ADHS-Diagnosen bei Erwachsenen verdreifachen sich
16.12.2025 - 12:09:12
Die Zahl der ADHS-Erstdiagnosen bei Erwachsenen hat sich in zehn Jahren fast verdreifacht. Das zeigen aktuelle Daten des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi). Die Rate stieg von 8,6 auf 25,7 Fälle pro 10.000 Versicherte – ein Anstieg um 199 Prozent. Experten sehen darin das Ende einer Ära der Unterversorgung.
Viele Erwachsene erhalten nach Jahren endlich die korrekte Diagnose. Oft wurden ihre Symptome zuvor als stressbedingte Konzentrationsschwäche oder Burnout fehlgedeutet. Die Betroffenen leiden häufig nicht unter äußerer Hyperaktivität, sondern unter einem Defizit der Exekutivfunktionen. Ihr Gehirn kann Reize nicht filtern, was zu chronischer Vergesslichkeit und innerer Unruhe führt.
„Wir sehen hier keine Modeerscheinung, sondern das Ende einer Ära der Unterversorgung“, kommentieren Fachleute die Entwicklung. Die Symptome ähneln zwar denen von chronischem Stress, erfordern aber eine völlig andere Behandlung.
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Frauen holen bei Diagnosen massiv auf
Die Daten zeigen eine deutliche geschlechtsspezifische Verschiebung. ADHS galt lange als „Jungskrankheit“, doch der Anstieg der Diagnosen verläuft bei Frauen besonders steil. Bei ihnen äußert sich die Störung oft anders: nach innen gerichtet.
Statt körperlicher Unruhe erleben sie ein ständiges Gedankenkarussell und extreme Schwierigkeiten, den Alltag zu organisieren. Diese Symptome wurden früher häufig als Depression oder Angststörung fehldiagnostiziert. Die korrekte Einordnung als neurobiologische Ursache bedeutet für viele eine enorme Entlastung.
Brain Fog: Die organische Konzentrationsfalle
Neben ADHS rückt ein weiteres Phänomen in den Fokus: Brain Fog, oder Gehirnnebel. Ursprünglich stark mit Long Covid assoziiert, hat es sich als eigenständiges Symptombild etabliert. Patienten leiden unter kognitiven Einschränkungen als Folge von viralen Infektionen oder chronischen Entzündungen.
Anders als bei stressbedingter Erschöpfung hilft hier oft kein Urlaub. Die Differenzierung zwischen Überlastung, Neurodivergenz und post-viralen Ursachen ist zur Schlüsselaufgabe in der Diagnostik geworden.
Paradigmenwechsel: Von der Willenskraft zur Neurobiologie
Die Daten signalisieren einen fundamentalen Wandel. Konzentrationsschwäche wird nicht länger primär als Folge digitaler Reizüberflutung gesehen. Die medizinischen Fakten verweisen auf tieferliegende, klinische Ursachen.
Für Arbeitswelt und Gesundheitswesen hat das Konsequenzen:
* Pauschale Wellness-Programme greifen bei neurobiologischen Ursachen zu kurz.
* Unbehandelte ADHS oder Brain Fog verursachen massive Produktivitätsverluste.
* Der Diagnose-Anstieg entstigmatisiert das Thema. Konzentrationsfähigkeit ist nicht nur eine Frage des Willens.
Die Welle der Neudiagnosen hat ihren Höhepunkt wohl noch nicht erreicht. Für das kommende Jahr werden weiter hohe Zahlen erwartet. Neue Leitlinien sollen das Screening auf ADHS und Post-Viral-Syndrome künftig standardmäßig in die Abklärung von Erschöpfungssymptomen integrieren.
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