Aktienmärkte, DAX

Aktien, Gold, Anleihen - die Liquiditätsflut hebt alle Boote

Wenn der DAX am Montag um satte 5,67 % in die Höhe schießen konnte, weil der Coronavirus-Impfstoff des Pharmakonzerns Moderna bei einer kleinen Gruppe gesunder Freiwilliger den Körper angeregt haben soll, schützende Antikörper zu produzieren, müsste der Index dann heute nicht wieder auf dem Niveau vom vergangenen Freitag zurückgefallen sein?!

Unvollständige Daten zum Moderna-Impfstoff

Schließlich hat inzwischen ein Medienbericht Zweifel an der potenziellen Wirksamkeit des Moderna-Impfstoffs geweckt. Die vorgelegten Zwischenergebnisse würden keine kritischen Daten liefern, die zur Bewertung der Wirksamkeit nötig seien, berichtete das auf den Gesundheitssektor spezialisierte US-Onlineportal Stat News unter Berufung auf Experten.

Ein weiteres Medikament sorgt für Enttäuschung

Und noch ein weiteres potentielles Medikament sorgte für Enttäuschung: Avigan, ein Mittel der japanischen Fujifilm Holdings. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Kyodo berichtet, lägen nach klinischen Studien bislang keine eindeutigen Beweise für die Wirksamkeit des Anti-Grippe-Mittels bei der Behandlung von Covid-19 vor. Die Daten ließen Zweifel aufkommen, ob eine Zulassung wie von der Regierung gefordert bis Ende des Monats erfolgen könne, heißt es in dem Bericht. Unabhängig davon gibt es bereits Bedenken, da es in Tierstudien nachweislich Geburtsfehler verursacht haben soll.

Das Interesse an Avigan, allgemein als Favipiravir bekannt, war im März angeheizt worden, nachdem ein Regierungsvertreter erklärt hatte, es scheine Covid-19 Patienten bei der Genesung zu helfen. Immerhin ist es aktuell Gegenstand von mindestens 16 klinischen Studien auf der ganzen Welt.

Positive Meldungen werden honoriert, negative ignoriert

Doch die Aktienmärkte ließen sich von beiden Negativ-Meldungen kaum beeinflussen. Es gab zwar vorgestern Rücksetzer, diese fielen aber sehr moderat aus und waren angesichts der Kursrally von Montag nicht bearish zu werten.

Ist die Argumentation, dass Meldungen über Medikamente bzw. Impfstoffe und Hoffnungen auf eine schnelle konjunkturelle Erholung die Kurse treiben, dann überhaupt schlüssig, wenn die Kurse zwar bei positiven Meldungen (stark) steigen, bei gegenteiligen Meldungen aber nicht (ebenso stark) fallen?

Um diese Frage zu beantworten, hilft es, wenn man neben den Aktienmärkten auch auf die Anleihemärkte und den Goldpreis schaut. Denn dann stellt man fest, dass es am Montag einerseits zu einer Kursrally an den Aktienmärkten und andererseits zu Kursverlusten bei den sicheren Häfen gekommen ist. Der Goldpreis hat zum Beispiel vom Tageshoch bis zum -tief mehr als 2 % nachgegeben (siehe roter Pfeil im folgenden Chart).

Gold - Chartanalyse

Und der Bund-Future als Vertreter der deutschen Anleihekurse hat am Montag eine Aufwärtstrendlinie gebrochen, die seit Mitte März Bestand hatte (siehe rote Ellipse im folgenden Chart).

Bund-Future - Chartanalyse

Die Anleger haben also an besagtem Tag in den „Risk-On“-Modus geschaltet, Aktien gekauft und sichere Häfen verkauft. Man kann dem Argument bezüglich des Impfstoffs als Kurstreiber also durchaus folgen.

