Arbeitszeitgesetz: 29 Verbände fordern radikale Reform
06.12.2025 - 09:59:12Deutschland steht vor einem möglichen Arbeitszeitrevolution: Eine breite Allianz aus 29 Wirtschaftsverbänden fordert die Bundesregierung auf, die starren Tageshöchstgrenzen abzuschaffen. Stattdessen soll eine flexible Wochenarbeitszeit treten – ein Wandel, der Millionen Beschäftigte betreffen würde.
Das gestern veröffentlichte Appell verschärft den Druck auf die Politik, endlich die im Koalitionsvertrag versprochene Flexibilisierung umzusetzen. Die Verbände argumentieren: Das derzeitige System passe nicht mehr in eine digitalisierte Wirtschaft und behindere sowohl Wettbewerbsfähigkeit als auch die Work-Life-Balance der Arbeitnehmer.
Hinter der Initiative stehen Schwergewichte wie der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks, der Deutsche Brauer-Bund, der Verband der Fleischwirtschaft und der Mittelstandsverbund. Ihre gemeinsame Botschaft: Es geht nicht um mehr Arbeit, sondern um intelligentere Verteilung.
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“Die tägliche Höchstarbeitszeit entspricht nicht mehr der Lebensrealität von Menschen und Betrieben”, heißt es in dem Papier. Der aktuelle Acht-Stunden-Standard (verlängerbar auf zehn Stunden) schränke die Reaktionsfähigkeit der Unternehmen massiv ein – ob bei Auftragsspitzen, saisonalen Hochphasen oder unvorhergesehenen Ereignissen.
Die Verbände versprechen Beschäftigten mehr Autonomie: Wer will, könnte Stunden bündeln und sich dadurch längere freie Blöcke für Familie oder Privatleben schaffen. Unternehmen könnten Produktionsspitzen – etwa in der Lebensmittelindustrie vor Feiertagen – ohne bürokratische Sondergenehmigungen bewältigen.
EU-Richtlinie als Argument
Ein zentraler Punkt: Deutschland hinke der europäischen Praxis hinterher. Während die EU-Arbeitszeitrichtlinie primär eine Wochengrenze von 48 Stunden (im Durchschnitt) vorschreibt, hält die Bundesrepublik an strengeren Tagesgrenzen fest.
Diese “deutsche Überregulierung” setze heimische Betriebe gegenüber europäischen Konkurrenten ins Hintertreffen, so die Verbände. “Der rechtliche Rahmen der EU erlaubt diese Flexibilität bereits. Es wird Zeit, dass Deutschland diesen Spielraum für seine Standortqualität nutzt.”
Die Forderung kommt nicht von ungefähr: Angesichts anhaltender Wirtschaftsschwäche, Fachkräftemangel und hoher Betriebskosten suchen Arbeitgebervertreter nach kostengünstigen Entlastungsmaßnahmen. BDA-Präsident Rainer Dulger hatte den Widerstand gegen moderne Arbeitszeitregeln bereits als “aus der Zeit gefallen” bezeichnet.
Koalitionsvertrag als politisches Druckmittel
Die Verbände pochen explizit auf Zusagen aus dem Koalitionsvertrag. Dort versprochene “Experimentierklauseln” und Flexibilisierungen seien entweder versandet oder in der Praxis unzureichend.
“Unternehmen und Beschäftigte brauchen jetzt Rechtssicherheit, nicht in ferner Zukunft”, betont ein Sprecher des Mittelstandsverbunds. Die Allianz fordert: keine Pilotprojekte mehr, sondern eine direkte Verankerung des Wochenprinzips im Arbeitszeitgesetz.
Doch die Regierung sitzt zwischen den Stühlen: Während die Wirtschaft auf Flexibilität drängt, laufen Gewerkschaften Sturm.
Gewerkschaften warnen vor Gesundheitsrisiken
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht in der Forderung einen Angriff auf fundamentale Arbeitnehmerschutzrechte. Die Tagesgrenze sei eine unverzichtbare Gesundheits- und Sicherheitsbarriere, warnen die Gewerkschafter.
Ihre Sorge: Eine Wochengrenze von 48 Stunden – die in einzelnen Wochen auf 60 Stunden ausgedehnt werden könnte – öffne Ausbeutung Tür und Tor. Schichten von zwölf oder dreizehn Stunden gefährdeten die Gesundheit und erhöhten das Unfallrisiko dramatisch.
“Flexibilität darf keine Einbahnstraße werden, bei der Beschäftigte auf Abruf verfügbar sein müssen”, kontern Gewerkschaftsvertreter. Bestehende Gesetze erlaubten bereits erhebliche Flexibilität durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen.
Was die Reform für einzelne Branchen bedeuten würde
Gastronomie und Veranstaltungen: Der DEHOGA-Verband argumentiert besonders vehement. Hochzeiten und Events überschritten regelmäßig die Zehn-Stunden-Marke und zwängen Betriebe in rechtliche Grauzonen. Eine Wochengrenze würde längere Schichten an Eventtagen legalisieren – kompensiert durch Freizeitausgleich später.
Handwerk und Bau: Wetterabhängige Branchen könnten bei günstigen Bedingungen Vollgas geben und bei Schlechtwetter reduzieren.
IT und Wissensarbeit: Projektbasierte Rollen könnten intensive “Crunch-Phasen” mit ausgedehnten Erholungsphasen verbinden – passender zu agilen Arbeitsmethoden.
Kommt die Reform tatsächlich?
Der Weg zur Gesetzesänderung bleibt steinig. Zwar gewinnen wirtschaftliche Argumente angesichts der angespannten Lage an Gewicht, doch die Regierung muss starke Arbeitnehmerschutzinteressen berücksichtigen.
Die 29 Verbände haben ihre Erwartung klar formuliert: In den kommenden Monaten müssen konkrete Gesetzesvorschläge folgen. Eine so breite Allianz spricht selten mit einer Stimme – entsprechend groß ist der politische Druck.
“Wir brauchen ein Arbeitsrecht, das 2025 entspricht, nicht dem Industriezeitalter des letzten Jahrhunderts”, heißt es abschließend im Appell. Arbeitsminister Hubertus Heil steht nun vor der Frage: Reagiert er auf den Ruf der Wirtschaft – oder stellt er sich auf die Seite der Gewerkschaften?
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