ARFID, Essstörung

ARFID: Essstörung betrifft auch Menschen mit Übergewicht

22.12.2025 - 03:50:12

Eine neue Studie der Universitätsmedizin Leipzig stellt die bisherige Sicht auf die Essstörung ARFID radikal in Frage. Die vermeidend-restriktive Ernährungsstörung wird demnach nicht nur bei dünnen, sondern auch bei übergewichtigen Erwachsenen häufig übersehen. Die Forscher warnen vor gefährlichen Fehldiagnosen.

Lange galt in der Medizin: Wer extrem wenig oder einseitig isst, muss untergewichtig sein. Eine aktuelle Untersuchung unter Leitung von Dr. Ricarda Schmidt widerlegt dieses Dogma nun. Die in Psychotherapy and Psychosomatics veröffentlichte Studie zeigt: ARFID kommt auch bei Erwachsenen mit Adipositas signifikant häufig vor.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass ARFID auch bei Erwachsenen mit höherem Körpergewicht vorkommt – wenn auch mit teils anders ausgeprägten Symptomen“, erklärt Dr. Schmidt. Bei der Befragung von 369 Erwachsenen zeigte sich ein alarmierendes Bild: Die Symptome werden im klinischen Alltag oft fehlgedeutet, weil das äußere Erscheinungsbild nicht ins klassische Essstörungs-Schema passt.

Anders als bei Magersucht geht es bei ARFID nicht um ein verzerrtes Körperbild. Betroffene leiden unter:
* Extremer sensorischer Überempfindlichkeit (Textur, Geruch)
* Angst vor negativen Konsequenzen wie Erbrechen
* Gänzlichem Desinteresse am Essen

Menschen mit Übergewicht essen dabei oft extrem einseitig – etwa nur weiche, hochkalorische „Safe Foods“ wie Brot oder Nudeln. Das paradoxe Ergebnis: Mangelernährung trotz Übergewicht.

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Die unsichtbare Angst am Esstisch

Aktuelle Daten der Duke University (USA) unterstreichen die psychologische Tiefe der Störung. Eine Untersuchung enthüllte eine massive Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung von Eltern und Kindern.

Während 91 Prozent der Kinder mit ARFID-Symptomen massive Angst vor dem Essen angaben, erkannten dies nur etwa 26 Prozent der Eltern. Besonders bei der Angst vor Bauchschmerzen klaffte die Wahrnehmung auseinander.

„Kinder haben oft Ängste, die wir Erwachsene gar nicht auf dem Schirm haben“, so ein Sprecher des Forschungsteams. Das Verhalten wird so häufig als Trotz missverstanden. Dabei schaltet der Körper des Kindes in einen echten „Kampf-oder-Flucht“-Modus.

Wenn die Diagnose zum Risiko wird

Ein zentrales Problem ist die diagnostische Lücke. Obwohl ARFID im US-Diagnosekatalog DSM-5 gelistet ist, hinkt die Umsetzung in der internationalen Praxis hinterher. Die Folge: Gefährliche Fehldiagnosen.

Experten warnen vor der unterschätzten qualitativen Mangelernährung. Ein Patient kann normal- oder übergewichtig sein und dennoch unter schwerem Vitamin- und Mineralstoffmangel leiden. In Extremfällen ernähren sich Betroffene nur von flüssiger Nahrung oder bestimmten Crackern.

Die gesundheitlichen Folgen sind gravierend:
* Physisch: Wachstumsverzögerungen, Elektrolytstörungen, chronische Magen-Darm-Beschwerden
* Psychosozial: Massive soziale Isolation, da Restaurantbesuche oder Schulessen zu unüberwindbaren Hindernissen werden

Die bisherige Praxis, bei Übergewichtigen primär zu Diäten zu raten, kann bei ARFID-Patienten fatal sein und die Störung verschlimmern.

Ein wachsendes Phänomen mit komplexen Ursachen

Die Zunahme der ARFID-Diagnosen spiegelt nicht nur eine bessere Erkennung wider. Spezialisierte Kliniken verzeichnen einen Anstieg der Anfragen um fast 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Der Trend reiht sich in eine breitere Entwicklung ein: Neurodivergente Zustände wie Autismus-Spektrum-Störungen werden stärker diagnostiziert – und zeigen eine hohe Überschneidung mit ARFID. Die bei Autismus häufige sensorische Überempfindlichkeit korrespondiert direkt mit der Abneigung gegen bestimmte Essens-Texturen.

Im Vergleich zu anderen Essstörungen ist ARFID therapeutisch oft komplexer. Der Leidensdruck entsteht nicht durch das Körperbild, sondern durch die physischen und sozialen Konsequenzen des extrem eingeschränkten Essverhaltens.

Personalisierte Therapien als neuer Standard

Was bedeutet das für die Zukunft? Die Experten sind sich einig: Die „One-size-fits-all“-Behandlung für Essstörungen hat ausgedient.

In den kommenden Monaten sind neue Leitlinien zu erwarten, die explizite Screening-Protokolle für übergewichtige Patienten in Adipositas-Ambulanzen fordern werden. Die kognitive Verhaltenstherapie für ARFID (CBT-AR) gewinnt an Bedeutung. Dieser Ansatz arbeitet an der systematischen Desensibilisierung gegenüber „Angst-Lebensmitteln“.

Auch die Rolle der Eltern wird neu definiert: Weg vom „Druck machen“, hin zum therapeutisch begleiteten Verständnis für die Ängste des Kindes. Die Botschaft der neuen Forschung ist klar: ARFID ist keine Laune, sondern eine ernstzunehmende, aber behandelbare Erkrankung – bei Menschen jeden Alters und jeder Gewichtsklasse.

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