BAG erteilt Teilzeit-Diskriminierung klare Absage
03.12.2025 - 02:23:12Das Bundesarbeitsgericht hat starre Mehrarbeitszuschläge für Teilzeitbeschäftigte für rechtswidrig erklärt. Die Entscheidung zwingt Unternehmen zur Überprüfung von Tarifverträgen und birgt Risiken für Nachzahlungen.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Benachteiligung von Teilzeitkräften bei Mehrarbeitszuschlägen gestoppt. Während heute in Erfurt über weitere Grundsatzfragen verhandelt wird, arbeiten Personalabteilungen noch immer die Folgen des wegweisenden Urteils vom 26. November ab. Die Botschaft ist eindeutig: Wer weniger Stunden vereinbart hat, darf nicht schlechter behandelt werden.
Die Entscheidung trifft den Kern vieler Tarifverträge – vom Einzelhandel bis zur Logistik. Jahrzehntelang galt: Zuschläge gibt es erst ab der 41. Wochenstunde, egal ob jemand 20 oder 40 Stunden arbeitet. Damit ist jetzt Schluss. Das höchste deutsche Arbeitsgericht zieht eine klare rote Linie gegen eine Praxis, die Millionen Beschäftigte betrifft.
Die 41‑Stunden‑Regel fällt
Der Fall hätte kaum grundsätzlicher sein können. Eine Teilzeitkraft aus dem bayerischen Groß- und Außenhandel klagte gegen eine tarifliche Regelung, die Mehrarbeitszuschläge erst ab der 41. Wochenstunde vorsah – völlig unabhängig vom individuellen Stundenumfang. Das BAG entschied am 26. November im Verfahren 5 AZR 118/23: Diese Praxis verstößt gegen das Diskriminierungsverbot.
Personalabteilungen müssen jetzt Hunderttausende Teilzeitverträge prüfen und veraltete Klauseln anpassen – sonst drohen Nachzahlungen und Bußgelder. Das kostenlose E‑Book “Der Arbeitsvertrag – Klauseln, Pflichten und Musterbeispiele” liefert 19 fertige Formulierungen, erklärt die wichtigsten Fallstricke und zeigt, wie Sie Verträge rechtssicher an das neue Nachweisgesetz anpassen. Praxisnah für Personaler, Führungskräfte und Betriebsräte – inkl. gratis E‑Mail‑Newsletter mit aktuellen HR‑Tipps. Jetzt das gratis E‑Book zum Arbeitsvertrag herunterladen
Die neue Formel ist simpel: Wer 20 Stunden vereinbart hat, muss ab der 21. Stunde Zuschläge erhalten – analog zu Vollzeitkräften, die diese ab ihrer Regelarbeitszeit bekommen. Die Richter ließen keinen Raum für Interpretationen: Jede starre Stundengrenze, die nicht proportional zum Beschäftigungsgrad abgesenkt wird, ist rechtswidrig.
Für Arbeitgeber bedeutet das mehr als nur eine rechtliche Klarstellung. Es drohen Nachzahlungen, neue Berechnungsmodelle müssen her, IT‑Systeme angepasst werden. Manche Tarifverträge dürften komplett neu verhandelt werden müssen.
Heute: Streit um die “große” Serviceeinheit
Während die Branche noch die Tragweite des Teilzeit-Urteils auslotet, geht es in Erfurt weiter. Der 4. Senat verhandelt heute (4 AZR 36/25) einen Fall, der zeigt, wie kleinteilig Tarifrecht sein kann – und wie folgenreich.
Im Mittelpunkt steht die Frage: Ab wann ist eine Serviceeinheit für Zivilprozesse an einem Amtsgericht “groß”? Eine Definitionsfrage, könnte man meinen. Tatsächlich aber entscheidet sie über die Eingruppierung eines Serviceteamleiters – und damit über mehrere Tausend Euro Gehaltsdifferenz pro Jahr.
Der öffentliche Dienst kennt solche Feinheiten zur Genüge. Jeder Paragraf im TVöD oder TV-L wird auf die Goldwaage gelegt, jede Stellenbewertung akribisch geprüft. Eine klare Linie des BAG könnte Hunderte ähnliche Fälle in der Justizverwaltung präjudizieren. Oder eine neue Antragsflut auslösen.
Aufsichtsratswahl auf dem Prüfstand
Parallel dazu befasst sich der 7. Senat mit einer Materie, die selten die breite Öffentlichkeit erreicht, in Unternehmen aber für politischen Sprengstoff sorgt: der Wirksamkeit einer Aufsichtsratswahl (7 ABR 36/24).
Fehler im Wahlverfahren können dramatische Folgen haben. Wird eine Wahl für ungültig erklärt, stehen plötzlich sämtliche Beschlüsse des Gremiums auf wackeligen Beinen. Strategische Entscheidungen, Personalfragen, Investitionsbeschlüsse – alles potenziell anfechtbar.
Der 7. Senat ist bekannt für seine strenge Auslegung der Wahlvorschriften. Wer heute im Saal sitzt, wird genau zuhören – nicht nur Gewerkschaftsvertreter und Konzernpersonaler, sondern auch Wahlvorstände, die künftige Aufsichtsratswahlen organisieren müssen.
Signal aus Erfurt in Richtung Brüssel
Die Häufung grundlegender Entscheidungen in diesen Wochen ist kein Zufall. Das BAG reagiert auf eine Arbeitswelt im Wandel – flexiblere Modelle, mehr Teilzeit, komplexere Mitbestimmungsstrukturen. Und es richtet sich zunehmend nach Brüssel.
Das Teilzeit-Urteil fügt sich nahtlos in die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein, der systematische Benachteiligungen immer konsequenter ahndet. Die Botschaft lautet: Gleichbehandlung ist kein Verhandlungsgegenstand, sondern Grundrecht.
Für Personalabteilungen bedeutet das konkret: Alle Teilzeitverträge müssen auf den Prüfstand. Betriebsvereinbarungen, die starre Zuschlagsgrenzen vorsehen, sind nicht mehr haltbar. Wer jetzt nicht handelt, riskiert teure Nachzahlungen und Imageschäden.
Auch in den kommenden Tagen bleibt es spannend. Das Bundessozialgericht setzt zwischen dem 9. und 11. Dezember weitere wichtige Termine an. Der Dezember 2025 entwickelt sich zum Monat der arbeitsrechtlichen Weichenstellungen – mit Auswirkungen weit über Erfurt hinaus.
PS: Zusätzlich müssen viele Unternehmen ihre Arbeitszeiterfassung und Berechnungsmodelle anpassen, damit Zuschläge korrekt abgerechnet werden. Das praxisorientierte E‑Book zur Arbeitszeiterfassung erklärt die gesetzlich geforderte Umsetzung ab 2025, bietet einsatzbereite Mustervorlagen für Stundenzettel und konkrete Tipps für Payroll‑ und IT‑Umsetzung. Unverzichtbar für Arbeitgeber, Personalabteilungen und Betriebsräte, die Nachzahlungen vermeiden wollen. Arbeitszeiterfassung jetzt kostenfrei herunterladen