Doch beim Blick auf die Charts fällt auch auf, dass die sicheren Häfen nach dem Kursrutsch von Montag nicht mehr weiter nachgegeben haben. Der Goldpreis konnte seit vorgestern sogar wieder deutlich zulegen, gemeinsam mit den Aktienmärkten. Es hat also keine großen Umschichtungen nach dem Motto „raus aus sicheren Häfen, rein in Aktien“ mehr gegeben, aber auch keine Umschichtungen nach dem Motto „raus aus Aktien, rein in sichere Häfen“, trotz der Negativ-Meldungen in Sachen Medikament bzw. Impfstoff. Die Anleger honorieren also derzeit bullishe Nachrichten, reagieren aber kaum auf bearishe Meldungen. Die Stimmung der Käufer scheint derzeit nichts trüben zu können.

Die Flut hebt alle Boote

Und dies führe ich auf die Liquiditätszufuhr von Regierungen und Notenbanken zurück – Stichwort: Vermögenspreisinflation. Doch durch die zusätzliche Liquidität besteht für viele Investoren keine Notwendigkeit, bestehende Investitionen aufzulösen, um sie in andere Anlagen umzuschichten, je nach Nachrichtenlage im „Risk-On“- oder „Risk-Off“-Modus. Stattdessen können bestehende Investitionen gehalten und durch die zusätzliche Investition aufgestockt werden, wovon Aktien, Anleihen und Gold seit dem 19. März fast gleichermaßen profitieren, frei nach dem Motto: Die Flut hebt alle Boote.

Gold nach dem bullishen Ausbruch aus der Wimpel-Formation

Der Goldpreis kann davon aktuell noch weiter profitieren, solange er den bullishen Ausbruch aus der Wimpel-Formation (blaue Linien im Chart oben) nicht neutralisiert. Wie in der ausführlichen Gold-Analyse vom 12. Mai erwartet, hat sich diese Formation als trendbestätigend herausgestellt und weiter steigende Kurse gebracht. Der Angriff auf das Hoch von 2011 bei rund 1.900 USD ist damit weiterhin wahrscheinlich. Doch wenn das Tief der Formation vom 21. April bei 1.61 USD unterschritten wird, sollte man vorsichtig sein. Long-Positionen könnte man hier also per Stop-Loss inzwischen absichern. 

Und unverändert gilt: „Und wenn der Goldpreis auf unter 1.532,80 USD nachgeben sollte, sehe ich den Aufwärtstrend als stark gefährdet an. Dann erwarte ich wieder eher eine große Seitwärtstendenz des Edelmetalls oder langfristig nur moderat steigende Preise bei mittelfristig größeren Kursschwankungen.

Bund-Future nun am oberen Ende der Seitwärtsrange?

Der Bund-Future könnte es derweil schwerer haben, weiter steigende Kurse zu generieren. Denn da die Bundesregierung durch die Coronavirus-Krise wieder mehr Schulden machen muss, steigt das Angebot an Staatsanleihen. Zwar kauft die Europäische Zentralbank weiterhin einen großen Teil davon auf, dennoch ist das Angebot erhöht. Und so könnte sich die große Seitwärtsbewegung etablieren (siehe gelbes Rechteck im Chart oben), die ich zuletzt am 27. März für den Bund-Future besprochen hatte (siehe „Bund-Future: Das untere Ende der Seitwärtsbewegung scheint gefunden“). Nachdem er damals das untere Ende der Range etabliert hatte (grüner Bereich), könnte er nun das obere Ende ausbilden. Der Bruch der Aufwärtstrendlinie ist ein Indiz dafür, dass den Bullen auf dem aktuellen Niveau die Puste ausgeht. Das Restpotential erscheint daher im Bund-Future begrenzt.

Und auch hier gilt unverändert: „Wenn sich […] die Seitwärtsbewegung damit weiter etabliert, könnte man diese zum Trading nutzen, um am oberen Ende der möglichen Range short und am unteren Ende (grüner Bereich) long zu gehen. Im „Target-Trend-Spezial“ werden wir diese Möglichkeit sicherlich weiterhin beobachten.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus

 (Quelle: www.stockstreet.de)

@ ad-hoc-news.de | 21.05.20 07:19 Uhr