Jürgen Trittin

Jürgen Trittin kritisiert Europapolitik der Bundesregierung

08.04.2020 - 12:53:36

Scharfe Kritik äußerte der Außenpolitiker der Grünen, Jürgen Trittin, an der Europapolitik der Bundesregierung während der Corona-Krise.

Zu den aktuellen Verhandlungen der Finanzminister der EU äußerte sich der Grünen-Politiker in der Donnerstagsausgabe der "Welt" kritisch. Mit Blick auf die bisherige Entwicklung der Gespräche dürfte für viele Italiener und Spanier ein Ergebnis schon feststehen: Deutschland tritt im Kampf um die Bewältigung der Krise völlig empathielos auf. Auch wenn die Niederländer noch härtere Positionen äußerten, sei Olaf Scholz kaltherzig aufgetreten. Verloren habe im Poker um ein Hilfspaket vor allem die Europäische Union.

Dass es bisher keine europäische Antwort auf die Coronakrise gibt, sei der Bundesregierung zuzuschreiben, meint Trittin. Aus ideologischen Erwägungen verhindere sie eine Einigung. Das Signal aus Berlin sei, dass jedes Land die Krise allein bewältigen müsse. Nach Ansicht des Grünen-Politikers ähnelt die Haltung Berlins der Position in der Finanzkrise vor elf Jahren. Als die globalen Finanzmärkte in Turbulenzen gerieten, ließ Deutschland Spanien und Italien mit ihren Schulden allein. Die Länder wurden damals zu drastischen Sparmaßnahmen gezwungen, worunter besonders das Gesundheitswesen litt. Deutschlands Austeritätspolitik von damals sei heute mit dafür verantwortlich, dass gerade in diesen Ländern die Zahl der Toten so hoch ist. Trittin wollte Deutschland aber keine durchgängige unsolidarische Haltung vorwerfen. Immerhin nehme das Land Patienten aus anderen EU-Ländern auf. Trotzdem hält Jürgen Trittin die Kritik des Präsidenten der Lombardei und des Bürgermeisters aus Bergamo für berechtigt. Der Grüne glaubt, dass die EU nach der Krise anders sein werde, als wir sie bisher kannten. Auch wenn die Grenzen wieder durchlässiger werden, dürften die atmosphärischen Störungen zwischen dem Norden und dem Süden nachwirken. Die Spaltung durch die nationalistisch befeuerte Austeritätspolitik werde über die Krise hinaus andauern. Der Außenpolitiker forderte ein Ende der Verweigerung von europäischen Instrumenten zur Bewältigung der Krise. Es müsse eine Rückkehr zur Solidarität auf europäischer und internationaler Ebene erfolgen, denn ein Scheitern werde sich rächen. Der Kurs des Ministerpräsidenten Ungarns, Viktor Orban, dürfe nicht unbeantwortet bleiben, mahnte Jürgen Trittin mit Blick auf deutsche Konzerne. Nach Einschätzung des Grünen entstehe in Ungarn eine autoritäre Staatswirtschaft, in der vielerorts Armeeoffiziere das Sagen hätten. Ungarn profitiere sehr stark von der Zulieferindustrie für die deutsche Autoindustrie. Orban bekäme Probleme, wenn BMW und Volkswagen diese Entwicklung nicht mitmachen würden.

 

Redaktion ad-hoc-news.de, berufstouri

@ ad-hoc-news.de