BAuA-Gipfel: Klimawandel wird zur Arbeitsschutz-Pflicht
06.12.2025 - 07:00:12Deutschland diskutiert über die Arbeitsbedingungen in einer sich erhitzenden Welt – und über die Logistik-Krise, die trotz aller Reformen nicht endet. Die erste Dezemberwoche 2025 bringt zwei zentrale Erkenntnisse: Arbeitsschutz muss klimafest werden, und der Paketboom kostet einen hohen Preis.
Während draußen Pakete für das Weihnachtsgeschäft verteilt werden, ringen Experten und Gewerkschaften um die Frage: Wie schützt man Beschäftigte vor Hitze, UV-Strahlung und krankmachender Arbeitsbelastung? Mit dem Mindestlohn-Sprung auf 13,90 Euro ab Januar spitzt sich die Debatte zu. Denn höhere Löhne allein lösen das Problem nicht.
Am Donnerstag lud die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zum digitalen Expertengipfel unter dem Titel “Klimawandel trifft auf Arbeitsschutz”. Was zunächst abstrakt klingt, ist längst operative Realität: Steigende Temperaturen und intensivere UV-Strahlung verändern die Definition von “sicherer Arbeit” grundlegend.
Die zentrale Botschaft der Tagung? Gefährdungsbeurteilungen müssen dynamisch werden. Bislang konzentrieren sich die vorgeschriebenen Sicherheitschecks auf Maschinen und unmittelbare Unfallgefahren. Umweltfaktoren wie Extremwetter galten als “allgemeine Risiken” – doch damit ist Schluss.
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“Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt werden von Jahr zu Jahr deutlicher und sichtbarer”, erklärte die BAuA im Vorfeld der Veranstaltung. Die Diskussion drehte sich um die Frage, wie Unternehmen verbindliche Schutzmaßnahmen umsetzen können – etwa Hitzepausen oder UV-Schutzkleidung – ohne auf träge Gesetzgebungsprozesse zu warten.
Zwar wurden keine neuen Gesetze beschlossen, doch die Marschrichtung ist klar: Klimaresilienz wird zum Pflichtpunkt in Audits. Arbeitgeber sollten ihre Gefährdungsbeurteilungen jetzt aktualisieren – denn was heute “Best Practice” ist, könnte Mitte 2026 bereits Pflicht sein.
Logistik am Limit: ver.di-Umfrage erschüttert die Branche
Während Experten über Klimarisiken debattierten, zeigt sich die Realität dieser Risiken an den Laderampen der Republik. Die Nachwirkungen der “Black Week” und das laufende Weihnachtsgeschäft bringen die Arbeitsbedingungen von Paketboten erneut auf die Tagesordnung – befeuert durch eine erschreckende Studie der Gewerkschaft ver.di und des Beratungsunternehmens INPUT Consulting.
Der Arbeitsqualitäts-Index im freien Fall
Die Umfrage unter rund 3.000 Beschäftigten der Kurier-, Express- und Paketbranche (KEP) sorgt auch an diesem Wochenende für Schlagzeilen. Die Ergebnisse sind alarmierend:
- DGB-Index “Gute Arbeit”: Die Branche erreicht nur 40 von 100 Punkten – und fällt damit eindeutig in die Kategorie “schlechte Arbeit”.
- Arbeitsverdichtung extrem: 89 Prozent der Befragten gaben an, in den vergangenen zwölf Monaten mehr Arbeit in derselben Zeit erledigen zu müssen.
- Körperliche Belastung: Die Forderung nach einer 20-Kilogramm-Grenze für Einzelhandhabung bleibt unerfüllt.
“Etwas läuft grundlegend falsch in dieser Branche”, betonte Andrea Kocsis, stellvertretende ver.di-Vorsitzende, Anfang der Woche. Trotz der im Jahresverlauf diskutierten Reformen des Postgesetzes scheint sich in der Praxis während der Hochsaison wenig zu ändern.
Diese Woche flammen an Verteilzentren regionale Streiks und Proteste auf. Die Gewerkschaft nutzt die Umfragedaten, um schärfere Kontrollen bei Pausen und Höchstarbeitszeiten durchzusetzen. Das Subunternehmer-Modell untergrabe weiterhin Sicherheitsstandards – trotz aller legislativen Anstrengungen, die Haftung zu verschärfen.
