Arbeitsrecht: Dauer-Freistellung wird für Arbeitgeber zur Falle
21.12.2025 - 20:23:12Die dauerhafte Freistellung von Mitarbeitern nach einem verlorenen Kündigungsschutzprozess ist für Arbeitgeber kaum noch durchsetzbar. Neue Gerichtsurteile und Analysen stellen den Beschäftigungsanspruch in den Mittelpunkt – mit erheblichen finanziellen Risiken für Unternehmen.
Jahrelang war es gängige Praxis: Nach einer verlorenen Kündigungsklage stellten Unternehmen den Mitarbeiter formal wieder ein, um keinen Annahmeverzug zu begründen, schickten ihn aber sofort in eine bezahlte, dauerhafte Freistellung. Diese Zeiten sind vorbei, wie eine aktuelle Analyse des Arbeitsrechtsexperten Dr. Jens Usebach auf Anwalt.de vom 21. Dezember 2025 verdeutlicht.
„Wenn der Arbeitnehmer den Kündigungsschutzprozess gewinnt, ist das Arbeitsverhältnis nicht beendet – der Arbeitgeber muss grundsätzlich weiterbeschäftigen, nicht nur weiterbezahlen“, heißt es darin. Der bloße Wunsch, einen erfolgreichen Kläger nicht reintegrieren zu müssen, reicht als Grund für eine einseitige Freistellung nicht mehr aus.
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Prägendes Urteil vom Februar 2025
Den strengen Kurs gab das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit einem Grundsatzurteil vom 12. Februar 2025 (Az. 5 AZR 127/24) vor. Das Gericht entschied, dass dauerhaft freigestellte Arbeitnehmer generell nicht verpflichtet sind, sich um eine andere Stelle zu bemühen, um den Schaden des Arbeitgebers zu mindern.
Für Unternehmen hat diese Entscheidung massive finanzielle Konsequenzen. Sie können nicht mehr darauf hoffen, dass der freigestellte Mitarbeiter anderweitig Geld verdient und so die Gehaltskosten der Freistellung mindert. Die Strategie „bezahlen, um daheim zu bleiben“ wird deutlich teurer.
Beschäftigungsanspruch vs. Gehaltsempfänger
Der Kern des Problems liegt im deutschen Beschäftigungsanspruch. Anders als in vielen anderen Ländern haben Arbeitnehmer hierzulande nicht nur einen Anspruch auf ihr Gehalt, sondern grundsätzlich auch darauf, ihre Arbeit tatsächlich auszuüben. Die Gerichte setzen dieses Recht immer konsequenter durch, um ein „Parken“ von Mitarbeitern zu verhindern.
Hohe Hürden für Arbeitgeber:
* Unzumutbarkeit beweisen: Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass die tatsächliche Anwesenheit des Mitarbeiters „unzumutbar“ ist. Bloße Spannungen oder der verlorene Prozess reichen dafür nicht.
* Wirksame Klauseln: Pauschale Freistellungsklauseln im Arbeitsvertrag, die eine einseitige Freistellung „jederzeit“ erlauben, werden von Gerichten wie dem LAG Niedersachsen (Mai 2025) regelmäßig für unwirksam erklärt.
* Reintegrationspflicht: Nach einer ungültigen Kündigung trifft den Arbeitgeber eine aktive Pflicht zur Wiedereingliederung. Notfalls müssen sogar Aufgaben umstrukturiert werden, wenn der ursprüngliche Posten während des Prozesses neu besetzt wurde.
Finanzielle Risiken der „böswilligen“ Freistellung
Versucht ein Arbeitgeber, die Freistellung als Druckmittel einzusetzen, geht er erhebliche finanzielle Risiken ein. Wird die Freistellung als rechtswidrig eingestuft, kann der Arbeitgeber über das reine Gehalt hinaus schadensersatzpflichtig werden – etwa für den Verlust von Fachkenntnissen oder beruflichem Ansehen durch lange Untätigkeit.
Die Annahmeverzugs-Falle bleibt dabei eine kritische Bedrohung. Bietet der Arbeitgeber den Arbeitsplatz aufgrund einer unwirksamen Freistellung nicht korrekt an, kann der Mitarbeiter sein volles Gehalt fordern, ohne arbeiten zu müssen. Die Lohnschuld des Arbeitgebers läuft dann weiter.
Höhere Abfindungen und neue Richter
Die verschärfte Rechtslage verändert die Verhandlungen bei Aufhebungsverträgen. „Die Option, jemanden einfach ‚bezahlt daheim zu lassen‘, verschwindet“, kommentierte ein Experte in einer Haufe-Analyse. Die Folge für 2026 werden voraussichtlich höhere Abfindungsangebote sein, mit denen Unternehmen sich von der Pflicht zur physischen Reintegration freikaufen wollen.
Die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer ist damit deutlich gestärkt. Sie können ihr Recht auf tatsächliche Arbeit nutzen, um bessere Austrittsbedingungen auszuhandeln.
In einer personellen Weichenstellung für künftige Urteile wählte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 18. Dezember 2025 zwei neue Richter an das Bundesarbeitsgericht: Matthias Kreutzberg-Kowalczyk und Dr. Markus Weingarth.
Klare Handlungsempfehlungen für Personalabteilungen
Die Botschaft zum Jahresende 2025 ist eindeutig:
1. Verträge prüfen: Freistellungsklauseln müssen konkret und an triftige Gründe geknüpft sein, keine pauschalen Rechte einräumen.
2. Reintegration planen: Steht ein Kündigungsprozess auf wackeligen Beinen, braucht es einen Plan zur echten Weiterbeschäftigung. Dauer-Freistellung ist ein teurer und rechtlich fragiler Plan B.
3. Abfindungskalkulation anpassen: Die gestiegene Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer durch ihr „Recht auf Arbeit“ muss in Abfindungsangebote einfließen.
Der deutsche Arbeitsmarkt bewegt sich weg von einer Grauzone bezahlter Untätigkeit. Die Devise lautet zunehmend: arbeiten lassen oder im Einvernehmen gehen.
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