Aktien, Anleihen

Was nicht nur den DAX, sondern auch andere Euro-Aktien zurückhält

Aufgrund des Martin Luther King Day wurde der DAX gestern sich selbst überlassen. Das sorgte zum einen für eine niedrige Volatilität bei den Kursen. Aber zum anderen gibt es uns die Chance zu ergründen, warum der DAX und andere europäische Indizes den US-Märkten so beharrlich hinterherhinken.

Verheißung und Gefahr zugleich

Bevor ich Ihnen meine These dazu vorstelle, möchte ich Sie aber warnen: Sie ist Verheißung und Gefahr zugleich! Sollte der DAX seine Fesseln abschütteln können, dürfte er eine herausragende Aufholjagd beginnen. Im Falle einer Korrektur in den USA, könnte der DAX dagegen stärker fallen.

Ein einfacher Performancevergleich zeigt zwar, dass die europäischen Indizes sich im vergangenen Jahr sehr gut geschlagen haben. Unter den Top-Performern im neuen Jahr gibt es sogar einige Euro-Indizes, z.B. Österreichs ATX und Italiens MIB. Den DAX scheint aber irgendetwas auszubremsen. Besonders deutlich wird dies im folgenden Chart:

DAX und Dow im Nachwahljahr 2017

(Quelle: MarketMaker, eigene Berechnungen)

Schere zwischen DAX und US-Indizes geht wieder auf

In diese Charts ist der tatsächliche Kursverlauf von DAX (links) und Dow Jones (rechts) in Rot eingezeichnet, während die schwarzen Kurven den jeweiligen durchschnittlichen Verlauf von DAX und Dow in einem Nachwahljahr darstellen, welches wir 2017 ja hatten.

Man sieht, dass beide Indizes sich nahezu das gesamte Jahr an ihren Durchschnittsverlauf hielten. Nur bei der Korrektur im Sommer wich der DAX deutlich davon ab. Doch dieser Rückschlag wurde im Herbst schnell wieder egalisiert. Im November kam es dann zur nächsten Abweichung. Der DAX ging in eine Konsolidierung über, die bis heute anhält. Gleichzeitig ging der Dow Jones in seine nächste Rallystufe über (siehe gelbe Rechtecke). Entsprechend geht die Schere also immer weiter auseinander.

Dies ist besonders verwunderlich, da die Lage eigentlich weiterhin unverändert ist: Konjunktur, Bewertung, Stimmung und Charttechnik deuten klar auf europäische Aktien. Zu diesem Ergebnis sind wir auch in der Börse-Intern mehrfach gekommen. Doch was bremst dann den Kursanstieg hierzulande?

Was tun, wenn nichts mehr geht?

In einem Fall wie diesem, wenn man mit seinen Überlegungen nicht vorankommt, die Dinge einfach nicht zusammenpassen wollen und als unlogisch erscheinen – dann hilft häufig ein Perspektivwechsel. Das ist zunächst leichter gesagt als getan. Doch Charttechniker haben zum Glück eine paar nützliche Werkzeuge dazu. Dazu zählen: relative Vergleiche, Berücksichtigung von Währungsrelationen, Betrachtung der Kurse aus langfristiger Perspektive usw.

In unserem Fall hilft uns das beim DAX leider auch nicht wirklich weiter. Dafür aber bei anderen Indizes! Dazu der langfristige Chart des STOXX Europe 600, des paneuropäischen Leitindex (Euro-Aktien plus Aktien Großbritanniens, der Schweiz und Skandinaviens):

STOXX 600 Monatschart seit 2000

(Quelle: MarketMaker)

Das bremst den Kurs im STOXX 600 aus

So befindet sich der STOXX 600 vor einem massiven Widerstand, der 400-Punkte-Marke (blaue Linie), an der bereits die Hochs von 2000, 2007 und 2015 gebildet wurden. Schon dreimal scheiterte der Index an diesem, offenbar neuralgischen Niveau! Anschließend folgte jeweils kräftiger und längerer Kursverlust. Stets brauchte es mehrere Jahre bis erneut die 400-Punkte-Marke bzw. der alte Widerstandsbereich (rote Zone) erneut angesteuert wurde.

Und 2018 könnte es wieder soweit sein. Es wird spannend werden zu sehen, ob diesmal der Ausbruch gelingt. Denn seit mehreren Monaten bildet sich eine leicht ansteigende Konsolidierungsformation in Form eines Keils (siehe rote Linien). Bei dieser kann es sich um eine klassische Fortsetzungsformation handeln, doch häufig stellt sie sich auch als Trendabschlussformation heraus. Kommt es zum Rückfall, könnte dies zu einem Bruch des seit 2009 gültigen Aufwärtstrends führen und die Kurse anschließend bis zur 300-Punkte-Marke (grüne Linie) „durchgereicht“ werden.

Das ist natürlich nur ein Szenario – das bearishe. Es gibt aber auch ein bullishes. In diesem gelingt dagegen der Ausbruch nach oben – und dann dürfte der STOXX 600 vieles nachholen!

Die hohe Hürde des Euro STOXX 50

Auch die aktuelle Schwäche des Euro STOXX 50 lässt sich mit Hilfe einer langfristigen Perspektive erklären (siehe Börse-Intern vom 11.01.2018). Zwar ist der Weg bis zu den Hochs von 2015, 2007 oder gar 2000 noch weit (siehe folgender Chart). Offenbar bremsen derzeit aber die Abwärtslinien, die von diesen Hochs ausgehen, den weiteren Anstieg.

