Aktien, Anleihen

Die Gefahr der Sorglosigkeit: Wenn Stabilität zu Instabilität führt

Gestern konnten vor allem die Aktien der Rückversicherer deutliche Kursgewinne realisieren. So führte zum Beispiel die Aktie der Münchener Rück den DAX mit knapp 4 Prozent an. Grund dafür sind die geringer als gedachten Schäden, die durch Hurrikan Irma entstanden sind.

Aber außer bei den Versichern, hatte der größte atlantische Hurrikan der Geschichte der USA, kaum einen Einfluss auf die Aktienmärkte. Und genau dies ist bemerkenswert. .

Der „Normalfall“

Im Normalfall kommt es vor einer möglichen Naturkatastrophe zu Kursverlusten am Markt. Schließlich wird die lokale Wirtschaft zeitweise lahmgelegt, wodurch sowohl die Produktion der Industrieunternehmen, als auch die Umsätze der Dienstleister wegfallen. Dies reduziert das Einkommen vieler Menschen und lässt die Arbeitslosigkeit kurz steigen, was wiederum den Konsum belastet. Dazu kommt dann noch, dass mit einem Schlag große Vermögenswerte einfach ausgelöscht werden. Alles zusammen genommen sorgt dies für eine kleine konjunkturelle Delle, welche die Kurse belastet und entsprechend eingepreist werden müsste.

Wie Naturkatastrophen Wachstum bringt

Erst danach kommt es dann zu den positiven konjunkturellen Auswirkungen des Wiederaufbaus, auf diese dann von den Anlegern gewettet werden. Entstehen tun diese zum Beispiel durch die Wiederherstellung der Infrastruktur oder neue Errichtung und Einrichtung der Häuser. Dadurch bekommen viele Menschen wieder Arbeit und Unternehmen neue Aufträge. Entsprechend hilft der Wiederaufbau die Konjunktur kurzfristig anzustoßen. Auf diesen Mechanismus setzen die Anleger, sofern das betreffende Land ausreichend wohlhabend ist, den Wiederaufbau finanzieren zu können.

Die Märkte bleiben unbeeindruckt

Im Gegensatz dazu sind die Anleger im Vorfeld des größten Hurrikans an der Ostküste der USA vergleichsweise unbeeindruckt geblieben. Diese Art der Sorglosigkeit hatten wir nun schon des Öfteren thematisiert. Völlig egal ob wir es mit Naturkatastrophen, Terroranschlägen oder geopolitischen Problemen zu tun hatten – die Anleger lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Dadurch entstandende kleinere Kursrücksetzer wurden stets wieder schnell aufgekauft.

Daher kommt die Sorglosigkeit

Ganz kann man das den Märkten auch nicht verdenken. Schließlich läuft die Rally seit neun Jahren unbeeindruckt von all den Horrorszenarien, Risikofaktoren und Naturkatastrophen. Völlig egal was passierte, die Kursgewinne gingen weiter. Also zog man daraus die Lehre: Wer verkauft, ist dumm, denn der Markt steigt sowieso wieder.

Die dauerhafte Rally hat die Teilnehmer somit träge und die meisten Investoren unaufmerksam gemacht.

Darum ist dies so gefährlich

Aber eben diese Unaufmerksamkeit kann sehr gefährlich werden. Nämlich dann, wenn die Anleger dadurch den kritischen Punkt verpassen, ab dem der Markt kippt.

Und dieser „Kippmechanismus“ funktioniert wie folgt:

Wenn die Kurse nur leicht sinken, können dies die Anleger gut verkraften. Wenn sie aber anfangen stärker zu fallen, gibt es irgendwann einen kritischen Punkt, an dem sich diese Ruhe in Panik verwandeln wird. Dieser kritische Punkt wird von zwei Faktoren beeinflusst.

1. Die Computer-Algorithmen setzen nach neun Jahren Rally mittlerweile nahezu ausnahmslos auf diverse Trendfolge-Strukturen. Stürzen die Kurse stärker ab, stellen  diese irgendwann auf „Verkaufen“. Die Frage ist aber, ab welchem Niveau dies der Fall sein wird.

 2. Fraglich ist ebenfalls, wie groß die Kursverluste werden müssen, bis auch eine kritisch hohe Anzahl von Anlegern den Verkaufen-Button drücken?

Das Risikobewusstsein

Wenn das Risikobewusstsein der Anleger normal oder erhöht ist, verkaufen zunächst die am meisten risikoavers sind – anschließend dann die etwas weniger Ängstlichen und so weiter. Bei den Computerprogrammen verhält es sich ähnlich. Je nachdem wie unterschiedlich sensibel (programmiert) sie sind, schalten sie eigentlich nach und nach auf Verkaufen um. Das Ergebnis sind eher gleichmäßige Verkaufsorders. Die Kurse fallen deshalb eher geordnet und langsam, wodurch viel Zeit bleibt die Lage zu beurteilen.

Falls sowohl die Anleger als auch die Computerprogramme höchst unempfindlich bzw. unaufmerksam eingestellt sind, verkauft erst mal fast niemand, lediglich die Käufer verschwinden. Dadurch vergrößert sich die Gefahr, dass ab einen kritischen Punkt schlagartig alle etwa gleichzeitig in „Panik“ geraten - Menschen und Computerprogramme.

Kaskadeneffekt: Wenn es einmal losgeht

Ist dieser Punkt einmal überschritten, werden die Trendfolgesysteme auf Verkaufen umstellen und die Anleger nervös versuchen zu retten, was noch zu retten ist. Die stärke werdende Abwärtsbewegung löst immer neue Verkäufe aus, die die Kurse immer schneller hinunter reißen. Gerade die Computerprogramme werden diesen Ablauf enorm beschleunigen.

Und die Moral der Geschichte ist: Je sorgloser die Märkte sind, desto höher ist die Gefahr eines Crashs. So sorglos wie die Märkte zur Zeit sind, ist auch das Crash-Risiko erhöht.

Dazu ein Zitat von Hyman Minsky: „Stabilität führt zu Instabilität. Je stabiler die Dinge werden und je länger sie stabil bleiben, desto instabiler werden sie sein, wenn die Krise kommt.“

Auf das Timing kommt es an

Das wirkliche Problem hierbei ist aber das Timing: Schließlich kann die Sorglosigkeit noch lange anhalten und die Kurse können noch weiter zulegen. In den vergangenen Jahrzehnten ist es immer wieder passiert, dass erfahrene Anleger angesichts der steigenden Kurse und der Sorglosigkeit Angst bekamen (zurecht), die Kurse aber trotzdem immer weiter gestiegen sind – zum Teil noch jahrelang (z.B. bei der Rally, die erst im Jahr 2000 endete).

Das bedeutet für Sie: Wenn die Märkte sorglos werden, müssen Sie vorsichtig werden. Das heißt nicht, dass Sie alles verkaufen sollen. Das Wissen um die Gefahr muss aber dazu führen, dass Sie sehr aufmerksam die Märkte verfolgen und sich eben nicht einlullen lassen! Wenn es dann wirklich zum Crash oder einer ausgedehnten Korrektur kommt, können Sie anschließend wieder sorgloser einsteigen. Dann, wenn die Märkte panisch sind.

Es ist diese Fähigkeit, immer das Gegenteil der Masse zu tun, die Börse so unendlich schwierig macht.


Mit besten Grüßen

Ihr

Stockstreet-Team

(Quelle: www.stockstreet.de)

@ ad-hoc-news.de | 12.09.17 10:00 Uhr