Arbeitsrecht, Gerichte

Arbeitsrecht 2025: Gerichte setzen neue Maßstäbe für HR

26.12.2025 - 07:01:12

Das Bundesarbeitsgericht verschärfte 2025 die Regeln für Entgeltgleichheit und stärkte Arbeitgeberrechte bei Krankmeldungen. Die Urteile fordern mehr Transparenz und rechtzeitige Prozesse in der Personalarbeit.

Das Bundesarbeitsgericht hat 2025 mit wegweisenden Urteilen den Ton für die Personalarbeit der kommenden Jahre vorgegeben. Von der Entgeltgleichheit bis zur Krankmeldung: Die Richter in Erfurt verlangen von Unternehmen mehr Präzision und Transparenz. Ein Rückblick auf das juristische „Compliance-Jahr“.

Equal Pay: Beweislast kippt zu Ungunsten der Arbeitgeber

Die wohl einschneidendste Entscheidung des Jahres fiel Ende Oktober. Das BAG verschärfte die Regeln für Entgeltgleichheit und erleichterte es Beschäftigten erheblich, eine geschlechtsbezogene Gehaltsdiskriminierung vor Gericht zu beweisen.

Konkret reicht nun der Vergleich mit einem einzigen besser bezahlten Kollegen des anderen Geschlechts aus, um eine Vermutung für Diskriminierung zu begründen. Der Arbeitgeber muss anschließend nachweisen, dass der Gehaltsunterschied auf sachliche, geschlechtsneutrale Gründe zurückgeht – etwa besondere Qualifikationen oder Leistung.

Für Personalabteilungen bedeutet das eine Revolution. Intransparente oder nur „vertrauensbasierte“ Gehaltssysteme werden zum juristischen Risiko. Jede Gehaltsabweichung bei vergleichbarer Tätigkeit muss lückenlos und objektiv begründet sein. Experten rechnen für das erste Quartal 2026 mit einer Welle neuer Klagen.

Digitale Rechte: Grenzen für Gewerkschaften und Recruiter

Während Beschäftigte bei der Bezahlung zulegten, zogen die Richter beim digitalen Zugriff klare Grenzen – und schafften Rechtssicherheit für Unternehmen.

So haben Gewerkschaften kein automatisches Recht auf Zugang zur firmeneigenen digitalen Infrastruktur. Das BAG entschied im Januar, dass Arbeitgeber nicht verpflichtet sind, Gewerkschaften Mitarbeiter-E-Mail-Listen bereitzustellen oder deren Homepage im Intranet zu verlinken. Das schützt Eigentumsrechte und Datensicherheit der Unternehmen.

Erleichterung gab es auch für die Personalbeschaffung. Eine einfache Google-Recherche zu Bewerbern führt nicht automatisch zu Schadensersatzansprüchen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Voraussetzung: Die gefundenen öffentlichen Informationen müssen für die Stelle relevant sein. Das Urteil vom Juni ist jedoch kein Freibrief für systematisches Ausspähen.

Krankmeldungen: Misstrauen ist begründet

Ein Dauerthema blieb der Umgang mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU). Das BAG stärkte die Position von Arbeitgebern, wenn objektive Umstände begründete Zweifel an der Erkrankung wecken.

Im vielzitierten „Tunisien-Fall“ vom Januar verweigerte das Gericht die Entgeltfortzahlung. Ein Mitarbeiter war zum vierten Mal genau in seiner geplanten Urlaubswoche erkrankt und reichte eine ausländische AU ein. Dieses auffällige Muster erschütterte den Beweiswert der Bescheinigung. Der Arbeitgeber durfte die Zahlung einstellen, bis der Beschäftigte seinen tatsächlichen Gesundheitszustand besser belegte.

Die Botschaft an HR-Abteilungen ist klar: Eine AU ist nicht unantastbar. Bei ernsthaften Verdachtsmomenten – wie auffälliger Häufung um Urlaubs- oder Kündigungstermine – können und sollen Unternehmen genauer hinschauen.

Operative Fallstricke: Zielvereinbarungen und Betriebsratswahlen

Zwei weitere Urteile haben direkte Auswirkungen auf den HR-Alltag.

Wer Zielvereinbarungen für variable Gehaltsbestandteile zu spät festlegt, riskiert hohe Kosten. Das BAG urteilte im Februar, dass eine Vereinbarung, die erst weit im oder nach dem Leistungsjahr getroffen wird, ihre motivierende Funktion verliert. Der Arbeitnehmer kann dann den vollen Zielbonus (100 %) als Schadensersatz fordern – unabhängig von der tatsächlichen Leistung. Administrative Verzögerungen sind keine Ausrede mehr.

Komplex wird es auch bei Betriebsratswahlen in modernen Matrix-Organisationen. Das Gericht stellte klar, dass Beschäftigte, die mehreren Konzernbereichen zugeordnet sind, in allen relevanten Betriebsratswahlen aktiv wahlberechtigt sein können. Für Wahlvorstände und Personalabteilungen bedeutet das erheblichen organisatorischen Aufwand für die anstehenden Wahlen 2026.

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Ausblick 2026: Transparenz, KI und Betriebsratskosten

Die Dynamik im Arbeitsrecht wird auch im neuen Jahr anhalten. Die Equal-Pay-Rechtsprechung ist nur der Vorbote der EU-Transparenzrichtlinie, die 2026 noch detailliertere Berichtspflichten zur Entgeltgleichheit mit sich bringt.

Auf der Agenda des BAG dürften zudem der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Einstellungs- und Kündigungsprozessen sowie die Klärung von Aufwandsentschädigungen und Schulungskosten für Betriebsratsmitglieder in komplexen Konzernstrukturen stehen.

Die Botschaft des Jahres 2025 an alle Personalverantwortlichen ist eindeutig: Präzise Dokumentation und rechtzeitige Prozesse sind keine Kann-Bestimmung mehr, sondern eine richterliche Notwendigkeit. Die letzten Tage des Jahres sollten für eine Überprüfung der Gehaltsstrukturen und Zielvereinbarungsprozesse genutzt werden.

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