Euro STOXX 50 Monatschart seit 2000 

(Quelle: MarketMaker)

Zwar konnte der Kurs die Hürde der Ersten Abwärtslinie nehmen, die im Jahr 2000 begann. Der Ausbruch wurde sogar vom Euro STOXX 50 mit einem Test dieser Linie von oben bestätigt (siehe Pfeil). Jedoch bleibt die Linie durch die Hochs von 2007 und 2015 weiterhin als Widerstand bestehen. Der Kampf um diesen entscheidenden Widerstand tobt aber bereits. Im STOXX 600 pirschen sich die Bullen hingegen erst noch heran.

Der Aha-Effekt beim DAX!

Mit dem Wissen über die Knackpunkte bei den europäischen STOXX-Indizes ausgerüstet fällt es nun auch leichter, die angezogene Bremse im DAX zu finden. Wir müssen unseren Blick nur auf den Kurs-DAX, nicht auf „normalen“ DAX richten!

(Es ist leider ein immerwährendes Ärgernis, dass irgendwer bei der Deutschen Börse mal auf die Idee kam, man müsste „den“ DAX als Performance-Index vermarkten. Jeder andere Leitindex weltweit wird als Kurs-Index angegeben – auch wenn die Performance-Indizes als untergeordnete „Ableger“ ebenfalls berechnet werden. Die Mitglieder der DAX-Familie – also auch MDAX, SDAX, TecDAX usw. – tanzen dagegen aus der Reihe. Hier sind die Kurs-Indizes unter „ferner liefen…“.)

Wenn Sie also einen Blick auf den folgenden Chart des Kurs-DAX werfen, werden Sie bestimmt einen Aha-Effekt haben:

 

Kurs-DAX Monatschart seit 2000 

(Quelle: MarketMaker)

Die Gemeinsamkeiten zum DAX

Auch der (Kurs-)DAX befindet sich unmittelbar an einem massiven langjährigen Widerstand! Und zwar das Hoch von 2000, bei 6.266,15 Punkten (blaue Linie), welches zuletzt erst 2015 wieder angesteuert wurde. Aber den Bullen gelang damals der Ausbruch nicht und sie mussten mehr als zweieinhalb Jahre, bis zum Herbst 2017 warten, um die blaue Linie erneut in Reichweite zu bekommen.

Nun kämpft der (Kurs-)DAX schon wieder um den Ausbruch, womit man die Verbindung zum Euro STOXX 50 ziehen kann. Mit dem STOXX 600 verbindet ihn derweil die Keilformation, in der er sich derzeit bewegt (siehe rote Linien).

Somit gilt auch im DAX: Die Verheißung ist, dass der Ausbruch nach oben gelingt. Je weiter die US-Indizes ihre Rally fortsetzen können, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit dafür. Denn dann sollte auch der DAX mitgezogen werden, der – bezogen auf den Kurs-DAX – schon ganz knapp vor dem Durchbruch steht.

Die Gefahr lauert in den USA

Auf der anderen Seite lauert die Gefahr, dass die US-Indizes vorher in ihre große Korrektur übergehen, mit der viele schon seit längerer Zeit rechnen. Im Falle eines erneuten Scheiterns oder gar einem Fehlausbruch des (Kurs-)DAX an der blauen Linie könnten die Folgen verheerend sein. Im schlimmsten Fall könnte der Kurs bis an die Tiefs von 2014 und 2016 bei knapp 4.200 Punkten (unterste grüne Linie) zurückfallen. Dies entspricht einem Einbruch von mehr als 30 % vom aktuellen Niveau aus. Dann würde auch eine große Seitwärtsbewegung unterhalb des Hochs in Frage kommen (siehe blaues Rechteck).

Aber ganz so fatal muss es am Ende doch nicht werden. Schließlich gibt es beim (Kurs-)DAX vorher schon viele gute Unterstützungen. Dabei ist die auffälligste natürlich zwischen den Hochs von 2007 und 2014 (grüne Zone) bei 5.200 bis 5.300 Punkten. Dann hätten wir es nur noch mit einer fast „normalen“ Korrektur in einem intakten Bullenmarkt (-17 %) zu tun.

Aber auch ein Weiterlaufen innerhalb eines noch intakten Aufwärtstrends seit 2009 ist möglich. Bei  5.400/5.500 Punkten könnte aus aktueller Sicht dessen Unterkante erreicht werden – das Ergebnis wäre eine relativ moderate Korrektur von nur 12 %.

Fazit

Die massiven historischen Widerstände, an denen die Leitindizes Euro STOXX 50 und STOXX 600, sowie der (Kurs-)DAX stehen, sind ein plausibler Grund für die aktuelle Schwäche der europäischen Indizes gegenüber ihren US-Pendants.

Seit dem Jahr 2000 scheiterten die Indizes schon mehrfach an ihnen und tun sich nun entsprechend schwer, sie diesmal zu knacken und einen Ausbruch nach oben zu wagen. Dabei stellt vor allem eine baldige Korrektur in den USA eine große Gefahr dar, der Auslöser für einen Rückfall von diesen wichtigen Niveaus zu werden.

Sollte die Rally in den USA noch eine Weile anhalten, erleben wir womöglich auch bald im DAX und Co. neue Hochs. Dann dürfte auch ein erhebliches Nachholpotenzial für europäische Aktien frei werden, gestützt aus fundamentaler, bewertungs- und stimmungstechnischer Sicht.

Mit besten Grüßen

Ihr Torsten Ewert

 (Quelle: www.stockstreet.de)

@ ad-hoc-news.de | 16.01.18 10:21 Uhr