Ukraine-Leaks, Leaks

Tagelang wurde gerätselt, wer hinter einem der größten Geheimdienst-Skandals der USA steckt.

14.04.2023 - 19:21:22

Pentagon-Leck: 21-jähriger Militärangehöriger vor Gericht. Nun gibt es ein Gesicht zu der Affäre. Für die US-Regierung ist die Sache aber längst nicht ausgestanden.

  • Die hektische Suche nach dem Urheber eines der größten Geheimdienst-Skandale rund um geleakte Dokumente um den Krieg in der Ukraine in den USA kommt voran. - Foto: Michelle R. Smith/AP/dpa

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  • US-Justizminister Merrick Garland. - Foto: Evan Vucci/AP/dpa

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Die hektische Suche nach dem Urheber eines der größten Geheimdienst-Skandale rund um geleakte Dokumente um den Krieg in der Ukraine in den USA kommt voran. - Foto: Michelle R. Smith/AP/dpaUS-Justizminister Merrick Garland. - Foto: Evan Vucci/AP/dpa

Der Verdächtige in der Affäre um das massive Datenleck von US-Geheimdokumenten hatte eine offizielle Erlaubnis, streng geheime Regierungsunterlagen einzusehen. Das geht aus Unterlagen des Gerichts im Bundesstaat Massachusetts hervor, vor dem der 21 Jahre alte Militärmitarbeiter am Freitag erstmals erscheinen musste. Jack Teixeira muss sich unter anderem wegen unbefugter Aufbewahrung und Weitergabe von nationalen Verteidigungsinformationen verantworten. Die Bundespolizei FBI hatte den Nationalgardisten am Donnerstag im Zusammenhang mit dem massiven Leck an US-Geheimunterlagen festgenommen.

Aus den Gerichtsunterlagen geht auch hervor, dass die Ermittler den Verdächtigen mithilfe von Rechnungen einer Internetplattform identifizieren konnten. Teixeira wird vorgeworfen, Verschlusssachen in Umlauf gebracht zu haben. Vor Gericht wurde er am Freitag über die Vorwürfe informiert.

Die Bundespolizei FBI hatte den Mann am Donnerstag festgenommen. Er sei in Verbindung mit der «unbefugten Entfernung, Aufbewahrung und Übermittlung von Verschlusssachen» in Gewahrsam genommen worden, sagte US-Justizminister Merrick Garland. Bei einer Anklage und einer späteren Verurteilung könnte ihm eine lange Haftstrafe drohen.

Schon seit Wochen kursieren im Internet geheime Dokumente von US-Stellen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Informationen zu Waffenlieferungen, Einschätzungen zum Kriegsgeschehen. Aber auch Details zu angeblichen Spähaktionen der USA gegen Partner. Unklar ist, was davon authentisch ist und was möglicherweise bearbeitet worden sein könnte.

US-Präsident Joe Biden wies derweil Militär und Geheimdienste an, zusätzliche Maßnahmen zum Schutz sensibler Informationen zu ergreifen. Die Verbreitung von Informationen über die nationale Verteidigung solle weiter eingeschränkt werden, kündigte Biden an. Man sei noch dabei, den inhaltlichen Wert der im Internet veröffentlichten Geheimdokumente zu ermitteln. Dabei stimmten sich die USA eng mit Partnern und Verbündeten ab. Biden lobte die Strafverfolgungsbehörden für «rasches Handeln».

Material kursierte wochenlang im Netz

US-Medien berichteten kurz vor Ostern erstmals über das Leck, ohne die Dokumente selbst zu veröffentlichen. Verteidigungsminister Lloyd Austin erfuhr nach eigenen Angaben erst vor gut einer Woche von dem Datenleck, obwohl das Material da schon wochenlang im Netz umherging. Danach rotierte die Regierung, um Partner zu besänftigen und vor allem, um die undichte Stelle zu finden. Die Regierung leitete Ermittlungen ein, die wenige Tage später zu der Festnahme führten.

Kurz zuvor hatten US-Medien bereits zahlreiche Details über den mutmaßlichen Maulwurf in Umlauf gebracht. Der Mann soll eine Chat-Gruppe auf der bei Videospielern beliebten Plattform Discord geleitet haben. Er habe die brisanten Unterlagen zunächst als Abschriften mit der Gruppe geteilt und dort später Fotos von ausgedruckten Dokumenten hochgeladen.

Den Medienberichten zufolge legte Teixeira die geheimen Informationen in der geschlossenen Chat-Gruppe über Monate offen, bis jemand anders aus der Runde sensible Details auch außerhalb des Chat-Raums postete. So hätten sich die geheimen Unterlagen schließlich immer weiter im Internet verbreitet, bis am Ende auch die Medien und US-Behörden darauf aufmerksam wurden.

Für die US-Regierung ist nicht nur die Sicherheitslücke an sich und die Offenlegung des sensiblen Materials ein Problem, sondern auch die Außenwirkung auf internationaler Bühne: Es stellen sich Fragen dazu, wie verlässlich die USA sind, wie gut sie ihre Geheimnisse und die ihrer Partner schützen und wie loyal sie Verbündeten gegenüber sind.

Verteidigungsministerium untersucht den Vorfall

Der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, der Republikaner Mike Turner, beklagte, die Weitergabe von Verschlusssachen gefährde nicht nur die nationale Sicherheit der USA, sondern wirke sich auch negativ auf die Beziehungen zu internationalen Partnern aus. Er schrieb auf Twitter, man versuche noch, herauszufinden, wie viel Verschlusssachen nach außen gedrungen seien und wie sich die Folgen abmildern ließen. Sein Ausschuss werde auch untersuchen, «warum dies geschah, warum es wochenlang unbemerkt blieb und wie man zukünftige Lecks verhindern kann».

Das US-Verteidigungsministerium will angesichts der Affäre den Zugang zu Geheimdienstinformationen überprüfen. Austin teilte mit, er habe eine Untersuchung über den Zugang zu Geheimdienstinformationen innerhalb seines Ministeriums in Auftrag gegeben. Auch Kontrollverfahren würden überprüft, um zu verhindern, «dass sich ein derartiger Vorfall wiederholt». Jeder Angehörige des US-Militärs und Pentagon-Mitarbeiter mit Zugang zu Geheimdokumenten unterliege einer rechtlichen und moralischen Pflicht, diese zu schützen und verdächtige Aktivitäten zu melden, betonte Austin.

@ dpa.de