Bernardo Arévalo, Guatemala

Die Menschen feiern mit Hupkonzerten und tanzen auf den Straßen nach dem Wahlsieg des Sozialdemokraten Arévalo.

21.08.2023 - 18:04:30

Guatemala: Korruptionsbekämpfer wird neuer Präsident. Auf Plakaten ist zu lesen: «Der Frühling ist da». Die Erwartungen sind groß.

Guatemala steht vor einer Kehrtwende: Der sozialdemokratische Korruptionsbekämpfer Bernardo Arévalo wird der nächste Präsident des mittelamerikanischen Landes. Der Kandidat der Partei Movimiento Semilla (Bewegung Saatkorn), der bis vor zwei Monaten als Außenseiter galt, erhielt bei der Stichwahl 58 Prozent der Stimmen, wie die Wahlbehörde mitteilte.

Seine Gegnerin, die dreimalige Präsidentschaftskandidatin Sandra Torres, kam auf 37,2 Prozent. Allerdings räumte die ehemalige First Lady ihre Wahlniederlage zunächst nicht ein. Der ausscheidende konservative Präsident Alejandro Giammattei gratulierte dem 64-jährigen Arévalo zum Sieg.

«Dieser Sieg gehört dem guatemaltekischen Volk, und jetzt werden wir gemeinsam gegen die Korruption kämpfen», sagte der Wahlsieger in der Nacht auf Montag. Ab seinem Amtsantritt am 14. Januar werde er Politik für alle 17 Millionen Einwohner Guatemalas machen.

Die Europäische Union gratulierte Arévalo zu dem Wahlsieg und dem guatemaltekische Volk für ihr starkes Engagement für die Demokratie. Nun sei von entscheidender Bedeutung, dass alle staatlichen Institutionen und Bereiche der Gesellschaft zu dem geordneten Übergang beitrügen, hieß es in einer Mitteilung.

«Der Frühling ist da»

Der Soziologe Arévalo ist der Sohn des ersten demokratisch gewählten Präsidenten Guatemalas, Juan José Arévalo (1945-1951). Er wurde 1958 während des Exils seines Vaters in Uruguay geboren und studierte in Israel und den Niederlanden. In den 1990er Jahren war er Vizeaußenminister und Botschafter Guatemalas in Spanien. Später arbeitete er bei der internationalen Organisation Interpeace im Bereich Konfliktlösung. Er war auch Abgeordneter seiner Partei, die nach den Bürgerprotesten von 2015 gegen Korruption gegründet wurde.

Die Generalstaatsanwaltschaft hatte vor den Wahlen angekündigt, wegen mutmaßlicher Rechtsverstöße weiter gegen die Partei Semilla zu ermitteln. Kritiker werfen der Staatsanwaltschaft vor, von den korrupten Machteliten beeinflusst zu sein.

Nach Arévalos Wahlsieg feierten viele Menschen mit Blau-Weißen-Fahnen auf den Straßen. «Der Frühling ist da», war auf Plakaten zu lesen. Guatemala ist das bevölkerungsreichste Land in Mittelamerika und die größte Volkswirtschaft der Region mit hohen Armutsraten. Tausende Menschen verlassen jeden Monat das Land und versuchen auf der Suche nach einem besseren Leben, über Mexiko in die USA zu gelangen. Weitere wichtige Themen für die Guatemalteken sind Kriminalität, Inflation und Arbeitslosigkeit.

Die im US-Exil lebende Ex-Generalstaatsanwältin Thelma Aldana spricht von der Aussicht auf einen «demokratischen Frühling» mit Arévalo. Allerdings dürften korrupte Machteliten versuchen, die künftige Regierung zu destabilisieren, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Semilla wird mit nur 23 von 160 Abgeordneten keine eigene Mehrheit im Parlament haben.

«Pakt der Korrupten»

«Da der «Pakt der Korrupten» stark ist, weil er über wirtschaftliche und politische Ressourcen verfügt und die Institutionen der Justiz zu seinen Diensten hat, besteht immer ein Risiko», sagte die Juristin, die 2018 für ihre Arbeit gegen die Korruption mit dem als alternativen Nobelpreis bekannten Right Livelihood Award ausgezeichnet wurde. Die Bürger würden aber das Gegengewicht bilden. «Die Legitimität ist sehr wichtig, wenn es um Regieren geht», sagte sie. Unter dem «Pakt der Korrupten» versteht man in Guatemala eine informelle Allianz zwischen politischen, wirtschaftlichen, juristischen und kriminellen Akteuren zum Schutz der eigenen Interessen.

Im Juni war Arévalo, der gegen die Korruption und Erosion der Demokratie in Guatemala vorgehen will, unerwartet zweitstärkster Kandidat im ersten Wahlgang geworden. Auf dem ersten Platz landete Torres. Bei den vorherigen beiden Wahlen war Torres jeweils in der Stichwahl gescheitert.

@ dpa.de