BAG-Urteile, Beweislast

BAG-Urteile verschieben Beweislast bei Flexibilitätsprämien

22.12.2025 - 11:11:12

Arbeitgeber müssen ab sofort Ungleichbehandlungen bei Flexibilitätsprämien detailliert rechtfertigen. Zwei Grundsatzurteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Herbst 2025 haben die Beweislast in Vergütungsstreitigkeiten umgekehrt und die Berechnung von Zuschlägen für Teilzeitkräfte neu definiert. Die Urteile gelten als revolutionär für die Praxis von Einspring- und Überstundenzuschlägen.

Auslöser der aktuellen Debatte ist ein BAG-Urteil vom 26. November 2025. Das Gericht entschied, dass Teilzeitbeschäftigte Überstundenzuschläge bereits dann erhalten müssen, wenn sie ihre individuell vereinbarte Arbeitszeit überschreiten – und nicht erst, wenn sie die betriebliche Vollzeitgrenze erreichen.

Bisher zahlten viele Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen diese Flexibilitätsaufschläge erst ab der Vollzeitstundenzahl. Das BAG wertete diese Praxis pauschal als diskriminierend nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Es sei denn, der Arbeitgeber kann einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung nachweisen.

„Dieses Urteil beendet effektiv den ‚Vollzeit-Deckel‘ für Flexibilitätsprämien“, kommentiert Arbeitsrechtsexpertin Dr. Helena Schmidt. „Für Personalabteilungen bedeutet das: Anpassungen der Gehaltsabrechnung sind sofort nötig, um rückwirkende Forderungen zu vermeiden.“

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Beweislast-Umkehr: Der Oktober-Präzedenzfall

Während das November-Urteil die Berechnung regelt, kommt die prozessuale Zäsur aus einer früheren Entscheidung vom 23. Oktober 2025. Hier verschob das BAG die Beweislast bei Vergütungsstreitigkeiten grundlegend.

Künftig muss der Arbeitgeber vollständig nachweisen, dass eine unterschiedliche Bezahlung sachlich gerechtfertigt ist, sobald ein Beschäftigter den Verdacht einer Ungleichbehandlung belegen kann. Ein einfacher Vergleich mit einem besser gestellten Kollegen genügt dafür bereits.

„Die Tage vager Rechtfertigungen sind vorbei“, stellt ein aktuelles Update des Fachverlags Haufe klar. „Arbeitgeber können sich nicht mehr pauschal auf ‚Marktübliche‘ oder ‚individuelle Verhandlung‘ berufen. Sie müssen konkrete, überprüfbare Daten liefern.“

Folgen für Einspringprämien und Kurzfrist-Boni

Die Kombination beider Urteile trifft besonders Branchen mit hohem Flexibilitätsbedarf: Gesundheitswesen, Logistik und Einzelhandel sind stark betroffen. Dort sind Einspringprämien für kurzfristige Schichtbesetzungen essenziell.

Teilzeitkräfte können nun Systeme anfechten, bei denen das „Einspringen“ je nach Vertragstyp unterschiedlich vergütet wird. Pauschale Flexibilitätsboni, die die prozentuale Mehrbelastung von Teilzeitkräften ignorieren, sind rechtlich angreifbar.

Rechtsexperten von CMS Law raten Unternehmen dringend:
* Flexibilitätsprämien strikt anteilig für Teilzeitkräfte zu berechnen.
* Zugangshürden wie „nur bei über 30 Wochenstunden“ zu streichen.
* Jede Abweichung lückenlos zu dokumentieren – etwa durch Qualifikation oder Diensterfahrung, nicht durch den Vertragstyp.

Wirtschaft warnt vor Bürokratie, Gewerkschaften begrüßen Klarheit

Die Wirtschaft reagiert mit Besorgnis. Der Bundesverband der Personalmanager (BPM) warnt vor einem enormen Verwaltungsaufwand. „Wenn jeder Zuschlag eine wasserdichte Rechtfertigung braucht, um Klagen zu vermeiden, werden Unternehmen individuelle Flexibilitätsanreize vielleicht seltener anbieten“, heißt es in einer Stellungnahme.

Gewerkschaften sehen das anders. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kündigte an, im ersten Quartal 2026 zahlreiche Tarifverträge an die neue Rechtsprechung anzupassen. Die Urteile schafften endlich klare Verhältnisse.

Ausblick 2026: Compliance-Prüfungen und Transparenz

Rechtsexperten prognostizieren für das erste Quartal 2026 eine Welle von Überprüfungen variabler Vergütungsbestandteile. Arbeitgeber sollten jetzt handeln:
1. Alle Flexibilitäts- und Bereitschaftszuschläge auf indirekte Diskriminierung von Teilzeitkräften prüfen.
2. Sachliche Kriterien für unterschiedliche Zahlungen dokumentieren (z.B. spezifische Zertifikate für eine Schicht).
3. Transparenzanfragen vorbereiten, denn die Beweislastumkehr stärkt die Auskunftsrechte der Beschäftigten.

In einem angespannten Arbeitsmarkt soll der Flexibilitätszuschlag so zum Instrument für mehr Fairness werden – und nicht nur ein Mittel zum Krisenmanagement bleiben.

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