Themenmangel gibt es bei der Münchner Sicherheitskonferenz keinen.
17.02.2023 - 21:27:15Ukraine fordert Streumunition und Phosphor-Brandwaffen. Der ukrainische Regierungsvize fordert die Lieferung umstrittener Waffen. Und dann ist da noch die Ballon-Affäre zwischen den USA und China.
Nach Kampfpanzern und Kampfjets hat die Ukraine auf der Münchner Sicherheitskonferenz den westlichen Verbündeten einen neuen Waffen-Wunsch für den Kampf gegen Russland präsentiert. Vizeregierungschef Olexander Kubrakow forderte Streumunition und Phosphor-Brandwaffen - der Einsatz beider Waffen ist sehr umstritten. Wie Russland wolle auch sein Land diese «Art von Kampfmitteln» nutzen. «Es ist unser Staatsgebiet.» Er verstehe die Schwierigkeiten wegen Konventionen, aber diese Art von Munition könne dazu beitragen, dass man den Angreifern standhalten könne.
Kubrakow spielte damit darauf an, dass der Einsatz von Streumunition völkerrechtlich geächtet ist. Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper freisetzen. Phosphormunition kann bei Menschen schwerste Verbrennungen und Vergiftungen verursachen.
Kubrakow warb zudem erneut um die Lieferung von Kampfjets. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki machte deutlich, dass sein Land bereit wäre, gemeinsam mit anderen Kampfjets an die Ukraine zu liefern. Als Voraussetzung nannte er allerdings eine «Nato-Entscheidung» für einen solchen Schritt.
Trotz der drastischen Forderungen ist nicht davon auszugehen, dass US-Außenministerin Kamala Harris oder der britische Premierminister Rishi Sunak in ihren mit Spannung erwarteten Reden darauf eingehen werden. Bei Harris stellt sich zudem die Frage, wie sie auf die Ballon-Affäre zwischen den USA und China eingeht.
Vor knapp zwei Wochen hatte das US-Militär einen mutmaßlichen Spionageballon vor der Küste des Bundesstaats South Carolina über dem Atlantik abgeschossen. Die USA werfen China vor, es habe Militäreinrichtungen ausspionieren wollen. Peking spricht dagegen von einem zivilen Forschungsballon, der vom Kurs abgekommen sei.
Wallace sieht «Konsens» gegen schnelle Lieferung von Kampfjets
Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace sieht in den Reihen der Verbündeten weitgehende Einigkeit darüber, dass eine schnelle Lieferung von modernen Kampfjets an die Ukraine ausgeschlossen ist. Diese Haltung sei «Konsens unter den westlichen Partnern», sagte Wallace dem «Spiegel» am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. «Es wird keine schnellen Kampfjet-Lieferungen geben, ganz sicher nicht in dieser Kriegsphase, ziemlich sicher auch nicht in einem halben Jahr», sagte Wallace, der damit Äußerungen der vergangenen Tage bekräftigte.
Moderne Flugzeuge wie der «Eurofighter» könnten «erst nach dem Krieg an die Ukraine geliefert werden, sagte Wallace demnach. Das Training der Piloten dauere lange. Zudem brauche man für einen Betrieb sehr viele Techniker am Boden. «Trotzdem signalisieren wir mit der grundsätzlichen Bereitschaft, irgendwann diesen Schritt zu machen, erneut unsere Entschlossenheit, der Ukraine so lange zu helfen, wie es nötig ist», sagte Wallace.
Der Minister warnte vor zu großen Erwartungen an die kürzlich beschlossenen Panzer-Lieferungen an die Ukraine. «Natürlich werden die Panzer die Ukrainer stärker machen, aber sie sind kein Zaubertrank, der von einem Tag auf den anderen alles ändert», sagte der Minister.
Chinas oberster Außenpolitiker Wang Yi in München
Es wird spekuliert, dass sie oder US-Außenminister Antony Blinken am Rande der Tagung Chinas wichtigsten Außenpolitiker Wang Yi trifft. Im ohnehin belasteten Verhältnis zwischen China und den USA gibt es große Spannungen.
US-Präsident Joe Biden hat den Abschuss verteidigt - gleichzeitig aber ein Gespräch mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping erbeten. Auf das Gesprächsangebot reagierte China allerdings kühl, weshalb einem Treffen in München eine hohe Bedeutung zukommen würde. Wang Yi wurde erst im Oktober vom Außenministerium ins Politbüro der Kommunistischen Partei befördert, auch er steht in München auf der Rednerliste.
Nach der Sicherheitskonferenz will Yi auch Moskau besuchen. Peking stützt Russland bisher - hat aber beim G20-Gipfel im November zusammen mit den westlichen Staaten vor einem Einsatz von Nuklearwaffen gewarnt.
Forderungen nach strafrechtlichen Konsequenzen für Putin
Unterdessen wurden in München erneut Forderungen nach strafrechtlichen Konsequenzen für den russischen Präsidenten Wladimir Putin laut. Putin müsse für das Verbrechen der Aggression zur Verantwortung gezogen werden, «sonst wiederholt sich die Geschichte immer wieder», verlangte Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas laut offizieller Übersetzung bei der Sicherheitskonferenz. Der republikanische US-Senator Lindsey Graham betonte: «Wenn Putin damit durchkommt, dann wird in der Zukunft das Gleiche wieder passieren.»
Der russische Angriffskrieg dauert inzwischen fast ein Jahr. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die Konferenz am Freitag per Videoansprache eröffnet und dabei auch unmissverständlich weitere Waffenlieferungen, darunter auch Kampfflugzeuge, sowie schnellere Entscheidungen der Verbündeten gefordert. Im Gegensatz zu Kanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich Selenskyj optimistisch, noch in diesem Jahr den Krieg gegen Russland zu gewinnen. Voraussetzung dafür seien jedoch die entsprechenden Waffenlieferungen.
Das Thema Waffenlieferungen an die Ukraine steht auch bei einer Diskussionsrunde der Außenminister ganz oben auf der Agenda, an der neben Annalena Baerbock auch US-Außenminister Blinken und ihr ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba teilnehmen.