Countdown zu 2026: Mindestlohn steigt deutlich
Jenseits der akuten Sicherheitsdebatten nutzen Personalabteilungen und Rechtsexperten dieses Wochenende zur Vorbereitung auf die bedeutenden Änderungen zum Jahreswechsel.
Die 13,90-Euro-Schwelle kommt
Bestätigt vom Bundesarbeitsministerium (BMAS) im Oktober nach Empfehlung der Mindestlohnkommission: Der gesetzliche Mindestlohn steigt am Neujahrstag von derzeit 12,82 Euro auf 13,90 Euro pro Stunde.
Diese Erhöhung um rund 8,4 Prozent ist der erste Schritt einer zweistufigen Anpassung, die 2027 bei 14,60 Euro enden soll. Für Logistik und Einzelhandel – mitten im Weihnachtsstress – bedeutet das einen erheblichen Kostenfaktor, der bereits jetzt Vertragsverhandlungen für das kommende Jahr beeinflusst.
Parallel dazu passt sich die Verdienstgrenze für Minijobs dynamisch an: Sie steigt 2026 auf 603 Euro monatlich, damit Beschäftigte trotz Lohnerhöhung ihre Stundenzahl halten können.
Digitalisierung greift
Die Diskussion dieser Woche reflektiert auch das erste Jahr des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV). Seit Januar 2025 dürfen Arbeitgeber wesentliche Vertragsbedingungen (nach dem Nachweisgesetz) in Textform statt in Schriftform bereitstellen.
Rechtsexperten ziehen Bilanz: Nach zögerlichem Start im ersten Quartal 2025 ist die “Textform” inzwischen Standard bei digital orientierten Unternehmen. Verwirrung herrscht jedoch bei spezifischen Ausnahmen – etwa befristete Verträge, die weiterhin eine Unterschrift mit Tinte erfordern. Für 2026 wird diskutiert, ob auch Kündigungen digitalisiert werden können. Konkrete Gesetzesvorschläge liegen allerdings noch nicht vor.
Zwei Welten prallen aufeinander
Die Gegensätze könnten kaum größer sein. Einerseits setzt Deutschland erfolgreich Bürokratieabbau (BEG IV) und planmäßige Lohnerhöhungen um. Andererseits fühlt sich die operative Realität für Millionen Beschäftigte – besonders im Freien und in der Logistik – zunehmend prekär an.
Der BAuA-Gipfel vom Donnerstag signalisiert einen Kulturwandel im deutschen Arbeitsschutz: weg von reiner “Unfallverhütung”, hin zu “Umweltresilienz”. Das spiegelt einen EU-weiten Trend wider, bei dem ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) in die Arbeitssicherheit einfließen. Unternehmen, die Hitze- und UV-Schutz als optionale Extras betrachten, könnten im kommenden Sommer auf der falschen Seite von Haftungsklagen stehen.
Die ver.di-Umfrage zeigt derweil: Die Postgesetz-Reformen haben das Kernproblem der Arbeitsverdichtung nicht gelöst. Der niedrige Zufriedenheitsindex (40/100) birgt ein Retentionsrisiko für die Logistikbranche. Arbeitskräftemangel könnte höhere Löhne oder bessere Bedingungen erzwingen – unabhängig vom gesetzlichen Mindestlohn.
Was kommt 2026?
In den letzten Wochen des Jahres 2025 und im ersten Quartal 2026 zeichnen sich folgende Entwicklungen ab:
Kontrolldruck in der Logistik: Mit den ver.di-Daten auf dem Tisch und den Schwachstellen der Weihnachtssaison offengelegt, sind im Januar verstärkte Kontrollen durch den Zoll bei Arbeitszeiten und Subunternehmer-Compliance wahrscheinlich.
Klimaschutz-Fahrplan: Nach dem BAuA-Expertentreffen dürfte Anfang 2026 ein Leitfaden-Dokument folgen, das konkrete Methoden für Klimarisiko-Bewertungen vorgibt.
Lohndebatte geht weiter: Sobald die 13,90-Euro-Marke greift, wird die politische Diskussion sofort zum 2027er-Ziel von 14,60 Euro schwenken. Gewerkschaften signalisieren bereits: Der Inflationsdruck könnte eine noch schnellere Annäherung an 15 Euro nötig machen.
Die Botschaft zum Nikolaus-Wochenende ist eindeutig: Die Stiefel mögen gefüllt sein – doch die Diskussion über die Hände, die sie füllten, ist lauter denn je.
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