie auf Kosten industrieller Arbeitsplätze schlecht gemanagt werde.
Was der Verhandlungsstillstand für den deutschen Standort bedeutet
Das Scheitern einer vorweihnachtlichen Einigung bei Bosch ist ein deutliches Indiz für die Spannungen im deutschen Modell der Industriellen Beziehungen. Unternehmen wie Bosch pflegen normalerweise eine „Sozialpartnerschaft“, in der große Veränderungen im Konsens ausgehandelt werden. Dass die Gespräche sich nun hinziehen, deutet darauf hin, dass das Management eine härtere Linie fährt als in früheren Krisen. Getrieben wird dies wohl vom Druck, die Marge auf 7 Prozent zu steigern – ein Ziel, das Vorstandschef Stefan Hartung in diesem Jahr bekräftigt hat.
Für die Beschäftigten bedeutet die Verzögerung eine angespannte Weihnachtszeit. Die Belegschaften an großen Standorten haben bereits im Spätjahr 2025 mit Protesten und Warnstreiks reagiert. Der Widerstand des Betriebsrats gegen eine Aufweichung des Kündigungsschutzes legt nahe, dass die Arbeitnehmervertreter fürchten, die „Ultima Ratio“-Klausel könne nach Auslaufen des Schutzes 2027 zu einem Schlupfloch für Massenentlassungen werden.
Der Fokus liegt nun auf Januar 2026. Die Wiederaufnahme der Gespräche wird voraussichtlich von erhöhtem Druck der Gewerkschaft IG Metall begleitet, die bereits vor einem „heißen Herbst“ und „unruhigen Winter“ gewarnt hatte, falls das Management keine tragfähigen Zukunftskonzepte für die betroffenen deutschen Standorte vorlegt.
Sollte im Januar eine Einigung erzielt werden, würde sie wahrscheinlich einen Präzedenzfall für die gesamte Branche setzen. Sie würde definieren, wie deutsche Industriegiganten den schmerzhaften Abschied von der Verbrenner-Technologie managen. Scheitern die Gespräche jedoch oder bieten sie keine ausreichenden Garantien, sind flächende Streikaktionen an Bosch-Standorten nicht auszuschließen. Die traditionell als „Bosch-Familie“ bekannte Belegschaft steht vor dem ungewissesten Winter seit Jahrzehnten.
PS: Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan stehen bevor? Dieses kostenlose E-Book liefert praxiserprobte Strategien für Betriebsräte, darunter ein sofort einsatzfähiges Punkteschema, Verhandlungsargumente, Musterformulierungen und Tipps zur Nachteilsausgleichsberechnung. So sichern Sie bessere Abfindungen, sozialverträgliche Lösungen und transparente Kriterien für die Auswahl – und schützen Ihre Kolleginnen und Kollegen wirkungsvoll in schwierigen Verhandlungsrunden. Jetzt Sozialplan-Musterpaket sichern


